Rücktritt bei der EZB: Fehlbesetzung Lautenschläger
Dass Sabine Lautenschläger ihr Amt in der EZB niedergelegt hat, ist nicht schade. Sie hat ihre Aufgabe sowieso nie verstanden.
E s ist ein Imageschaden für die Europäische Zentralbank: Das deutsche Mitglied im Direktorium, Sabine Lautenschläger, gibt sein Amt auf. Offiziell werden keine Gründe genannt, aber inoffiziell ist klar, dass sie gegen die Geldpolitik von EZB-Chef Mario Draghi protestieren will.
Draghi hatte kürzlich durchgesetzt, dass ab November erneut Anleihen aufgekauft werden: 20 Milliarden Euro sollen pro Monat investiert werden. Zudem wurden die Strafzinsen für die Banken verschärft. Auf Guthaben bei der Europäischen Zentralbank müssen die Institute künftig 0,5 Prozent Zinsen zahlen, bisher waren es 0,4 Prozent.
Durch Deutschland ging ein Aufschrei. Wieder war die Rede davon, dass die Sparer „enteignet“ würden, weil sie keine Zinsen mehr erhalten. Die Banken klagten, dass sie demnächst alle pleite sein könnten, und viele Bundesbürger glaubten einmal mehr, dass Deutschland „der Zahlmeister Europas“ sei. Die Bundesbank und auch Lautenschläger selbst taten alles, um diese Hysterie anzufachen, indem sie sich als Kritiker von Draghi in Szene setzten.
Doch diese kollektive Aufregung ist völlig übersteigert. Draghi ist kein „Graf Draghila“, wie ihn die Bild-Zeitung nannte, der die Deutschen aussaugt. Seine Geldpolitik wird von der Mehrheit im EZB-Rat getragen und ist ein Kompromiss: Zwar zahlen die Banken jetzt einen Strafzins von 0,5 Prozent – aber neuerdings gelten so viele Ausnahmen, dass die Institute in der Summe weniger Euro an die EZB abführen als zuvor. Auch die Anleihekäufe sind bescheiden: Es gab Zeiten, da gab die EZB 60 Milliarden pro Monat aus, um die Wirtschaft in der Eurozone anzukurbeln.
Vor allem aber sei daran erinnert: Die deutsche Konjunktur ist keineswegs so robust, wie Lautenschläger und die Bundesbank glauben machen. Im zweiten Quartal schrumpfte die hiesige Wirtschaft sogar leicht, und die Stimmung in den Chefetagen ist mies. Es gibt also überhaupt keinen Spielraum, um die Zinsen zu erhöhen.
Was richtig ist: Draghis Geldpolitik war nicht besonders effektiv. Zwar konnte die EZB verhindern, dass die Eurozone kollabiert, aber richtig in Schwung kam die europäische Wirtschaft nie.
Dies weiß niemand besser als Draghi selbst. In jeder Rede betont er es erneut: Die Macht der Zentralbank ist begrenzt. Ihre Zinspolitik kann nur wirken, wenn die starken Eurostaaten mitziehen. Vor allem an Deutschland hat Draghi immer wieder appelliert: Die hiesigen Löhne müssten stärker steigen, und die Bundesregierung müsse mehr investieren. Bekanntlich kam es anders. SPD-Finanzminister Olaf Scholz besteht auch weiter auf einer „schwarzen Null“.
Lautenschläger hätte also nicht Draghi attackieren sollen – sondern Scholz. Ihr Rücktritt zeigt, dass sie ihre Aufgabe nie verstanden hat. Insofern ist es nicht schade, dass sie nun geht. Sie war sowieso eine Fehlbesetzung.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm