Rücktritt nach taz/NDR-Enthüllungen: Protokolle eines AfD-Politikers
Der Schweriner Fraktionsvize Arppe schrieb in Chats über Vergewaltigungsfantasien und beleidigte Parteikollegen. Er trat zurück.
In den rund 12.000 Seiten umfassenden Protokollen beleidigt Arppe offenbar Parteikollegen, politische Gegner und außerparlamentarische Bündnispartner heftig. Seine Angriffe wechseln zwischen alltäglichen Banalitäten und brutalen Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien.
Den AfD-Bundesvize und Bundestagsspitzenkandidat Alexander Gauland bezeichnete Arppe demnach am 23. Januar 2014 als „Arschloch“. Mit derselben Bezeichnung betitelt Arppe nach den Chat-Protokollen am 12. April 2015 seinen Fraktionsvorsitzenden Leif-Erik Holm. Wenige Monate zuvor, am 24. Januar desselben Jahres, schreibt demnach Arppe, der seit 2014 für die AfD in Rostock in der Bürgerschaft sitzt, über die AfD-Europaabgeordnete und Bundesvizevorsitzende Beatrix von Storch: „Nichts gegen Frau von Storch aber die hätte auch mal ein Mann gewesen sein können. Ich glaube, die steht auf ganz abgefahrene Sachen… die Großherzogin von Oldenburg“.
Am Dienstagmittag konfrontierten taz und NDR Arppe mit den Vorwürfen und baten um Stellungnahme bis Mittwoch. Arppe könne auch darlegen, dass die Formulierungen nicht von ihm stammen. Die Anfrage blieb unbeantwortet.
Brutale Sexfantasien
Am Donnerstag behauptete Arppe in der neu-rechten Wochenzeitung Junge Freiheit allerdings: „Angesichts der gegen meine Person erhobenen Vorwürfe, die auf illegal beschafften angeblichen Chatprotokollen beruhen, ist mein wichtigstes Anliegen der Schutz meiner Partei, der Alternative für Deutschland.“ Von den ihm unterstellten Äußerungen würde er sich jedoch „klar distanzieren“.
In Mecklenburg-Vorpommern war Arppe von Februar bis November 2014 AfD-Landessprecher. In den Chatprotokollen stechen neben den Beleidigungen gegen Parteikollegen vor allem sexuelle Ausfälle heraus. In einem Chat vom 17.3.2012 fantasiert Arppe laut den Chat-Protokollen, wie er mit einem Freund gegen einen Bekannten vorgehen könnte: „Vielleicht sollten wir (Name) Mutter entführen, sie brutal vergewaltigen lassen von einem wilden Schimpansen und ihm (dem Bekannten) dann jeden Tag einen Finger zuschicken“, schreibt er am 17. März 2012.
Im Chat schwärmt er am 13. Oktober 2011, dass man „auf so'ner Springburg (…) schön ficken“ kann. „Hunderte Kinder und deren Familien stehen um die Hüpfburg herum und gucken“ schreibt er. Und weiter: „Dann wollen die Kinder alle mitspielen. So´n schönes zehnjähriges Poloch ist sicher schön eng…“
Am 16. Februar 2012 schreibt er: „Dann besaufen wir uns hemmungslos und pissen alles voll. Anschließend laden wir uns einen Stricher ein, vergewaltigen ihn und essen danach seine Leiche auf“.
Wegen Volksverhetzung verurteilt
2015 verurteilte das Amtsgericht Rostock Arppe in erster Instanz zu einer Geldstrafe wegen eines volksverhetzenden Internet-Kommentars. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Arppe 2010 in einem anonymen Internet-Beitrag gegen Muslime gehetzt habe. Arppes Verteidigung stritt die Urheberschaft ab.
In dem Chat überlegt Arppe offenbar mit Mitstreitern, wie diese Anschuldigung womöglich durch eine gezielte Diskreditierung eines Lokaljournalisten torpediert werden könnte. Am 13. Februar 2014 überlegten sie, ob man im Namen des Journalisten der „Ostsee-Zeitung“ Nutzerkonten eröffnen könne, um Hassbotschaften im Internet zu verbreiten und ihn damit zu diskreditieren.
Auch zu anderen Parteien äußert sich Arppe nach taz-Recherchen: „Da muss man einfach ausrasten und erstmal das ganze rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott schicken. Und dann das Fallbeil hoch und runter, dass die Schwarte kracht!“ schreibt er am 11. August 2015 und schiebt nach: „Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. (…) Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf“.
Nähe zu den Idenitären
Im Landesverband der AfD trat Arppe von Beginn seines Engagements an stark rechts orientiert auf. Er setzte sich für den Thüringer Landtagsfraktionschef und Landesvorsitzenden Björn Höcke ein, der wegen kontroverser Äußerungen in die öffentliche Kritik geraten war. 2016 besuchte er dessen „Flügel“-Treffen am Kyffhäuser-Denkmal. Im Landtagswahlkampf sprach sich Arppe gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) aus.
Bei einer Veranstaltung des „Compact“-Magazins um Jürgen Elsässer im Schweriner Amedia Plaza Hotel zum Thema „Islam – Gefahr für Europa“ lobte er die IB: „Die Leute von der IB sind intelligent. Die sind klug, die sind gewitzt, die sind kreativ und genau deswegen hat das System Angst vor diesen Leuten und hetzt ihnen den Verfassungsschutz auf den Hals“, sagte Arppe und wandte sich „ganz klar“ gegen diese „Abgrenzerei und Distanziererei“ gegenüber der IB.
Die Chat-Einträge belegen, dass Holger Arppe eng mit der Identitären Bewegung in Rostock verwoben ist. Mit dem führenden Aktivisten Daniel Fiß tauschte er sich über Monate hinweg zu Strategien und Veranstaltungen aus. Am 15. Oktober 2015 fragt er Fiß: „Daniel könnten von Euch welche als Ordner fungieren bei unserer Demo am Samstag? Wir brauchen noch ein paar ordentliche Nazis als Freiwillige.“
Fiß, der früher bei der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv war, stellt drei Leute ab. Von Fiß schwärmte Arppe bereits Monate zuvor. Am 7. Juli 2015 schrieb er: „Diesen Revoluzzergeist brauchen wir! Der Fiß ist ein absolutes Muss für unsere Partei. Seine Vergangenheit interessiert mich einen Scheißdreck“.
Im Juli 2016 berichtet Fiß Arppe von einer Anfrage eines Journalisten zur Verbindung der beiden und führt aus: „Ich habe die organisatorische Verbindung und persönliche Kontakte grundsätzlich verneint, da dies vor der Wahl vllt. nicht so günstig wäre. Falls der bei euch auch nochmal nachfragt wollte ich nur Bescheid geben, dass da keine Widersprüchlichkeiten entstehen“, so Fiß.
Auslandsbesuche und Umsturzpläne
In den Chat-Protokollen berichtet Arppe von einem Auslandsbesuch. „In Polen ist die Welt noch in Ordnung. Ich bin fünf Stunden durch Breslau gelaufen und habe weder ein Kopftuch, noch einen einzigen Neger gesehen“ schreibt der Autor im August 2015.
Im selben Gespräch phantasiert der Arppe laut Chat-Protokollen gemeinsam mit anderen Parteimitgliedern von einem gewaltsamen Umsturz der Bundesrepublik und wie man „durch ständige Stichelei das System zu destabilisieren“ gedenke.
In was für einem Staat er stattdessen leben möchte, führt er am 14. Juli 2015 aus: „Ich habe jetzt eine Vision: wenn es hier in Deutschland gut läuft, werden wir am Ende so eine Art Apartheidstaat haben wie damals in Südafrika, wo die Weißen den Rest einfach nur irgendwie in Schach halten.“
In den Chat einer Facebook-Gruppe äußert Arppe sich wohl auch zum Fall des damaligen FDP-Kommunalpolitikers Jan Jendrik H. Am vergangenen Montag hatten Beamte der Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei das Haus des Rostocker Kommunalpolitikers und Rechtsanwalts durchsucht.
„Es gibt keine Todesliste“
Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm vor, zusammen mit einem Kriminaloberkommissar der Polizeiinspektion Ludwigslust eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Im Falle einer Krise hatten die Beiden mutmaßlich Linke ermorden zu wollen.
„In keiner Weise existiert eine sogenannte und wie auch immer geartete ‚Todesliste‘“, erklärte H., der stellvertretender Vorsitzender der „Unabhängigen Bürger für Rostock“ (UFR) ist, und betonte, dass Gewalt für ihn „kein Mittel der politische Auseinandersetzung“ sei.
Arppe berichtet anderes. Nach einem Grillabend bei einem Freund und Kollegen von der FDP schreibt er laut Chat-Protokollen am 3. Mai 2015, dass sein FDP-Kollege gesagt habe: “‚Manche Leute in der Bürgerschaft kann ich mir nur mit einem Loch im Kopf vorstellen, sonst ertrage ich diese linken Schweine nicht‘.“
Im selben Monat schreibt der Autor Parteikollegen: „Der Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage und lebt unter dem Motto: Wenn die Linken irgendwann völlig verrückt spielen, bin ich vorbereitet.“
Erleichterung bei den Parteikollegen
In der eigenen Partei ist man offenbar froh, dass Holger Arppe nun von seinen Ämtern zurückgetreten ist und die Partei verlässt. Der AfD-Fraktions- und Landeschef Leif-Erik Holm nannte die Entscheidung von Arrpe „konsequent“. Co-Landessprecher Bernhard Wildt sagte, die Entscheidung sei zwingend notwendig, sollten die im Raum stehenden Äußerungen wirklich von Arppe stammen.
Dieser begründete seinen Austritt am Donnerstag. Er wolle Schaden von Fraktion und Partei abwenden. „Das wird mich freilich nicht davon abhalten, auch in der Zukunft zum Wohle meines Vaterlandes zu arbeiten“, sagte Arppe und erklärte, sein Landtagsmandat auch nach dem Austritt aus der Fraktion behalten zu wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers