SPD-Parteikonvent in Berlin: Kein einfaches Manöver
Die SPD will in Europa Steuergerechtigkeit gegen Facebook und Co erkämpfen. Schwierig, wenn der eigene Finanzminister auf die Bremse tritt.
Nahles skizziert nochmal die bekannte SPD-Erzählung: Für das Gute, für Europa, gegen die Nationalisten, gegen Orban, Salvini und Gauland, die „das Rad zurückdrehen wollen“. In der Sozialdemokratie fließe das „Herzblut“ (Nahles' Wort) für Europa. Die SPD ist Garant der Erfolgsgeschichte EU, ein Bollwerk gegen die Rechten, so das Bild.
Der SPD-Hashtag heißt „Europa ist die Antwort“. Da schwingt etwas von Glaubensbekenntnis mit, ein Hauch von Sakralisierung, von „Jesus ist die Antwort“. Nahles ist gut in Form, ihre Rede eine schwungvolle Tour d'horizon, um der Partei Mut zu machen. Sie erntet spontanen Applaus, als sie Hubertus Heils Grundrente lobt und Söders Rentenmodell verdammt.
„Wir machen da keine Kompromisse“, ruft sie. An den Satz wird man sich erinnern, wenn Heil das Grundrente-Gesetz vorstellt. Denn der Verzicht auf eine Armutsprüfung, den die SPD will, steht nicht im Koalitionsvertrag. Und die Union sperrt sich. Dass die SPD vorab jeden Kompromiss ausschließt, wie Nahles es tut, ist daher eine kühne Ankündigung.
Die Junge Union als Schmutz
Die SPD-Chefin erwähnt, dass im Congresscenter vor ein paar Tagen die Junge Union getagt hat. Die JU hatte einen neuen rechtsdrehenden Chef gewählt und plump gegen Jusos gefeuert. „Es ist gut gewischt worden“, ruft Nahles. In dieser Metapher wird die JU Schmutz, der zu beseitigen war. Stilsicherheit zählt noch immer nicht zu den Stärken der SPD-Chefin.
Nahles hält eine krachende Rede, Katarina Barley wählt eher die Tonalität der Volkshochschule. Kühler, mit dosierten Wir-gegen-die Bildern. Barley, Spitzenkandidatin der SPD für die EU-Wahl am 26. Mai, spricht die beiden heiklen Punkte an: den Uploadfilter und Steuern. Beim Uploadfilter ist der Konsens schnell gefunden: Die SPD will Uploadfilter verhindern und setzt, um Urheberrechte zu schützen, auf Bezahlmodelle.
Kniffliger ist es bei den Steuern für Internetkonzerne. Die sind neben einem regional angepassten Mindestlohn in der EU die hervorstechende konkrete Idee für den Wahlkampf „Wer Milliardenerträge erwirtschaftet, muss angemessen besteuert werden“, so heißt es im Leitantrag. Udo Bullmann, Chef der sozialdemokratischen Fraktion im EP, warnt energisch „vor den vier den apokalpytischen Reitern Facebook, Google, Apple, Amazon“.
SPD will Internetkonzernsteuer
Doch Finanzminister Olaf Scholz hat bei der EU-Digitalsteuer auf die Bremse getreten. Frankreich will eine Steuer für Internetkonzerne – Scholz blockte ab. Auch weil er fürchtet, dass Trump auf Besteuerungen von Facebook und Co. mit Steuern für deutsche Autos reagieren kann. Der SPD-Kompromiss versucht dem vorsichtigen Scholz-Kurs zu folgen und trotzdem Steuern für Internetkonzerne als glaubwürdiges Ziel der SPD für Europa zu inszenieren. Ein heikler Spagat.
Die SPD will nun eine Internetkonzernsteuer in der OECD durchsetzen. Falls das misslingt, will man bis Anfang 2021 die Digitalsteuer in der EU durchsetzen. „Wir werden nicht zulassen, dass sich die (digitalen) Multis der gerechten Besteuerung entziehen“, so der Beschluss. Allerdings nicht jetzt, später. Vor allem NRW-Abgeordnete hatten versucht, möglichst weitgehende Formulierungen für die Digitalsteuer durchzusetzen.
Den leicht veränderten Antrag des Parteivorstands zu „Interantionale Steuergerechtigkeit und fairer Wettbewerb“ nimmt der Konvent an. Ohne Gegenstimme. Und ohne Debatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden