Russischer Politologe über Trump-Treffen: „Kein geopolitisches Konzept“
Auch wenn die Agenda zwischen Trump und Putin weiter unklar ist – das Treffen könnte laut Alexei Malaschenko als Druckmittel auf die Europäer wirken.
taz: Herr Malaschenko, wie reagiert der Kreml auf den neuen außenpolitischen Stil Donald Trumps?
Alexei Malaschenko: Das ist nicht mehr die Geopolitik, an die wir gewöhnt sind. Für Trump ist das eher außenpolitische Routine. Mal trifft er Kim, mal Putin. Der US-Präsident ist immer beides, Geschäftsmann und Politiker. Er läuft über den Markt und schaut, was die Russen, die Koreaner und Europäer feilbieten. Trump arbeitet ausschließlich auf eigene Rechnung.
Versteht Putin diese neue lockere Form des „Gipfels“?
Für Putin ist das schwer nachzuvollziehen. Ein Gipfeltreffen bleibt für ihn ein historisches Großereignis. Russlands TV-Propaganda ist darauf abgestellt.
Russland stellt Trumps Gipfel-Initiative innenpolitisch als eine Schwäche Washingtons dar.
Putin will sich dem heimischen Publikum als Vertreter einer Weltmacht zeigen. Russland schwankt aber gerade. Soll es sich jetzt mehr auf die USA einlassen oder doch lieber Europa zuwenden? Das zeigt, dass der Kreml kein geopolitisches Konzept verfolgt.
Worüber könnten die beiden sprechen?
Zunächst über Syrien und den Mittleren Osten. Putin kommt es gelegen, den Anti-Terror-Kampf noch einmal aufzugreifen. Trump könnte durchblicken lassen, dass er weder etwas gegen die russische Präsenz in Syrien einzuwenden hat, noch im Moment Baschar al-Assads Ende fordert. Er sieht in Syrien keine vitalen US-Interessen. Seine Haltung ist klar: Soll sich doch Russland damit beschäftigen. Wenn sich die USA zurückziehen, droht Moskau aber immer tiefer im Morast zu versinken. Das ist gefährlich, denn auch mit der Türkei und Iran sind die Beziehungen nicht unproblematisch. Erschwerend kommt für Moskau hinzu, dass es in letzter Zeit mit Israel enger zusammenarbeitet. Die Gemengelage ist unübersichtlich.
Trump setzt doch auf Moskaus Hebel gegenüber Teheran.
Ich halte die Einflussmöglichkeiten Moskaus für gering. Das religiöse Establishment Irans traut Russland als Nachfolgerin der Sowjetunion nicht. Auch alle Versuche schlugen fehl, wirtschaftlich enger ins Geschäft miteinander zu kommen. Iran orientiert sich eher an Europa.
ist Professor für Politik- und Islamwissenschaften. Seit 2016 leitet er die Forschungsabteilung des kremlnahen Instituts „Dialog der Zivilisationen“ in Berlin.
Atomare Abrüstung ist Putin wichtig, er möchte die Amerikaner zurück an den Verhandlungstisch holen.
Sollte das Rüstungsthema angesprochen werden, wird es vor allem um die Nichtverbreitung von Atomwaffen gehen. Trump hat mit Nordkorea einiges erreicht, in diesem Zusammenhang wird wohl auch Irans Atomprogramm wieder zum Thema werden. Nukleare Abrüstung wird jedoch kein Thema sein. Das geht nur mit den Militärs, die wollen aber weder Trump noch Putin mit am Tisch haben.
Welche Rolle spielt der Streit zwischen Trump und den Nato-Mitgliedern? Setzt Moskau auf eine Schwächung des westlichen Bündnisses?
Wenn zwischen den beiden Präsidenten alles glatt läuft, könnte das Treffen auf die Europäer am Ende noch größere Wirkung entfalten. Als Druckmittel sozusagen. An die Europäer gerichtet könnte Moskau vorgeben: ihr sprecht von russischer Aggression, Trump sieht das jedoch etwas anders.
Gibt es bei den Wirtschaftssanktionen Spielraum für eine Abschwächung?
Putin wird nicht um Erleichterung bitten, auch wenn die Sanktionen ökonomische Probleme schaffen. Gleichzeitig stärken sie auch seine Macht. Weite Teile der Gesellschaft denken: Wir haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, wir werden auch die Sanktionen überstehen.
Wie kompromissbereit ist Putin?
Putin ist innenpolitisch immer der Sieger. Jeder Kompromiss ist in seinen Augen ein Zeichen der Schwäche. Wie ließe sich ein Kompromiss gegenüber den USA den Anhängern aber verkaufen? Diese Haltung blockiert auch in der Ostukraine einen Durchbruch. Der Kreml wäre das Donbass-Problem gerne los, will sich aber keine Blöße geben.
Bahnbrechende Ergebnisse sind somit nicht zu erwarten?
Das Treffen wird mit einem Remis enden. Der Kreml wird es dennoch als Sieg verkaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht