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SPD-Linker Sebastian Roloff„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“

Der SPD-Linke Sebastian Roloff setzt auf Olaf Scholz. Er fordert eine schnelle Klärung der Kanzlerfrage durch die Partei.

Der Platz des Bundeskanzlers am Kabinettstisch Foto: Stefan Boness/Ipon
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Roloff, der Fraktionsvize Dirk Wiese und die Co-Vorsitzende der Parlamentarischen Linken, Wiebke Esdar, fordern eine offene Debatte, ob Olaf Scholz oder Boris Pistorius Kanzlerkandidat der SPD werden soll. Ist das sinnvoll?

Sebastian Roloff: Nein. Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit. Wir führen seit zweieinhalb Wochen eine Diskussion über das Personal, anstatt zu erzählen, was die SPD in der Ampel erreicht hat, und vor allem, was sie noch vorhat. Auch dass Dirk Wiese und Wiebke Esdar ihr Statement veröffentlichen, während der Kanzler in Rio beim G-20-Gipfel ist, ist bemerkenswert. Wir geben derzeit kein gutes Bild ab. Deshalb hoffe ich, dass diese Frage schnell geklärt wird.

Im Interview: Sebastian Roloff

41, ist Bundestagsabgeordneter. 2023 wurde er in den SPD-Bundesvorstand gewählt. Er ist Vorstandsmitglied des Forums Demokratische Linke 21.

taz: Wer soll das klären?

Roloff: Die zuständigen Gremien, also das Präsidium und der Parteivorstand. Die Entscheidung kann nur ein Parteitag fällen. Aber ich erwarte, dass sich der Parteivorstand spätestens Montag für Olaf Scholz ausspricht. Es ist unklug, die Diskussion weiter laufen zu lassen.

taz: Wie ist die Stimmung an der Basis? Viele Medienberichte legen nahe, dass dort viele Boris Pistorius wollen. Nehmen Sie das auch so wahr?

Roloff: Nein, nicht so einheitlich. Mir schreiben manche GenossInnen, dass Olaf Scholz unbedingt weitermachen soll, andere wollen lieber Boris Pistorius. Andere fragen, ob die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger nicht die beste Wahl wäre. Ja, es gibt Diskussion an der Basis. Das ist angesichts der bescheidenen Umfrageergebnisse für die SPD auch nachvollziehbar. Pistorius ist laut Umfragen beliebter als Scholz. Daher glauben manche, dass er die bessere Wahl wäre.

taz: Sie nicht. Warum nicht?

Roloff: Weil ich mich an die Kanzlerkandidaturen von Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Martin Schulz erinnern kann. Die waren alle phasenweise beliebter als die Kanzlerin Angela Merkel. Trotzdem haben sie die Wahlen verloren. Man sollte sich nicht von Umfragen und Momentaufnahmen blenden lassen. Es kann gut sein, dass ein Kanzlerkandidat Pistorius im ersten Moment beliebt wäre, aber im Januar und Februar davon nichts mehr übrig wäre. Ein Amtsbonus kann im Wahlkampf auch sehr hilfreich sein. Und es gab noch nie den Fall, dass ein amtierender sozialdemokratischer Kanzler nicht der nächste Kanzlerkandidat war.

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12 Kommentare

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  • Warum kriege ich den Eindruck nicht los, dass diese Kandidaten-Debatte nicht in der SPD sondern in den Medien vom Zaune gebrochen wurde?

  • SPD ist eine demokratische Partei, der Spitzenkandidat wird nicht bestimmt. Daher ist es richtig und erwartet, dass die Partei diskutiert. Das nennt sich Demokratie, nicht störend oder gar überraschend.



    Pistorius kann nicht gewinnen. Er kann vielleicht dafür sorgen 18-19% statt 13-15% zu erlangen.



    Und wer über die Ampel klagte kann sich mal ausmahlen was das für Koalitionen werden würden wenn die SPD bei 13% liegen wird.



    Des Weiteren sollte man nicht verdrängen, dass der amtierende Kanzler mit Gedächnisslücken die "Alte Dame" in den Dreck geritten hat.

  • Die SPD war seit 1998 ganze 4 Jahre (2009-2013) nicht an der Bundesregierung beteiligt.



    In diesem Zeitraum hatte die SPD 16 verschiedenen Vorsitzende (einige kurzzeitig kommissarisch), stellte 4 Vizekanzler und aktuell den zweiten Bundeskanzler.



    Dier aktuellen Umfrageergebnisse sind die Folge der Politik, die die SPD in diesen Jahren gemacht hat.



    Die Vorstellung, daß nur Olaf Scholz daran Schuld ist und mit einem anderen Spitzenkandidaten alles besser wird, ist absurd.

    Nur mit einer anderen Politik kann die SPD auch andere Wähler erreichen. Dabei würde es schon reichen, diejenigen, die noch zu Schröders Zeiten SPD gewählt haben, wieder anzusprechen.



    Stattdessen will man den alten Wein mit einem neuen Etikett verkaufen. Aber er schmeckt immer noch gleich.

  • Vieles, was er sagt, ist richtig. Kein Kandidat wird einen Stimmungsumschwung herbei zaubern können, wäre dann aber für eine weitere Bundestagswahl verbrannt, falls sich die SPD bis dahin wieder gefangen und Profil aufgebaut hat.

  • Die Debatte kommt zur Unzeit? Da bin ich ganz anderer Meinung. Solche Debatten kommen nie zur Unzeit. Es ist zwar wichtig, über Köpfe zu reden, aber viel wichtiger ist, über Themen zu reden. Und letzteres wird viel zu wenig getan.



    Ansonsten haben wir es wieder mit den Eitelkeiten der altbekannten weißen Männer zu tun. War da nicht was? Kommt mir irgendwie bekannt vor.



    Und wieso fühlt sich ein amtierender Kanzler von vornherein als Spitzenkandidat für die nächste Wahl gesetzt, bzw. wird als gesetzt angesehen? Sowas sollte niemand als Selbstläufer betrachten, denn Spitzenkandidaten werden nicht festgelegt sondern demokratisch gewählt.

    • @hechtmaus:

      Ich gehe bei allem mit nur der mittlere Abschnitt ist so unnötig. Als ob es was mit dem Geschlecht oder der Hautfarbe zu tun hätte. Es geht einzig um Charaktereigenschaften.

      Frau Baerbock zum Beispiel hätte vllt auch besser verzichtet, aber ihr eigenes ego oder streben nach Macht haben das nicht zu gelassen und sie war weder alt noch männlich. Nur ein Beispiel.

      • @Hitchhiker:

        Wenn ich mir aber so die politischen Positionen von Scholz und Baerbock ansehe, dann steht Scholz für ein "weiter so!" und Baerbock für einen deutlich modernen Ansatz in der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik.

        • @hechtmaus:

          Allerdings stehen die Grünen und Baerbock eben auch für eine operative Inkompetenz. Die Umsetzung des Ansatzes ist einfach katastrophal schlecht. Und zum anderen steht Frau Baerbock eben auch für Überheblichkeit und Blenderei (Ihr Buch, Lebenslauf und Ansagen zb. zum weniger Fliegen, welche sie nicht halten kann)

          SPD steht für Weiter so.



          Grüne stehen für Doppelmoral



          CDU für Soziale Kälte



          FDP für Blockade



          AfD für völkischer Nationalismus



          Linke für Streit und Wünsch dir was Schlaraffenland



          BSW für Russland

          Was ne Wahlaussicht, davon will man ja wirklich nichts

  • Sprach ein Parteilinker:



    Die zuständigen Gremien sollen umgehend die formale Diskussion durchführen und dann die von mir favorisierte Entscheidung fällen.

  • "Ein Amtsbonus kann im Wahlkampf auch sehr hilfreich sein."

    Lustige Schreibweise für das Wort "Amtsmallus"...

    Die Argumente für Scholz können die Personen doch unmöglich ernst meinen. Woher soll denn der Bonus kommen? Aus einer Ampelkoalition von der jeder die Schnauze voll hatte? Aus der Zeit davor mit der Groko, mit Scholz als Vize, wo die Menschen die Schnauze voll von hatten. Gemeinsamer Nenner Olaf Scholz.

    Und der Vergleich mit Merkel hinkt, denn hier werden SPDler mit jemandem von der CDU verglichen. Hier gibt es ja dann auch Differenzen zwischen den Parteien. Und Merkel hat halt auch echt einen Grund für einen Amtsbonus gehabt, weil es unter Merkel meist allen gut ging und alle Krisen bewältigt wurden (Dafür der Umbau/Fortschritt verschleppt)

    Kann gut sein, dass Pistorius bei einer Kanzlerkandidatur an Beliebtheit einbüßt, aber Sicher ist, dass Scholz nicht mehr an Beliebtheit zulegen kann und wird.



    Mit Pistorius landet man Ende schlechtestenfalls bei 15%, mit Scholz allerdings bestenfalls bei 15% und da muss die Konkurrenz schon echt federn lassen.



    Mit Scholz sage ich Platz 4 hinter CDU, AfD und Grünen vorraus!

  • Man kann hier Herrn Roloff nur beipflichten.



    An der Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz sollte nicht gerüttelt werden.



    Nur so kann verhindert werden, dass die SPD in der nächsten Regierung wieder eine relevante Rolle spielt.

  • Wünsche eines Nicht SPDlers mit absteigender Beliebtheit:



    1) Saskia Esken zu Kanzlerkandidatin machen



    2) schön weiter diskutieren, wer der richtige Kandidat wäre



    3) sich klar für Scholz aussprechen ob seiner großen Verdienste



    4) Pistorius zum Kandidaten machen