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Rüstungsexporte aus DeutschlandSie schießen aus allen Rohren

Deutschlands Waffenlieferungen haben ein Rekordhoch erreicht. Die Linke und die Grünen fordern eine Verschärfung der Rüstungskontrolle.

Schon länger von Panzern begeistert: Sigmar Gabriel (Archivbild 2002) Foto: dpa

Berlin taz | | Weil die Bundesregierung Rüstungsexporte in Rekordhöhe genehmigt, fordert die Linkspartei strengere gesetzliche Vorgaben. „Das System der Rüstungskontrolle ist kaputt. Es ist Wischiwaschi, butterweich“, sagte der Außenpolitiker Jan van Aken am Freitag im Bundestag. Er kritisierte, dass die bisherigen Kriterien für Exportgenehmigungen „völlig vage“ seien und die Gesetze „Tausende von Schlupflöchern“ zuließen. Notwendig seien daher klar definierte Verbote, etwa für Geschäfte mit Kriegsparteien.

Die Grünen lehnen diesen Vorschlag nicht grundsätzlich ab. „Ich bin beim Kollegen van Aken: Gesetze kann man verschärfen“, sagte die Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brug­ger. Das Hauptproblem sieht sie aber nicht in laschen Vorgaben, sondern im fehlenden „politischen Willen der Regierung“, die Exporte zu senken.

Die Bundesregierung hatte am vergangenen Mittwoch ihren Rüstungsexportbericht für das Jahr 2015 veröffentlicht. Demzufolge genehmigte sie im vergangenen Jahr Ausfuhren in einem Gesamtwert von 7,86 Milliarden Euro; der Großteil der Produkte geht an Drittstaaten außerhalb von EU und Nato. Noch nie zuvor hatte eine Bundesregierung Rüstungsexporte in einem solch hohen Umfang genehmigt.

Dass die Große Koalition diesen Rekord knackt, war schon länger absehbar. Neu sind dagegen Zahlen für das laufende Jahr: Von Januar bis Juni genehmigte die Regierung Ausfuhren im Wert von 4,029 Milliarden Euro – das sind noch einmal deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. Zuletzt erlaubte der Bundessicherheitsrat (ein Regierungsgremium, dem die Kanzlerin und mehrere Minister angehören) die Ausfuhr von 48 Patrouillenbooten an die saudische Küstenwache.

Das System der Rüstungskontrolle ist kaputt. Es ist Wischiwaschi, butterweich

Jan van Aken, Linkspartei

Für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der federführend zuständig ist, sind diese Neuigkeiten pikant: Im Wahlkampf hatte er eigentlich einen restriktiveren Kurs angekündigt. Dass die Exportgenehmigungen nun gestiegen sind, schiebt er unter anderem auf Genehmigungen der Vorgängerregierung, die er nicht ohne Weiteres kassieren kann.

Im Bundestag verteidigten Koalitionsabgeordnete gestern die Genehmigungspraxis. Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch sagte: „Auch wenn das deutsche G36-Gewehr nicht nach Saudi-Arabien kommt, werden die saudischen Soldaten nicht mit Holzgewehren herumlaufen.“ Stattdessen würde sich die Regierung in Riad Lieferanten aus anderen Ländern suchen. Der SPD-Abgeordnete Ulrich Hampel lobte seinen Parteichef trotz der Rekordgenehmigungen: Die Exportpolitik sei unter der Großen Koalition so transparent wie nie zuvor. Das sei der Verdienst von Sigmar Gabriel.

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8 Kommentare

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  • "Stattdessen würde sich die Regierung in Riad Lieferanten aus anderen Ländern suchen." - Interessantes Statement, offenbart unfreiwillig mehr: Wo "Bedarf" an Kriegswaffen ist, werden auch welche hingeliefert - wenn nicht von deutschen Kriegsprofiteuren, dann eben von anderen. Das soll dies doch wohl heißen. Also ist es eigentlich eh egal, wer den Despoten ... Diktatoren ... Dschihadunterstützern ... Menschenrechtsverletzern ... die Waffen liefert. Das entlarvt das Sonntagsgerede von den "Menschenrechten" (die stes die anderen verletzen) recht gut. Danke!

  • Je nachdem, gegen wen die saudischen Soldaten anlaufen, wären Holzgewähre eventuell besser.

  • Letztlich geht es immer um den Erhalt der perfekten Symbiose. Die Rüstungsindustrie produziert, verkauft und kassiert, und die Politik sorgt dafür, daß es dazu passend genügend Unfrieden in der Welt gibt. Selbst die Zielgruppen sind solchem Denken angepaßt: Unschuldige Opfer, die zuerst über die Steuer alles finanzieren und dann mit einem großen Knall verabschiedet werden, gibt es stets im Übermaß.

  • MdB Klaus-Peter Willsch macht ja aus seinem Herzen keine Mördergrube.

  • Möglicherweise ist die Rüstungsindustrie die Branche welche sich nach dem Brexit in England ansiedeln wird.

  • Die Grünen sehen den Hauptgrund im fehlenden politischen Willen und nicht in zu laschen Gesetzen. Das sehe ich anders - da teile ich die Sicht von Herrn van Aken - es braucht strengere Vorgaben. Waffengeschäft ist ein "Bombengeschäft" - wenige verdienen daran sehr sehr gut. Und unsere Politiker, sobald sie an der Macht sind, haben nun mal erkennbar einen Hang die Lobbyinteressen der Rüstungsindustrie zu erfüllen - das lässt sich ehrlicherweise nachweisen. Dann braucht es eben Regelungen, die ihnen diese Freiheit so weit wie möglich nimmt - denn es fehlt an der Reife des Bewusstseins unserer Politiker - zumindest der für die Rüstungsexporte verantwortlichen Politiker.

  • Die Exportpolitik sei unter der Großen Koalition so transparent wie nie zuvor. Das sei der Verdienst von Sigmar Gabriel.

     

    Aha -

     

    "der Verdienst von Sigmar Gabriel" ist doch eher Staaten wie Saudi Arabien zu beliefern.

  • An dem Foto mit Gabriel können wir sehen was schon die damalige Version von Photoshop leistete. Makabrer Scherz beiseite:

     

    "Almanya sehr gut!"

     

    Mitte der 80er Jahre besuchte ich einen kurdischen Freund in seinem Heimatdorf in Türkisch-Kurdistan, nahe der armenischen Grenze. Am Horizont sahen wir den Berg Ararat.

     

    Ein ganz junger (kurdischer?) Dorfschützer des Dorfes, ein Jandarma, grüßte mich freundlich auf Deutsch und schlug dabei anerkennend auf den Schaft seines Gewehres:

     

    "Almanya sehr gut!"

     

    Es war ein G3-Gewehr. An dem auch ich Anfang der 60er beim Bund ausgebildet wurde: "Wir machen euch waffengeil!", so unsere Ausbilder. Deutsche „Wert“arbeit (West).

     

    Nach der Wende sahen wir Pressefotos aus Türkisch-Kurdistan, auf denen das türkische Militär ausrangierte NVA-Schützenpanzer im Einsatz hatte. Deutsche „Wert“arbeit (Ost). An einem Panzer hinten ein Seil, daran offensichtlich ein Kurde, den sie über eine Dorfstraße schleiften. Ob er noch lebte?

     

    Einige Jahre später wurde mein junger kurdischer Freund in seinem Heimatdorf von türkischen Soldaten getötet. Er war kein PKK-Mitglied. Sein "Vergehen": Kurde! Mit kurdisch-armenisch-türkischen Vorfahren. Sein Dorf wurde zerstört.

     

    Der Name des Dorfes, längst türkisiert, lautete übersetzt ins Deutsche etwa so viel wie „Wunderbar“.