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SS-Verherrlichung in BerlinSchaler Beigeschmack

Sollte man eine finnische Brauerei mit Bezug zu einem SS-Veteranenverein boykottieren? Die Meinungen dazu gehen offenbar auseinander.

Auch Biertrinken kann politisch sein Foto: dpa

Bier trinken in der Brauerei „Bryggerie Helsinki“, deren finnischer Geschäftsführer gleichzeitig Vorsitzender eines SS-Veteranenvereins ist? Ja, warum denn eigentlich nicht – fanden einige Menschen im Publikum des Kiezladens Zusammenhalt in der Dunckerstraße, wo am Freitagabend eine Podiumsdiskussion zu dem auf den ersten Blick unwirklichen Thema finnische Gedenkpolitik unter dem Titel „SS-Verherrlichung und Geschichtspolitik in Finnland und Deutschland“ stattfand.

Doch der Reihe nach: Nachdem die taz berichtet hatte, dass Pekka Kääriäinen gleichzeitig die finnische Brauerei Bryggerie Helsinki in der Nähe des Helmholtzplatzes und einen geschichtsrevisionistischen SS-Veteranenverein führt, hatte das Berliner Bündnis gegen Rechts darüber im Kiez mit Flyern informiert und zum Boykott aufgerufen. Andere, auch finnische Medien griffen das Thema auf – das Bündnis gegen Rechts bekam sogar Anfragen aus Russland.

Das Interesse an dem Thema ist auch so groß, weil derzeit in Finnland eine geschichtspolitische Auseinandersetzung um die Gedenkpolitik an die über 1.400 finnischen Waffen-SS-Freiwilligen stattfindet. Sie kämpften im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront für Nazi-Deutschland und beteiligten sich laut einer Anfang Februar veröffentlichten Untersuchung des Nationalarchivs auch an Kriegsverbrechen und Erschießungen.

Jüngere Historiker*innen haben in kritischen Beiträgen mit älteren Legenden gebrochen – vergleichbar etwa mit dem Mythos der „sauberen Wehrmacht“ in Deutschland: Die finnischen SS-Freiwilligen waren demnach nicht so unschuldig, wie insbesondere ein finnischer Historiker, dessen Darstellungen in weiten Teilen denen der SS-Veteranenvereine ähnelte, immer behauptet hatte. Es habe sehr wohl Beteiligungen an Kriegsverbrechen gegeben, Erschießungen von Jüd*innen und Kriegsgefangenen.

Den Boykott des Ladens, zu dem das Berliner Bündnis gegen Rechts aufgerufen hatte, hielten dennoch nicht wenige Besucher*innen der Podiumsdiskussion am Freitag für überzogen. Einer sagte: „Ich halte antifaschistische Arbeit ja für sehr wichtig, aber da seid ihr echt übers Ziel hinaus geschossen. Es gibt doch derzeit wirklich wichtigere Dinge als eine finnische Brauerei.“ Ein Zweiter: „Ich war auch mal in dem Laden, das Bier war ein bisschen teuer, aber der Mann war sehr nett und wirkte überhaupt nicht wie ein Nazi, eher weltoffen und liberal.“ Eine Besucherin: „Die Vorwürfe gegen den Mann sind ja doch recht vage.“

Stolz auf Papas Stahlhelm

Richtig gut zugehört hatte Letztere offenbar nicht: In einem ausführlichen Vortrag hatte Cordelia Heß, Professorin für nordische Geschichte mit Schwerpunkt Antisemitismus, zuvor die finnische Gedenkpolitik dargestellt und warum SS-Veteranenvereine wie dieser selbstverständlich komplett revisionistisch seien. Die Vereine hätten ein großes Interesse daran, keinen Schmutz auf das Andenken der guten finnischen Waffen-SS-Männer kommen zu lassen, so Heß – zumal, wenn deren Websites voll von Hakenkreuzen und SS-Runen sind. Auch Brauerei-Geschäftsführer Kääriäinen hatte sich von einem finnischen Magazin stolz mit Papas Stahlhelm fotografieren lassen. Heß sprach von einer „Heroisierung bis Fetischisierung“ der SS-Veteranen.

Und wem das noch nicht gereicht hatte, der bekam dann von Jussi Nuorteva, dem Direktor des finnischen Nationalarchivs, noch einmal bestätigt, dass finnischen SS-Männer sehr wahrscheinlich an Grausamkeiten beteiligt waren, allein der individuelle Nachweis sei schwierig. Nuorteva kritisierte die Veteranenorganisation allerdings weniger scharf als Heß und – das war ihm wohl sehr wichtig – hob auch hervor, dass insbesondere Kääriäinens Vater in seinem Tagebuch von Erschießungen mit Abneigung geschrieben hätte.

Kääriäinen selbst ist inzwischen zurück gerudert: Hatte er am Anfang dem Bündnis gegen Rechts noch mit Anzeige gedroht, sagt er mittlerweile, es tue ihm leid, wenn er die Opfer durch sein Wirken in dem Verein beleidigt habe. Dass der SS-Veteranenverein apolitisch sei und nur der finanziellen Unterstützung von SS-Veteranen und ihrer Familien diene, darauf bestand er bis zuletzt. Dennoch kündigte er an, seinen Vorsitz im Verein niederzulegen und auszutreten.

Für David Kiefer vom Bündnis gegen Rechts war das nicht ausreichend. „Es ist gut, dass er überhaupt reagiert und sich inzwischen distanziert, aber richtig glaubhaft ist das noch nicht vor dem Hintergrund, dass seine erste Reaktion eine Drohung war.“ Er jedenfalls und wohl auch viele der anderen Besucher*innen der Veranstaltung werden wohl so bald kein finnisches Craft-Beer trinken.

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8 Kommentare

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  • Einen schalen Beigeschmack empfinde ich bei dem Boykottaufruf vom Berliner Bündnis gegen Rechts. So sehr ich die Kritik an den Aktivitäten des Veteranenvereins und insbesondere einer fehlenden kritischen Distanz zu den Verbrechen der Waffen-SS teile, gilt auch hier das Prinzip: Im Zweifel für den Angeklagten. Dieser wird in dem Boykottaufruf als Nazi diffamiert und es wird behauptet, dass er mit dem Bierverkauf die Aktivitäten des Veteranenvereins finanzieren würde. Beide Behauptungen stehen auch nach dem Infoabend haltlos im Raum.

    Eines aber wurde deutlich: dass unsere deutsche Erinnerungskultur eine andere ist als die in vielen anderen europäischen Ländern. Die beiden Historiker*Innen haben an diesem Abend gezeigt, was nötig und einer Weiterentwicklung hin zu einer Annäherung in der Erinnerungskultur dienlich wäre: ein Dialog mit dem Ziel, unserem neuen finnischen Nachbarn zu helfen, seine einseitige Darstellung zu revidieren und den Mut, zu einem kritischen Umgang zur Geschichte des finnischen SS-Bataillons zu gelangen.

    Wer sich eine andere Erinnerungskultur unserer europäischen Nachbarländer wünscht, darf sich einem Dialog nicht verschliessen - wie es das Bündnis gegen Rechts in diesem Fall leider beharrlich tut.

    • @Clemens Weber:

      "...wie es das Bündnis gegen Rechts in diesem Fall leider beharrlich tut."

      Wie könnte das wahr sein, wo das Bündnis gegen Rechts nun für kommenden Monat bereits die zweite öffentliche Podiumsdiskussion angekündigt hat und Sie selbst berichten, wie differenziert die geladenen Historiker*innen das Thema an diesem Abend aufbereitet haben?

      Als undifferenziert empfinde ich dagegen Ihre Wiedergabe der vermeintlichen Position des Bündnisses, in der sie fälschlicher Weise die Behauptung wiederholen, Herr K. sei vom Bündnis als "Nazi" tituliert worden. Diesen Punkt haben sowohl der Sprecher des Bündnisses, als auch Frei Heß nochmal richtig gestellt. Die Gleichsetzung von einem Vorwurf der NS-Verherrlichung mit dem Etikett "Nazi", entspringt allein den Gedanken einiger jener, die dem Bündnis Vorwürfe machen.

      Und obendrein gewisse Fakten ignorieren: Wie kommen Sie immer noch darauf, es sei haltlos zu behaupten, der Verein profitiere von dem Geschäft des Herrn K.? Nicht nur, dass dieser öffentlich die politischen, mitunter revisionistischen Postionen des Vereins vertritt: dass Veranstaltungsräume der Bryggeri bereits für Veranstaltungen des Veteranenvereins genutzt wurden, wurde an dem Abend mehrfach thematisiert. Ist Ihnen das etwa entfallen?

      Gegen Dialog ist ja nichts einzuwenden. Eine aufrichtige Stellungahme des Herrn K. wäre sicherlich willkommen gewesen. Dass Herr K. auf eine erste Kontaktaufnahme im Januar durch die taz mit folgenden Worten reagierte: „ungerechte Anschuldigungen und Verdächtigungen“, seien die neueren wissenschaftl. Erkenntnisse, lässt ihn an der weiteren Entwicklung aber auch nicht unschuldig erscheinen.

      Dem Bündnis, das ihn mit seiner Stellungnahme darauf hin beim Wort nahm, drohte er etwa eineinhalb Monate später öffentlich mit einer Anzeige, die er später aber zurück zog.

      Wahrscheinlich wurde ihm selbst gewahr, dass er und sein Verein in dem Infomaterial weder vermeumdet, noch falsch zitiert worden waren.

      Es lohnt sich genau hinzuschauen!

  • Die Antifa eilt von Sieg zu Sieg, weiß die TAZ zu berichten. Da hat man sich was vorgenommen und erreicht. Kein Bier mehr aus einer Privatbrauerei trinken, dessen Besitzer ein Mensch mit rechten Ecken und womöglich brauen Kanten ist! Die Konzernbiere sind ja so viel besser. Auch wenn es schmecken sollte ... Bier trinken sollte man eh lassen, aber darum geht es ja hier nicht.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Wenn es ihnen nichs ausmacht, bei jemandem Bier zu trinken, der ein Faible für Hakenkreuze und SS-Runen hat, dann Prost!

      • @88181 (Profil gelöscht):

        In den allermeisten Fällen ist mir nicht bekannt, was Leute so denken und tun, bei denen ich was kaufe.

        Wer einen GesinnungsCheck für alle möchte, ist mir zudem viel suspekter als ein oller Devotionalien-Sammler ...

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @TazTiz:

          Da braucht es doch keinen Check in diesem Fall.

          Wenn ich auch nur durch Zufall erfahren würde, mein Obsthändler ist ein Nazi oder Rassist, ich würde ihm keine Banane mehr abkaufen.

          Ich meine das ist doch normal.

        • @TazTiz:

          Nur ein oller Devotionalien-Sammler also?

          Erstens: Herr Kääriäinen trat in seiner Funktion als Vorsitzender des SS-Traditionsverbands Veljesapu wiederholt in einer öffentlichen Sprecherposition auf. Diesen Schritt ist er aus freien Stücken gegangen. Erwartet der Mann, dass es kritiklos bleibt, wenn er öffentlich Krigesverbrechen leugnet, die neueste Forschung als böswillig denunziert und die alten SS-Kämpfer als Helden verstanden wissen möchte?

          Zweitens: Können die Aktivitäten des Verbands Veljesapu nicht von den Aussagen des Herrn Kääriäinen losgelöst betrachtet werden - sie bilden vielmehr den Kern des politischen Programms dieser Vereinigung. So wurde nicht bloß auf der Internetseite allein mit der selbstverständlichen Zurschaustellung von Runen, SS-Orden, Ehrendolchen und Belobigungsschreiben des SS-Reichsführers Heinrich Himmler, ein verherrlichendes bis offen revisionistisches Geschichtsbild propagiert. Der Verband verstand unter Traditionspflege auch solche öffentlichkeitswirksamen Aktionen, wie mit der Fahne der Waffen SS vor Gedenksteinen aufzuamrschieren und diese grusligen Prozessionen anschließend zu Ehren der tapferen Helden auf der eigenen Facebook-Seite der Öffentlichkeit zu präsentieren.

          Drittens: Die Rolle von Kääriäinen Unternehmen Brygerri Helsinki ist unmittelbar mit Veljesapu verquickt. Dafür hat Herr Kääriäinen selbst gesorgt. Über die Statements zur Waffen SS, die er im Zusammenhang mit dem Auftritt der Brygerri auf der Grünen Woche gemacht hat hinaus, wurden in den Räumlichkeiten der Filiale in Helsinki Versammlungen von Veljesapu durchgeführt, was sich auf deren Facebook-Seite für jedermann nachvollziehen lässt.

          Wer diese Zusammenhänge nicht sehen möchte, stattdessen vom "GesinnungsCheck" für alle fabuliert, hat doch den Schuss nicht gehört oder wäre womöglich selber gerne so ein "oller Devotionalen-Sammler", der unter solche einem harmlos anmutenden Etiektt blanken Geschichtsrevisionismus in die Gesellschaft trägt.

          • @Plüschtiger:

            Ich sehe keine Notwendigkeit solche Menschen (Herr Kääriäinen) besonders zu beachten. Ich würde solches Tun (Zurschaustellung von Runen, SS-Orden, Ehrendolchen und Belobigungsschreiben) noch als meinungsfrei ansehen, auch wenn ich es nicht billige. Moralische Gedanken über den Händler oder Gastwirt um die Ecke würde ich trotzdem nicht anstellen: zu schnell würde ich für andere Zwecke manipuliert. Im Namen von politischen Tugenden sind schon zu viele Menschen ausgegrenzt und "geopfert" worden ...

            Entspannen Sie sich und fragen Sie sich, ab es den Ärger wert ist.