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Rot-rot-grüne Pläne zu AbtreibungenAusbildung löst das Problem nicht

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Auch in Bremen gibt es zu wenig Mediziner*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Koalition will deshalb mehr Aus- und Weiterbildung.

„Weg mit 218/9“: Rot-Rot-Grün in Bremen traut sich nicht, diese Forderung zu stellen Foto: Sebastian Willnow / dpa

B REMEN taz Die Koalition aus Linken, Grünen und SPD fordert in einem aktuellen Antrag an die Bürgerschaft, dass Ärzt*innen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs lernen sollen, möglichst schon während des Studiums – zu Recht. Denn das könnte tatsächlich bei der einen oder anderen das Bewusstsein dafür wecken, dass Abtreibungen zur ärztlichen Tätigkeit gehören.

Doch die Folgerung, mehr Aus- und Weiterbildung sei ausreichend, um den im Antrag beklagten Ärzt*innenmangel zu beheben, ist naiv. Es gibt viel entscheidendere Gründe, warum junge Ärzt*innen damit nichts zu tun haben wollen. Unter anderem haben sie zu Recht Angst vor Nachstellung durch christliche Fundamentalist*innen.

Viele werden aber wie weite Teile der Gesellschaft der Vorstellung anhängen, es gebe ein „ungeborenes Leben“, das durch Androhung von Strafe und Beratungszwang vor dem irrlichternden Verhalten seiner potenziellen Mutter geschützt werden müsse.

Das liegt daran, dass es fast ein Vierteljahrhundert keine politische oder gesellschaftliche Auseinandersetzung um Schwangerschaftsabbrüche gegeben hat. Diejenigen, die sich gestern wie heute am lautesten zum Thema äußern, sind jene, die Abtreibungen ganz verbieten wollen.

Als Tötung gebrandmarkt

Und das Gesetz gibt ihnen recht. Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs brandmarkt Schwangerschaftsabbrüche als Tötungsdelikte. Der im vergangenen Jahr leicht modifizierte Paragraf 219a erlaubt Ärzt*innen zwar zu sagen, dass sie Abbrüche machen – aber nicht, wie.

Auch das Schwangerschaftskonfliktgesetz verstärkt den Eindruck, Schwangerschaftsabbrüche seien irgendwie igitt und stünden außerhalb der Medizin. „Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken“, heißt es darin. Kein Wunder, wenn sich Ärzt*innen an solch geächteten Taten nicht beteiligen.

Deshalb ist es ein Armutszeugnis für Rot-Rot-Grün in Bremen, dass sie in ihrem Antrag zwar die „massive Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts“ beklagen – aber keine Schlüsse daraus ziehen und die Abschaffung des Paragrafen 218 fordern, wie es die Linke auf Bundesebene seit Jahrzehnten tut.

Auch die Grünen haben das im alten Grundsatzprogramm sowie im Entwurf des neuen stehen; die gläubige Fraktionschefin im Bundestag hat gar Gesetzesinitiativen angekündigt. Haben das die Bremer Grünen nicht mitbekommen? Gemeinsam mit der Linken hätten sie die SPD überzeugt: Anders als im Bund muss die in Bremen nicht vor der CDU zu Kreuze kriechen, die sich hartnäckig weigert anzuerkennen, dass der Paragraf 218 kein Leben schützt.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.
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6 Kommentare

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  • Es gibt schon unter der aktuellen Rechtslage das Recht, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.



    Und egal welche Gesetze man ändern will, man wird keinen Arzt zwingen können, gegen sein Gewissen einen Abbruch vorzunehmen.

    • @Don Geraldo:

      In Deutschland ist Abtreibung zwar unter bestimmten Vorraussetzungen straffrei, aber nicht legal, es ist leider immer noch rechtswidrig, wird nur nicht bestraft. Deshalb gibt es in Deutschland leider kein Recht auf Abtreibung. So ein Schwachsinn, Rechtswidrig aber nicht Strafbar. Das ist doof und scheinheilig. Legalisierung waere gerechter und ehrlicher. Das geht aber schwer, wegen der historischen Verfassungshauslegung, wohlgemerkt nicht der Verfassungstext, der liesse das ohne weiteres zu, aber es gibt eben die Urteile des BVG von 1974 & 1993. Das ist einer der Gruende, warum man auch angestellte Aerzte nicht zwingen kann, Abtreibungen durchzufuehren. Zu einer rechtswidrigen Handlung kann man niemanden zwingen. Niedergelassene selbststaendige Aerzte kann man sowieso nicht zwingen, auch wenn Schwangerschaftsabbrueche legal, nicht nur straffrei waeren, weil Schwangerschaftsabbrueche keine Kassenleistung sind, muss ein selbststaendiger, niedergelassener Arzt das nicht anbieten. Genauso wie andere nicht Kassenleistungen. Sie haben vollkommen Recht, dass selbst wenn 1 Abtreibung legal waere, nicht nur straffrei & 2 Der Arzt ein Angestellter in einem Krankenhaus oder einer Tagesklinik ist, man wahrscheinlich keinen zwingen koennte. Leider haben selbst Laender mit liberaleren Abtreibungsgesetzen als Deutschland oft Klauseln im Gesetz, dass niemand dazu gezwungen werden kann eine Abtreibung vorzunehmen. Oft wird es mit Religionsfreiheit begruendet. Ich finde das ungerecht. Wenn ich einen Job annehme, muss ich den Komplett machen. Man kann auch nicht in einem Restaurant anfangen und dann sagen, ich bringe den Kunden kein Flesich, weil ich Veganer bin, auch wenn man aus religioesen Gruenden Vegan ist. Oder im Supermarkt arbeiten, und sich weigern Schinken oder Alcohol zu verkaufen, wegen seiner Religion. Wenn ich einen Buerojob annehme mit Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr, kann ich nicht einfach im Winter Freitags frueher nach Hause gehen wegen meiner Religion.

  • Liebe taz,



    so einfach stellt sich die Abtreibung Problematik für das ausführende ärztliche Personal nicht. Ich kenne keine ( einschließlich meiner Person ) die nur aus Angst vor christlichen Fundamentalisten* keine Abtreibung vornehmen.



    Allen Klugschwätzer*, Aufklärer*, allen die stolz eine politische Botschaft ausposaunen, den Gutmenschen Motto..... mach Du es...



    Eine Empfehlung einfach mitmachen dabei sein, nein sie müssen nicht die Cürette führen, nein sie müssen nicht mit Unterdruck die Gebärmutter aussaugen... nein sie müssen nur zusehen wie die Gewebsbrocken sich im Absaugbehälter ansammeln, wie bei der Ausschabung die Fötusteile in der Schale schwimmen....



    Und das Alles im Halbstundentackt, die nächste Frau das Gleiche nochmal, wenn der Arzt* Pech hat geht es so den ganzen Vormittag.



    Das ist schwer, viele können es gar nicht, einige mit Bedenken, viele wie ich ( nach einer gewissen Zeit ) gar nicht mehr.



    Entschuldigung, aber die Lobbyisten *, die moralisch abgehobenen Autoren und Journalisten * sollen doch mal einige Monate das zerfetzten embryonale Gewebe



    einsammeln, in Reagenzgläser einfüllen, beschriften und einsenden. Nur diese einfache Hilfsarbeiten.... dann wird man sehen ob sie weiter so forsch und blauäugig über das Thema schreiben. Abtreibungen vornehmen... ist für mich ein Thema das einen Menschen zerreissen kann... niemand ist berechtigt Ärzte* dazu Zwangsverpflichten

    • @Pace#:

      Ich bin keine Aerztin, habe aber mit Aerzten bei der Kampagne fuer die Legalisierung der Abtreibung in Irland zusammengearbeitet & gesprochen, die Abtreibungen durchgefuehrt haben (in den Niederlanden & in England). Es gibt fuer jeden Mediziner Dinge, die fuer ihn/sie emotional belastend sind oder ekelhaft oder beides. Trotzdem machen Aerzte diese Eingriffe, nicht nur um das Leben des Patienten zu retten, sondern auch um dem Patienten zu helfen, wenn keine Lebensgefahr besteht. Auch wenn eine Fehlgeburt unvollstaendig ist oder der Embryo stirbt aber nicht abgeht, muss doch prinzipiell derselbe Eingriff, technisch gesehen gemacht werden, richtig? Also absaugen oder ausschaben. Und der Arzt muss genau so Embryo oder Foetusteile sehen, sei denn der Foetus ist schon natuerlich abgegangen & es wird nur noch die Plazenta oder so ausgeschabt. Aber es gibt ja Faelle, missed abort, wo der Foetus zwar tot, aber noch in der Gebaermutter ist, richtig? Alternative ist in geeigneten Faellen die medikamentoese Therapie, die in Deutschland aber wenige Frauenaerzte machen. Die Medikamente sind sowohl bei unvollstaendigen Fehlgeburten, als auch fuer Abbrueche geeignet. Meine Bekannte aus den Niederlanden, eine Aerztin, die viele Abbrueche gemacht hat sagt, die Tabletten sind die schonenste Methode, wenn geeignet. Das machen die Frauen selber und der Arzt muss gar nicht operieren und auch gar nichts sehen. Wenn eine OP notwendig ist oder von der Patientin gewuenscht, zum Beispiel weil es schneller, weniger schmerzthaft und fuer manche emotional leichter ist, dann sei absaugen am besten, sagt sie. Ich verstehe gar nicht, das in Deutschland immer noch ausgeschabt wird in manchen Faellen, that's so last century. Wenn alle Gyns Abbrueche machen wuerden, muesste das au keiner das den ganzen Tag jeden Tag machen. Das das eintoenig & deprimierend sein kann fuer manche Aerzte nichts anders zu machen ist klar, es sollte ein Teil der Arbeit sein, wie Bauchspiegelugnen oder Hysterektomien etc.

    • @Pace#:

      Ich selbst bin kein Arzt und kann ihre Meinung nicht ganz nachvollziehen. Für mich bleibt ein Zellklumpen ein nicht selbständig lebender Zellklumpen.



      Würden sich mehr Ärzte trauen Abtreibungen vorzunehmen, weil sie mehr darüber gelernt haben, Methoden freier wählen können, sich Zeit nehmen können für ihre Patientinnen (und nicht immer nur wildfremde Frauen kurz deshalb sehen), würde es vielleicht auch nicht an ein paar wenigen Ärzten hängen bleiben, die das dann im Akkord den ganzen Tag lang machen müssen.

      Aber eigentlich habe ich eine Frage zu ihrem letzten Absatz: Was wird da beschriftet und eingesendet? Und wozu?

      • @IchKannAuchLesen:

        Unsinn, die verzweifelte Frau die mit einer spontan ausgestoßen Frucht z. B. 15-16 SSW ist oft halbwahnsinnig vor Schmerz und Enttäuschung wenn sie ihr winziges, blutiges ... ich sags wie es ist....



        Menschlein ....eingepackt in einer Tüte, rauschgefischt aus der Toilette zur Ursachenforschung mitbringt. Wenn aus medizinischen Gründen um oder nach der 20 SSW ein Abbruch vorgenommen werden muss, ich wünsche ihnen nicht dabei zu sein. Um das Leben der Mutter zu schonen... wird ein "natürlicher " Geburtsvorgang ausgelöst. Es wird ein kleiner Mensch oft mit noch kurzer Schnappatmung ausgestoßen. Wie sich in Holland ausreichend Ärzte finden, die ohne medizinische Gründen Abtreibungen bis in die 23-24 SSW durchführen und damit auch noch nach Jahren ruhig schlafen können... ich und viele andere konnte das nie/oder nicht mehr.



        Alle Theorie ist grau.... die Praxis ist rau, grob und erfordert von vielen mehr als zu verantworten ist. Und Ärzte dazu gesetzlich zu zwingen.... mein Gott ihr Theoretiker* macht das doch selbst...was viele von uns kaputtmacht