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Russische Wagner-Gruppe in MaliVerbrennungen, Isolation und Waterboarding

Die Methoden gleichen denen in der Ukraine: An mindestens sechs Standorten des malischen Militärs haben Wagner-Söldner Zivilisten misshandelt.

Ein im Januar 2022 verbreitetes undatiertes Foto von russischen Kämpfern auf einer Basis der malischen Streitkräfte Foto: French Army/ap

Dakar taz | Mit Zigaretten verbrannt, tagelang in Metallcontainern in der brütenden Hitze eingesperrt, endlose Musikbeschallung, Isolation, Waterboarding: Die Aussagen, die das investigative Journalistenkollektiv Forbidden Stories zusammengetragen und vor wenigen Tagen veröffentlicht hat, zeugen von schwersten Menschenrechtsverletzungen. Seit ihrer Ankunft in Mali Ende 2021 haben demnach die russischen Söldner der Wagner-Gruppe Hunderte von Zivilisten verhaftet, inhaftiert und gefoltert.

Mindestens sechs ehemalige UN-Stützpunkte und Militärbasen der malischen Armee – in den Orten Bapho, Kidal, Nampala, Niafunké, Sévaré und Sofara – wurden zu geheimen Foltergefängnissen umfunktioniert, in denen zwischen 2022 und 2024 Zivilisten gefangen gehalten wurden, berichtet Journalist Guillaume Vénétitay, der federführend an der Recherche beteiligt war. Vermutlich gebe es sehr viel mehr Haftanstalten als nur die sechs identifizierten.

Die Foltermethoden gleichen denen, die auch in der Ukraine angewendet werden

Guillaume Vénétitay, „Forbidden Stories“

„Die Foltermethoden gleichen denen, die auch in der Ukraine angewendet werden“, sagt Vénétitay der taz. In der Ukraine hatte die Recherche ursprünglich begonnen, als Forbidden Stories gemeinsam mit France 24, Le Monde und IStories die Arbeit der ukrainischen Journalistin Wiktorija Roschtschyna fortgesetzt hatte.

Diese war im Sommer 2023 von Russland gefangen genommen worden, als sie über die illegale Inhaftierung von Zivilisten in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine recherchierte. Sie wurde am 19. September 2024 in der Gefangenschaft für tot erklärt, ihre von schwerer Folter gezeichnete Leiche im Februar 2025 an die Ukraine übergeben.

Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung

Auch in Mali wird den russischen Kämpfern immer wieder vorgeworfen, während ihrer Einsätze an der Seite von Malis Armee Verbrechen zu begehen und gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Wiederholt haben Zeugen berichtet, dass Wagner innerhalb der Militärlager eigene Bereiche operiere, die nicht von Malis Armee betreten werden würden. Diese scheine nicht willens oder in der Lage, ihre russischen Partner zu zügeln, heißt es dazu in dem Bericht.

Während die russischen Paramilitärs nach dem Bruch der malischen Machthaber mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zunächst von der Bevölkerung als neuer Sicherheitspartner begrüßt wurden, verbreiten sie tatsächlich Angst und Schrecken. Vor allem die Bevölkerung in den Konfliktgebieten sieht sich im Kreuzfeuer zwischen Islamisten und den Anti-Terror-Operationen gefangen – und mit dem Generalverdacht konfrontiert, mit Terroristen zu kollaborieren.

Offiziell hat die Wagner-Gruppe ihre Mission in Mali inzwischen beendet. Ein Video in Wagner-nahen Telegram-Kanälen erklärte vor kurzem den Auftrag für „erfüllt“. An Wagners Stelle tritt nun das „Afrika-Korps“, eine russische Militäreinheit, die im Gegensatz zu Wagner direkt dem Kreml unterstellt ist. Doch während Wagner als kampferprobte Truppe galt, hat sich das „Afrika-Korps“ in den Kampfzonen bislang diskret zurückgehalten.

Die Sicherheitspartnerschaft zwischen Mali und Russland ist damit zwar formalisiert, ihre tatsächliche Schlagkraft bleibt aber ungewiss. Seit Dezember 2024 sollen nach Informationen des Investigativteams rund 1.500 Männer des Afrika-Korps in Mali eingetroffen sein, auch zahlreiche ehemalige Wagner-Kämpfer wurden in die neue Truppe integriert. Inwieweit Wagners Methoden weiterhin Anwendung finden, wird sich noch zeigen.

Terroranschläge häufen sich

Während das Werbevideo Wagners Zeit in Mali als heroischen Erfolg feiert, steht dies im starken Kontrast zu den jüngsten Meldungen über vermehrte Terroranschläge. „Aber auch hier muss man vorsichtig sein mit Aussagen von beiden Seiten. Es herrscht ein PR-Krieg, und weder die Armee noch die Dschihadisten geben verlässliche Zahlen zu ihren Opfern an“, warnt Vénétitay.

In Mali kämpfen die wechselnden Regierungen seit langem gegen islamistische Gruppen und andere Aufständische. Die fragile Sicherheitssituation diente Militärführer Assimi Goita 2020 als Rechtfertigung, die zivile gewählte Regierung zu stürzen. Grundlegend verbessert hat sich die Sicherheit aber seither nicht. Goita drehte Anfang Juni dann die notwendigen Stellschrauben, um sich auf fünf unbegrenzt erneuerbare Jahre im Amt bestätigen zu lassen.

Gegen Opposition und Kritik gehen die Militärmachthaber mittlerweile systematisch vor, aus weiten Teilen des Landes dringen kaum noch unabhängige Berichte nach außen. Viele Regionen sind für Journalist*innen, Be­ob­ach­te­r*in­nen oder humanitäre Organisationen nicht mehr zugänglich, unabhängige Recherchen oft gar nicht oder nur stark eingeschränkt möglich. Was bleibt, ist die Staatspropaganda – oder deren Schweigen, wenn die Nachrichten unangenehm werden.

„Recherchen zu Wagner in Mali durchzuführen, war uns nicht möglich“, berichtet Vénétitay. Zu groß ist das Sicherheitsrisiko für Journalisten und Zeugen. „Stattdessen haben wir Malier interviewt, die nach Mauretanien geflohen sind“, berichtet er. Erst auf der anderen Seite der Grenze, und auch dort nur an sicheren Orten, hätten Betroffene unter Wahrung ihrer Anonymität von ihren Erlebnissen erzählt.

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