Rückbau der AKWs in Schleswig-Holstein: Wohin mit dem Schutt?

Schleswig-Holstein schlägt vier Standorte für Deponien vor, auf denen AKW-Schutt gelagert werden könnte. Aber die Befürchtungen vor Ort bleiben groß.

Ein Müllbehälter mit der Aufschrift "Restmüll" steht an einem Parkplatz vor dem Kernkraftwerk in Brunsbüttel.

Noch AKW, bald Müll: das Kernkraftwerk in Brunsbüttel Foto: dpa

NEUMÜNSTER taz | Zehntausende Tonnen Bauschutt entstehen beim Rückbau der drei Atommeiler im Land. Das Material, das als nichtradioaktiv gilt, soll auf Mülldeponien gelagert werden. Energie- und Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hat nun vier dafür geeignete Standorte in Schleswig-Holstein genannt. Doch die betroffenen Kommunen und Umweltgruppen sehen das Verfahren kritisch.

„Wir dürfen Müll, den wir erzeugt haben, nicht exportieren und den Rest der Welt damit belasten“, sagt der Minister. Mehr als Wünsche kann er zurzeit aber nicht äußern: Die Verträge werden zwischen den Kraftwerkbetreibern und den Deponien geschlossen. Daher ist es prinzipiell möglich, dass der Bauschutt aus Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf in andere Bundesländer oder gar ins Ausland geschickt wird. Das will Albrecht verhindern, zur Not über eine gesetzliche Zuweisung. Zurzeit aber sieht er sich als Moderator zwischen Kraftwerksbetreiber*innen, Deponien und den Bürger*innen der betroffenen Kommunen, die den Müll ungern vor der Haustür haben wollen.

Der Grünenpolitiker hofft auf „Akzeptanz für das Verfahren“ und betont die Sicherheit der Prüfverfahren: Bei dem AKW-Schrott handele es sich um „nichts, was strahlt“, also nicht um radioaktiven Abfall aus dem Inneren der Reaktoren, sondern um Beton, Rohre, Fußböden und alles andere, das beim Abriss der Anlagen übrig bleibt. Jedes Teil wird freigemessen, sprich auf seine Radioaktivität geprüft. Nach dieser Freimessung gilt das Material aus Sicht der Atomaufsicht als unbedenklich: „Was die Strahlung angeht, könnte man es auch im Garten lagern“, antwortet Albrecht auf eine entsprechende Frage in einer Pressekonferenz. Dennoch handele es sich um Bauschutt wie Beton, Farben und Kunststoff, der auf eine Deponie gehöre.

Sieben Deponien wurden geprüft, vier empfiehlt das Ministerium als mögliche Empfänger des AKW-Bauschutts: Wiershop im Kreis Herzogtum Lauenburg, Niemark bei Lübeck, Johannistal in Ostholstein und Harrislee bei Flensburg.

Die Deponien gehören den Klassen I oder II an, sind damit fachlich geeignet, mit Problem-Müll umzugehen.

Bisher wurde Bauschutt, der im Lauf der Zeit immer mal wieder in den Kraftwerken anfiel, meistens in der Deponie Schönwohld bei Kiel gelagert.

Künftig entfällt diese Deponie, weil sie voll ist. Das Gleiche gilt für Deponien bei Großenaspe und Damsdorf.

Externe Prüfer*innen hatten die Deponien überprüft.

Durch das Freimessungsverfahren sei schwer zu sagen, wie viel Material anfalle, so Jan Backmann, Leiter der Atomaufsicht. „Wenn die Oberfläche radioaktiv ist, wird gemessen, wie weit es in die Struktur hineinreicht.“ So könnten im Lauf der nächsten 20 Jahre „30-, 40- oder 50.000 Tonnen“ zusammenkommen. Das Ministerium verweist darauf, dass pro Jahr rund 800.000 Tonnen Problem-Abfall auf Deponien in Schleswig-Holstein eingelagert werden.

Protest kommt von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen. Sie kritisieren, dass das Land die Aufsicht über den Kraftwerksschutt aufgibt. Zudem sieht Rainer Guschel vom BUND bei den Standorten „erhebliche Unsicherheiten im Bereich der Abdichtungen und des Sickerwassers und der zum Teil unbekannten Einleitungen ins Grundwasser“. Der Minister lasse sich unter Druck setzen, vorbeugenden Strahlenschutz nehme er nicht ernst genug.

Angela Wolff, Sprecherin der Bürger*inneninitiative Harrislee, schlägt eine eigene Deponie für Müll aus Atomkraftwerken vor, die weiter unter öffentlicher Aufsicht steht: „Damit bleibt der Abfall rückholbar“, sagt sie der taz. Ebenfalls denkbar sei, nur die radioaktiven Teile zu entfernen, die Anlagen aber nicht abzureißen. Für die Bevölkerung wäre das keine Zusatzbelastung, im Gegenteil: „Die Belastung entsteht durch den Abbau.“

Wie stark die Belastung ist, ist umstritten. Das Ministerium und die Atomaufsicht verweisen auf die Grenze von zehn Mikrosievert, unter der Strahlung als unbedenklich gilt: „Im Flugzeug oder durch das Essen von Paranüssen setzt man sich höherer Strahlung aus“, sagte Albrecht.

Angela Wolff kontert: „Das ist ein gesetzlich festgelegter Grenzwert, der wenig über die echte Gefahr aussagt.“ Die Bürger*inneninitiative will weiter gegen die Deponierung kämpfen.

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