Rot-rot-grün in Thüringen: V-Leute sollen weg
Im Fall einer rot-rot-grünen Regierung müsste der Thüringer Verfassungsschutz auf V-Leute verzichten. Sie kämen nur noch sehr selten zum Einsatz.
HAMBURG taz | In Zukunft soll das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TlfV) ohne V-Leute arbeiten. Bei ihrem fünften Sondierungsgespräch haben Linke, SPD und Grüne am Mittwochabend vereinbart, dass Spitzel künftig alleine bei der Terrorabwehr eingesetzt werden dürften. „Thüringen macht Schluss mit V-Leute-System & somit Mut für bürgerrechtsorientierte Politik“ twitterte Astrid Rothe-Beinlich, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion der Grünen, in der Nacht. Für Linke und Grünen war diese Entscheidung besonders wichtig.
Schon vor dem Sondierungsgespräch am Mittwochabend hatten die Vorsitzende der Linkspartei Susanne Hennig-Wellsow gesagt: „Die V-Leute abzuschaffen, ist für uns gesetzt. Der Verfassungsschutz in Thüringen hat nachgewiesen, warum es kein Sinn macht, V-Leute einzusetzen“. Auf Dieter Lauinger, Landessprecher der Grünen, sagte vorab, dass die Beendigung des V-Leute-Systems für sie „der wichtigste“ Punkt sei. Bei dem Gespräch willigt dann auch SPD-Verhandlungsführer Andreas Bausewein ein.
Wenn die rot-rot-grüne Regierung zusammen kommt, dürfen Spitzel dann nur bei der Terrorabwehr eingesetzt werden – in Einzelfällen. Bei diesen Maßnahmen müssten zudem Ministerpräsident, Innenminister und die Parlamentarische Kontrollkommission eingebunden werden. Die Arbeit des Verfassungsschutzes stünden so unter deutlich stärkerer Kontrolle.
Seit dem Auffliegen des NSU-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe vor drei Jahren war gerade das TLfV in massive Kritik geraten. Nicht nur wegen des ehemaligen Anführer des Thüringer Heimatschutzes Tino Brandt, der von 1994 bis 2001 für das Landesamt spitzelte. Immer wieder betonte Brandt mit dem staatlichen Geld von rund 200.000 Mark Strukturen und Personen der Szene aufgebaut und unterstützt zu haben.
Pannen und Sabotage
Im NSU-Untersuchungsausschuss stellten die Landtagsabgeordneten zudem massive Mängel bei der Führung von V-Leuten fest. Bei der Präsentation des Abschlussberichts sagte die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD) im August diesen Jahres, dass das „erschreckende Ausmaß“ der Pannen und Fehlleistungen den „Verdacht der gezielten Sabotage“ nahe lege. Bewusst seien auch Informationen zum Schutz der V-Leute zurück gehalten worden.
Im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München mussten unlängst zwei V-Mann-Führer von Brandt aussagen. Nach der Vernehmung sagte Nebenkläger Thomas Bliwier, das Landesamt hätte durch seine Aktivitäten die Festnahme des Trios verhindert.
Neben der Abschaffung der V-Leute beschlossen die Verhandlungsführer in Thüringen zudem, einen neuen NSU- Untersuchungsausschuss des Landtages einzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen