Rückzug von Sabine Lautenschläger: Eine deutsche EZB-Tradition

Erneut schmeißt ein deutsches Direktoriumsmitglied vorzeitig hin. Auch Sabine Lautenschläger war gegen die ultralaxe Geldpolitik von Mario Draghi.

Sabine Lautenschläger

Schon wieder ein deutscher Rücktritt: Sabine Lautenschläger Foto: reuters

BERLIN taz | Eine offizielle Begründung gab es nicht. Und so machten sich die Erklärer des urplötzlichen Rückzugs von Sabine Lautenschläger aus dem Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag alle nur einen Reim darauf: Die Juristin sei beleidigt, weil sie sich nicht gegen die ultralockere Geldpolitik von EZB-Chef Mario Draghi durchsetzen konnte.

Mit der 55-Jährigen hatte am Mittwochabend bereits zum dritten Mal ein deutsches Direktoriumsmitglied die achtjährige Amtszeit vorzeitig beendet. Die einstige Vize-Chefin der Bundesbank geht am 31. Oktober, zwei Jahre früher als geplant. Das sechsköpfige Gremium ist eine Art Vorstand der Euro-Bank, der operativ ihre Geschicke leitet.

Eine am Mittwoch kursierende interne Mitteilung an Mitarbeiter ließ Spielraum für Interpretation: Lautenschläger spricht darin von „einer schwierigen Entscheidung“. Der Rücktritt sei in ihrer Lage die „beste Vorgehensweise“. Für den Ökonomen Frederik Ducrozet vom Vermögensverwalter Pictet liegt ein Erklärungsmuster auf der Hand: „An den Märkten könnte sich zunehmende Sorge breitmachen, dass sie wegen ihres seit langer Zeit bestehenden Widerstands gegen die Anleihekäufe den Rücktritt erklärt“, meinte Ducrozet.

Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel oder die Bundesbank-Vizechefin Claudia Buch sind für ihn mögliche Nachfolgerinnen. Im Direktorium war Lautenschläger die einzige Frau. „Deutschland muss auf jeden Fall im EZB-Direktorium vertreten sein“, meinte der Präsident der Hertie School of Governance in Berlin, Henrik Enderlein.

Nur noch Weidmann mit deutschem Einfluss in der EZB

Sonst habe nur noch Bundesbankpräsident Jens Weidmann Einfluss in der EZB. Er ist qua Amt Mitglied im erweiterten Führungsgremium der Zentralbank, dem EZB-Rat, das die Geldpolitik leitet.

Erst kurz vor der jüngsten geldpolitischen Sitzung der Notenbank vor zwei Wochen hatte sich Lautenschläger gegen einen Neustart des milliardenschweren Anleihekaufprogramms ausgesprochen. Er wurde dennoch beschlossen. Weidmann warf EZB-Chef Mario Draghi danach vor, kurz vor dem Ende seiner Amtszeit über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Am 1. November soll die bisherige IWF-Chefin Christine Lagarde EZB-Präsidentin werden. Von ihr wird eine Fortführung von Draghis Kurs erwartet.

Das Fremdeln mit der lockeren EZB-Linie bis hin zum Rücktritt habe eine „fast schon typisch deutsche Tradition“ begründet, sagte der Ökonom Carsten Brzeski von der Bank ING. Der frühere deutsche Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, war Ende 2011 nach Differenzen über die Geldpolitik zurückgetreten, nachdem bereits zuvor Bundesbankchef Axel Weber das Handtuch im EZB-Rat geworfen hatte. Zwei Jahre später folgte der Abgang des deutschen Direktors Jörg Asmussen, der damals vorübergehend in den Berliner Politikbetrieb zurückkehrte.

Das Ausscheiden Lautenschlägers könne nur bedeuten, dass sie „keine Chance sieht, die Anleihekäufe rasch zu beenden“, sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank LBBW. Warum die EZB-Politik in Deutschland so umstritten ist, zeigte sich erneut am Donnerstag, als die Münchner Sparkasse 28.000 Prämiensparverträge kündigte – und dies mit den Kosten durch die Nullzinspolitik der EZB begründete.

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