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Rückführungen aus DeutschlandZahl der Abschiebungen gestiegen

Im Jahr 2024 sind mehr als 18.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben worden. Im Vorjahr waren es noch rund 2.000 weniger.

Nacht- und Nebelaktionen: Für Abschiebungen wie hier nach Afghanistan werden die Menschen oft nachts aus ihren Wohnungen geholt Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz/rtr | Im Jahr 2024 sind deutlich mehr Mi­gran­t:in­nen aus Deutschland abgeschoben worden als im Vorjahr. Von Januar bis November 2024 seien 18.384 Menschen aus Deutschland abgeschoben worden, wie die Bild unter Berufung auf einen Regierungssprecher berichtet.

Das seien rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im gesamten Jahr 2023 seien es 16.430 Abschiebungen gewesen. 2019, vor dem Einbruch im ersten Pandemiejahr, habe die Zahl bei rund 22.000 ausgewiesenen Personen gelegen. Den rund 18.000 Abschiebungen im vergangenen Jahr stünden rund 213.000 Asylanträge gegenüber.

Die „gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern im Bereich der Rückführungen zeigen erste Ergebnisse“, sagte ein Regierungssprecher dem Springer-Blatt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die Steigerung um 20 Prozent für einen „echten Fortschritt“, wie er dem Stern sagte. Auch die Union, mit der die SPD nach der Bundestagswahl möglicherweise koalieren wird, fordert mehr Rückführungen.

Der Noch-Kanzler hatte im Oktober 2023 angekündigt, „im großen Stil“ abschieben zu wollen. Um Asylbewerbern das Leben hier so schwer wie möglich zu machen, hat seine Regierung bereits viele Maßnahmen ergriffen: Abschiebegewahrsam verlängert, Durchsuchungen in Flüchtlingseinrichtungen ermöglicht, die Zahl sicherer Herkunftsländer ausgeweitet, Leistungen gekürzt. Diese hatte Scholz im letzten Herbst im Bundestag aufgezählt.

Warum die Zahlen kein Erfolg sind

Während die Regierung sich durch den Rückgang um rund 2.000 Personen in ihrem Kurs bestätigt sieht, ist die Veränderung im Hinblick auf die Gesamtzahl der Menschen in Deutschland minimal. Allein aus der Ukraine leben hier rechtmäßig etwa 1,1 Millionen Geflüchtete.

Während unter Abschiebungen in erster Linie die Betroffenen selbst leiden, etwa weil ihre Herkunftsländer nicht sicher sind oder weil sie krank sind, stellen die Rückführungen auch deutsche Kommunen vor große Probleme, etwa wenn dringend gebrauchte Fachkräfte herausgeworfen werden, wie zum Beispiel hier im niedersächsischen Wilstedt. Zugleich schaffen Ak­ti­vis­t:in­nen es immer wieder, Abschiebungen durch zivilen Ungehorsam im letzten Moment zu verhindern.

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13 Kommentare

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  • Hier wird die Zahl der Asylanträge mit den Abschiebungen verglichen. Es werden aber nicht nur Asylsuchende abgeschoben. EU Bürger Zb. sind keine Asylsuchenden. Und die Freizügigkeit bedeutet das ein EU Bürger 6 Monate zur Arbeitssuche kommen darf. nach vergeblicher Arbeitssuche kann man ihn wieder abschieben.

  • Die Frage ist doch nicht, ob Abschiebungen ein realistisches Mittel zur Problemlösung sind, sondern welche realistischen Mittel überhaupt verfügbar sind. Wer sowohl Menschen in unmittelbarer Bedrängung helfen und gleichzeitig auch geregelten Zuzug gestalten möchte, wird um schmerzhafte, für viele Direktbetroffene und ihre Freunde nicht einfach akzeptable Handlungsanweisungen kaum umhin kommen. Im Endeffekt wird es für den oder die Einzelnen oftmals „ungerecht“ sein, dass andere kommen und bleiben können. Damit müssen wir leben, solange wir deutlich mehr Wohlstand und Freiheit haben, als der größte Teil der Welt.

  • Ein Blick ins Ausländerzentralregister (AZR) genügt um festzustellen, dass die Zahl der unmittelbar Ausreisepflichtigen konstant hoch bleibt, insofern wurde weder "im großen Stil" abgeschoben noch gibt es "echte Fortschritte".



    Die Behauptung 'unter Abschiebungen leiden die betroffenen Menschen weil ihre Herkunftsländer nicht sicher sind oder weil sie krank sind' ist grob falsch!



    Es gibt sehr strenge gesetzliche Vorgaben, jeder Fall wird einzeln geprüft, es werden definitiv nicht wahllos Menschen ohne behördliche und/oder medizinische Freigabe abgeschoben.



    Und was den Fall im Wilstädter Pflegeheim betrifft weise ich einmal mehr darauf hin, dass hier die Motive des Arbeitgebers endlich mal mehr in den Fokus rücken sollten. Mittlerweile wurden alle Betroffenen in Ausbildungsverhältnisse in der Einrichtung überführt.



    Warum geschah dies nicht von Anfang an? Ausbildungsduldungen sind DER Paradeweg zu einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung.



    Es liegt die Vermutung nahe, dass die kolumbianischen Menschen ursprünglich nur als Pflegehelfer angestellt wurden, weil dies langfristig billiger ist.



    Aushilfen sind in vielen Betrieben eine willkommene Kostenersparnis. 70% Lohn für 90% workload...

  • Abschiebungen sind teuer, ineffizient, menschenverachtend und generell keine realistische Lösung für unsere Probleme, weil die besonders problematischen Herkunftsländer sowieso nicht mit uns kooperieren und keine Papiere ausstellen.



    Das weiß die Politik in Berlin auch seit Jahrzehnten, weigert sich jedoch diesen einfachen Fakt auch offen zu kommunizieren. Ohne die Fiktion möglicher Abschiebungen wäre die deutsche Gesellschaft niemals bereit gewesen die Politik ab 2015 zumindest anfangs mitzutragen. Das Gerede über eine europaweite Verteilung, obwohl alle wissen, dass die anderen Europäer da niemals mitmachen werden, schlägt in die gleiche Kerbe. Hätte man nur die Debatte von Anfang an offen geführt, müsste jetzt nicht so peinlich laviert werden.



    Eigentlich müsste die deutsche Debatte um das Problem der Einreise geführt werden aber diese Diskussion soll ja mit allen Mitteln verhindert werden um die deutsche Wirtschaft beim Lohndumping nur ja nicht zu beeinträchtigen.

    • @Šarru-kīnu:

      Debatte um die Einreise? Also auf Deutsch Zurückweisungen an der Grenze, nur wohin? In die EU-Grenzstaaten, in Lager, ggf. außerhalb der EU?



      Und dass man das nicht will um Lohndumping fortzuführen, na ja. Die Leute dürfen ja kaum arbeiten und selbst wenn müssen sie ja mindestens den Mindestlohn erhalten, der allerdings noch deutlich zu niedrig ist.

      • @Bambus05:

        Bei einer Zurückweisung an der Grenze stellt sich selten die Frage, wohin.

        Dass die Leute grundsätzlich nicht arbeiten dürfen, ist ein Mythos.

        Nach 6 Monaten haben sie sogar mittlerweile Anspruch auf eine Erlaubnis.

        In den meisten Bundesländern darf jeder, der Arbeit findet und nicht allzu oft unangenehm auffällt, bleiben.

        Über Asylgründe redet man dann nicht mehr.

        "Kaum arbeiten " sieht nun deutlich anders aus.

  • Einseitige Zahlendarstellung



    Die 18.384 Abgeschobenen sagen kaum was aus. Erst in Relation zu den rund 300.000 Ausreisepflichtigen erkennt man, dass es rund 20 Jahre dauern würde, bis die Ausreisepflichtigen überhaupt abgeschoben wären, weil immer noch welche dazu kommen. Anbetracht dieses Vergleichs sind die Worte von Scholz „im großen Stil“ eine weitere Wählerlüge, welche die Putin-Parteien an die große Glocke hängen werden.



    Ob diese Abschiebungen „im großen Stil“ nun richtig oder falsch wären, will ich mit diesem Kommentar nicht bewerten.

    • @Hans Dampf:

      Abschiebungen im großen Stil wären wahrscheinlich rechtlich in der bisherigen Rechtsordnung Deutschlands gar nicht durchführbar. Dazu müsste man die Idee des sicheren Herkunftslandes noch stark ausbauen bzw. die Rechtsfolgen drastisch radikalisieren, etwa auch Rückführung von Kranken aus der Psychiatrie etc., damit solche Massenabschiebungen überhaupt realistisch wären.

    • @Hans Dampf:

      Nur mal so nebenbei: 300.000 in einem 80-Millionen-Volk, was soll das sein? Der große Austausch? Die Mutter aller Probleme?



      Klar müssen diejenigen, die länger hier sind arbeiten, natürlich dann aber auch mit einer Perspektive, Ausbildung? Einbürgerung? Einmal mehr zeigt, sich die Realitätsverzerrung. Deutschland hat Probleme, von der Dringlichkeit her dürfte die Migration aber bei weitem nicht den Stellenwert haben, den die AfD, die Union und andere ihr zuschreiben.

  • Es fehlt die entscheidende Zahl zum Vergleich.

    Wieviel Menschen hätten abgeschoben werden müssen, weil sie nicht freiwillig ausreisten?

    Für sich ist die Zahl völlig bedeutungslos.

    • @rero:

      Die Ausländerbehörden müssen bestimmte Aufenthaltstitel erstellen, auch wenn eine Person hier eine Perspektive hat, das heißt, die von ihnen eingeforderten Zahlen sind nicht wirklich stimmig. Die würden naheliegen, dass wir überschwappen mit Menschen, die nicht bleiben sollen, aber das sind rechtliche Maßgaben des Aufenthaltsrechts, die sind nicht stingend, wie überhaupt der Bereich Aufenthaltsrecht richtig kompliziert ist, gerade weil die Politik hier in die unterschiedlichsten Richtungen regulieren will.

      • @Andreas_2020:

        Man könnte mit den Bezugszahlen auch sachlich umgehen.

        Und den Lesern durchaus was zumuten.

        Ohne Kontext sind diese Zahlen, wie Sie unten selbst schreiben, blanke Effekthascherei.

        Ich habe übrigens in anderen Zeitungen Artikel gelesen, die die Kontextualisierung geschafft haben, ohne Narrative zu bedienen.

        Die Suppe kocht immer weiter hoch.

        Ich nehme das ständige Missglücken eines Diskurses zum Thema Migration und zum Thema Asyl zu einem großen Teil als Versagen der Medien war.

  • Die Freude ist groß, der Effekt für das Gesamtbild marginal und für die Betroffenen ist es oft bitter und sehr hard. Das zeigt m.M., wo wir inzwischen stehen, Geflüchtete werden immer stärker als ein Problem abgebildte, wo der Königsweg der zu sein scheint, sie einfach dorthin zu bringen, von wo aus sie geflüchtet sind. Und dann natürlich die Zahlen, die Bundesregierung muss sinkenden Zahlen an Asylbewerbern vorzeigen, die Zahlen der Abschiebungen müssen dazu auch steigen, auch wenn der Efffekt insgesamt marginal bleibt. Und jede Meldung und jeder Bericht über eine Rückführung bestärkt dann die CDU/CSU zu sagen, das reiche nicht aus, von Hinten drückt dann die AfD und sagt, alle müssten sofort hier rausfliegen. Kein normaler Politiker kann bei dieser Debatte auch nur einen Blumentopf gewinnen, was aber wirklich passiert, ist, dass sich eine tiefsitzende Fremdenfeindlichkeit entwickelt, die sich schon jetzt nicht richtig regulieren lässt, weil die Suppe immer weitergekocht wird. Werte wie Humanität, Rechtsstaatlichkeit und Mitspracherechte stehen nicht mehr im Vordergrund, stattdessen geht es um Abschiebegewahrsam, Polizei und geschlossene Grenzen.