SPD-Linker Sebastian Roloff: „Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
Der SPD-Linke Sebastian Roloff setzt auf Olaf Scholz. Er fordert eine schnelle Klärung der Kanzlerfrage durch die Partei.
taz: Herr Roloff, der Fraktionsvize Dirk Wiese und die Co-Vorsitzende der Parlamentarischen Linken, Wiebke Esdar, fordern eine offene Debatte, ob Olaf Scholz oder Boris Pistorius Kanzlerkandidat der SPD werden soll. Ist das sinnvoll?
Sebastian Roloff: Nein. Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit. Wir führen seit zweieinhalb Wochen eine Diskussion über das Personal, anstatt zu erzählen, was die SPD in der Ampel erreicht hat, und vor allem, was sie noch vorhat. Auch dass Dirk Wiese und Wiebke Esdar ihr Statement veröffentlichen, während der Kanzler in Rio beim G-20-Gipfel ist, ist bemerkenswert. Wir geben derzeit kein gutes Bild ab. Deshalb hoffe ich, dass diese Frage schnell geklärt wird.
41, ist Bundestagsabgeordneter. 2023 wurde er in den SPD-Bundesvorstand gewählt. Er ist Vorstandsmitglied des Forums Demokratische Linke 21.
taz: Wer soll das klären?
Roloff: Die zuständigen Gremien, also das Präsidium und der Parteivorstand. Die Entscheidung kann nur ein Parteitag fällen. Aber ich erwarte, dass sich der Parteivorstand spätestens Montag für Olaf Scholz ausspricht. Es ist unklug, die Diskussion weiter laufen zu lassen.
taz: Wie ist die Stimmung an der Basis? Viele Medienberichte legen nahe, dass dort viele Boris Pistorius wollen. Nehmen Sie das auch so wahr?
Roloff: Nein, nicht so einheitlich. Mir schreiben manche GenossInnen, dass Olaf Scholz unbedingt weitermachen soll, andere wollen lieber Boris Pistorius. Andere fragen, ob die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger nicht die beste Wahl wäre. Ja, es gibt Diskussion an der Basis. Das ist angesichts der bescheidenen Umfrageergebnisse für die SPD auch nachvollziehbar. Pistorius ist laut Umfragen beliebter als Scholz. Daher glauben manche, dass er die bessere Wahl wäre.
taz: Sie nicht. Warum nicht?
Roloff: Weil ich mich an die Kanzlerkandidaturen von Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Martin Schulz erinnern kann. Die waren alle phasenweise beliebter als die Kanzlerin Angela Merkel. Trotzdem haben sie die Wahlen verloren. Man sollte sich nicht von Umfragen und Momentaufnahmen blenden lassen. Es kann gut sein, dass ein Kanzlerkandidat Pistorius im ersten Moment beliebt wäre, aber im Januar und Februar davon nichts mehr übrig wäre. Ein Amtsbonus kann im Wahlkampf auch sehr hilfreich sein. Und es gab noch nie den Fall, dass ein amtierender sozialdemokratischer Kanzler nicht der nächste Kanzlerkandidat war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation