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Roman „Die Kandidatin“Weltanschauliche Anliegen

Constantin Schreiber beschreibt in „Die Kandidatin“ eine feindliche Übernahme Deutschlands durch Muslime. Der Roman strotzt vor Ressentiments.

Constantin Schreiber, Autor von „Inside Islam“ Foto: Christoph Hardt/Imago stock&people

Die Schultzes werden auf Seite 107 ins Spiel gebracht. Sie ist Frisörin, er Fernkraftfahrer. Das Paar hat zwei Kinder. Obwohl beide berufstätig sind, können sich die Schultzes keine Wohnung leisten. Sie leben im Container, in Bochum.

Es wäre unnötig, mehr über sie zu erfahren. Die Schultzes sind in diesem Spiel die weißen Bauern, die geopfert werden. Das versteht man sofort. Bevor sie auf Seite 109 schon wieder verschwinden, haben sie Besuch bekommen von der Hauptfigur Sabah Hussein.

Sie ist die aus dem Libanon stammende muslimische Kanzlerkandidatin der „Ökologischen Partei“. In diesem Spiel kommt ihr die Rolle der schwarzen Dame zu, deren politischer Siegeszug sich kaum aufhalten lässt.

Den Schultzes hat sie beim Besuch im engen Familiencontainer – es war ein Wahlkampftermin – geraten, den Job des „Migrationshelfers“ anzunehmen. Also zum Beispiel Behördengänge für Eingewanderte zu erledigen und deren Kinder zu betreuen. Dann locke „ein solides Gehalt vom Staat“ und solche Migrationshelfer würden auch in Bochum dringend gebraucht.

Islamisierung Deutschlands

Das Spiel, das in „Die Kandidatin“ läuft, ist die schleichende Islamisierung Deutschlands. Ihr lässt der Autor des Buchs, Constantin Schreiber, im Hauptberuf Sprecher der ARD-„Tagesschau“, die feindliche Übernahme und schließlich den Untergang folgen. Die Muslimin Sabah Hussein hat beste Chancen, Bundeskanzlerin zu werden.

Antirassismus und konsequente Förderung von Benachteiligten haben Deutschland zu einem Paradies für Muslime, Menschen „nichtweißer Hautpigmentierung“ (sic) und überhaupt für Gruppen mit „Diversitätsmerkmalen“ gemacht. Mindestens ein Viertel der Mitarbeiter in Behörden und Betrieben müssen praktizierende Muslime sein. Ist die Quote nicht erfüllt, können überzählige weiße Mitarbeiter entlassen werden.

Das Buch

Constantin Schreiber: „Die Kandidatin“. Hoffmann und Campe, Hamburg 2021, 208 Seiten, 22 Euro

Das ehemalige Flüchtlingsmädchen Sabah Hussein konnte in dieser Gesellschaft bis ganz nach oben aufsteigen. Sie hat den Trumpf ihres „Vielfaltsmerkmals“ in kühler Berechnung ausgespielt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern fliegt Deutschland monatlich Tausende neue Einwanderer aus dem Nahen Osten ein, und damit neue Wähler der muslimischen Kanzlerkandidatin.

Vision von Deutschlands Zukunft

Glaubt man dem Buchdeckel, hat Schreiber einen „Roman“ verfasst. Eine Vision vom Deutschland der Zukunft will er darin entfaltet haben. Und in der Tat lobt das migrantenfeindliche Portal PI News, das vom Verfassungsschutz als „erwiesen extremistisch“ eingestuft wird, das Buch als Roman, „der sich gewaschen hat“. Aber für besonders fiktiv soll sein Publikum die darin ausgebreitete gesellschaftliche Vision nicht halten. Eine Interpretationshilfe gab Schreiber in einem Interview: „Messerscharf“ habe er sich in seinem Buch an der Wirklichkeit orientiert.

Ein Autor kann das Objekt seiner Abneigung in die Zukunft oder auch, wie die Literaturgeschichte zeigt, in die Vergangenheit legen: Gemeint ist überwiegend die Gegenwart. Als extrem einsichtige Leserin erweist sich die Junge Freiheit, das Blatt für gebildete Rechtsnationale, das dem Autor, neben Mut, einen realistischen Blick attestiert.

Das Kottbusser Tor wird oft genannt, wenn es um Islam in Deutschland geht Foto: Dominik Butzmann/laif

Der „Tagesschau“-Sprecher beschreibe „Entartungen […], deren giftige Keime bereits jetzt gelegt sind“. Treffend analysiert der Rezensent vom rechten Rand, dass bei Schreiber „die Romanform wie eine Trägerrakete funktioniert, mit der der Autor sein weltanschauliches Anliegen in den öffentlichen Orbit schießt“.

Psychologisch glaubhafte Figuren und eine nachvollziehbare Handlung wären da, wie die Junge Freiheit gut erkennt, literarischer Ballast. Der Autor schiebt sein Personal wie leblose Schachfiguren herum. Die schwarze Dame Sabah Hussein rückt dann regelmäßig in die Nähe ihres Königs, eines Imams in Berlin-Neukölln, von dem sie sich heimlich beraten lässt.

„Weißensteuer“

Und Schreibers „weltanschauliches Anliegen“? Auch die weiße Oberschicht hat kein ungestörtes Leben mehr. Sabah Hussein möchte Einwanderer in den vornehmen Villenvierteln ansiedeln und dies mit einer „Weißensteuer“ finanzieren. Als Vorgeschmack plündern schwarze Läufer schon mal Anwesen in Berlin-Grunewald und Hamburg-Blankenese. Weiße Familien ergreifen die Flucht.

„Die Kandidatin“ ist ein politisches Hasspamphlet, das Angst vor Migranten schürt. Das hier Geschilderte ist möglich, es steht quasi vor der Tür, lautet die humorfreie Botschaft. Und wie das Echo des Geschilderten hallt ein freudloser Appell durch die 208 Seiten: Deutsche, wehrt euch!

Wie das geht, macht eine blonde ostdeutsche Polizistin vor. Sie hat „das Spiel der Politik“ durchschaut, greift zum Gewehr und schießt auf die muslimische Kanzlerkandidatin. Vor Gericht zeigt sich die weiße Dame dann als aufrechte Überzeugungstäterin. Warum sie auf Sabah Hussein geschossen habe, möchte die Staatsanwältin wissen.

„Muslime, Übernahme, Untergang“

„Weil ich verhindern wollte, dass Deutschland von einer Islamistin regiert wird“, rechtfertigt die Polizistin ihren Anschlag. In ihrem Verteidigungspamphlet dürfen die Wörter, „noch mehr Muslime“, „Übernahme unseres Landes“ und „Untergang“ natürlich nicht fehlen.

Eine patriotische Polizistin, die auf eine muslimische Politikerin schießt, als Retterin der Nation? In Wortmeldungen, die seine Buchveröffentlichung begleiten, betreibt Schreiber Selbstverharmlosung und rudert zurück. Er wolle mit seinem Werk vor „Polarisierung“ und auch vor der Gefahr des Rechtsextremismus warnen. Außerdem gebe es „satirische Ansätze“ in seinem Buch.

Man irrte, ginge man davon aus, dass nur rechtslastige Medien Schreibers Buch begrüßen. Positiv wurde „Die Kandidatin“ auch vom Tagesspiegel, der Welt, der Zeit und vom Hamburger Abendblatt („Der Roman der Stunde“) aufgenommen. Vor allem kann sich „Tagesschau“-Sprecher Schreiber freuen, dass sein Sender die Werbetrommel für sein Buch gerührt hat. In Talkshows durfte er es präsentieren und das Boulevard-Magazin Brisant“ sendete einen Beitrag.

Hetzschrift

Darf ein prominentes Fernsehgesicht im eigenen Sender für sein Buch werben? Wie ist eine notdürftig als Roman verkleidete Hetzschrift mit den Neutralitätsansprüchen an einen Nachrichtensprecher in Einklang zu bringen? Auf Anfrage teilt der NDR mit, in Talkrunden, in denen ein Gast auf sein Buch hinweist, werde streng darauf geachtet, dass das Gespräch „keinen werblichen Charakter“ hat. Seine schriftstellerische Tätigkeit sei „getrennt von seiner Tätigkeit im NDR zu betrachten und fällt unter die Kunstfreiheit“.

Wird diese Trennungslinie zu halten sein? Welche Agenda Schreiber antreibt, hätte die ARD wissen können. Sie hätte bloß auf den Verfassungsschutz hören müssen. 2017 veröffentlichte Schreiber das Werk „Inside Islam“, das sich zum Sachbuch ungefähr so verhält wie „Die Kandidatin“ zum Roman. Ein Fachmann des Hamburger Verfassungsschutzes zerlegte es öffentlich.

Das Buch über Predigten in 13 deutschen Moscheen strotze vor Fehlern und Verzerrungen und habe den offensichtlichen Zweck, die „Gefahr“, die von Moscheen ausgehe, zu übertreiben, konnte man in dem detaillierten Verriss nachlesen. Ähnlich haben fachkundige Kritiker auf das 2019 erschienene Schreiber-Werk „Kinder des Koran“ reagiert.

Aber was ist solche Kritik im Vergleich zu den lautstarken Angriffen der AfD und der Springer-Blätter auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Für ihren schriftstellernden Nachrichtensprecher darf die ARD von dieser Seite mehr Lob als Tadel erwarten. Wenn Constantin Schreiber nun die „Tagesschau“ liest, schwingt immer die Botschaft mit: Ein bisschen Ressentiment muss sein.

Der Rezensent Stefan Buchen arbeitet als Journalist für das ARD-Magazin „Panorama“.

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19 Kommentare

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  • Constantin Schreiber ist nicht mehr Tagesschausprecher in 10...9...8....7...

  • Verkehrte Welt:



    PI News und Junge Freiheit loben einen GEZ-Söldner.



    Bereits bei den Querdenkerdemos hatten ja Reichsbürger plötzlich mit dem Grundgesetz gewedelt...

  • "Aber was ist solche Kritik im Vergleich zu den lautstarken Angriffen der AfD und der Springer-Blätter auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? "

    Ich dachte hier geht es um eine Buchrezession. Dann sehe dass der Autor bei der ARD arbeitet, daher wenig überraschend dass so ein Satz nachgeschoben wird.

    "Man irrte, ginge man davon aus, dass nur rechtslastige Medien Schreibers Buch begrüßen. Positiv wurde „Die Kandidatin“ auch vom Tagesspiegel, der Welt, der Zeit und vom Hamburger Abendblatt („Der Roman der Stunde“) aufgenommen."

    Entsetzlich also wurde alle Medien in Deutschland von ,,Rächts" gekapert? Droht jetzt auch noch die Unterwanderung der ARD? Wer stoppt diesen Mann? Hoffentlich unsere Mitstreiter von "Muslim Interaktiv"?

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @UNKE:

      Bei ntv hat er noch einen integrationspreis bekommen für ein Willkommens tvformat am Anfang der migrationswelle. Kurz danach ist er zur ard gewechselt und beschwert sich ab und an über die eingereisten sie würden sich nur sehr schwerlich integrieren bzw. Zuviel Unannehmlichkeiten mitbringen, meine Sympathien reichen nicht sehr weit für ihn ergo finde ich seine Publikation auch nicht erwerbswertig, die obama Biografie besitze ich im Übrigen

      • @92293 (Profil gelöscht):

        Es ist ihr gutes Recht ein Buch nicht zu Lesen oder die Standpunkte des Autors zu kritisieren.

        Ich werde das Buch vermutlich auch nicht lesen, erinnert mich zu stark an ,,Unterwerfung".

        Die Punkte die Herr Schreiber in seinen Interviews anführte fand ich zumindest in sich kohärent. Im Endefekkt ist es die Critical Race Theory im Endstadium angewendet, wobei sie nun durch eine Islamistin ausgenutzt wird. Es ist aber lediglich eine Fiktion.

        Und abzustreiten dass es extremistische Gruppierungen in Deutschland gibt die sich solch ein Szenario zumindest herbeiträumen und auch versuchen darauf hinarbeiten ist wohl ziemlich naiv.

        Und ja einige ,,Einreisende" bringen nunmal andere Ansichten mit wie zB Besucher eines Weihnachtsmarktes in Berlin oder das homosexuelle Paar in der Dresdner Innenstadt erfahren mussten. Kann man kritisieren muss man aber nicht.

  • Im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfen also islamophobe Propagandisten und Hetzer als prominentes Gesicht die Tagesschau moderieren. Es ist einfach unfassbar wie sehr Deutschland auf den Hund gekommen ist.

    • @Michael Myers:

      Es dürfen sich Leute in diesem Land nach wie vor religionskritisch äußern und damit auch religiöse Personen mit einer bestimmten Agenda kritisieren.

    • @Michael Myers:

      Geht's nicht eine Nummer kleiner?



      Ob das Buch wirklich islamophobe Propaganda und Hetzte ist, kann man erst nach dem Lesen beurteilen - und das hat hier noch keiner gemacht.



      Und selbst wenn es stark islamkritisch sein sollte, es ist eine Fiktion die man lesen kann oder eben nicht.



      Was wollen Sie? Eine sofortige Bücherverbrennung, Zensur und seine Entlassung beim ARD?

      • @Stefan L.:

        Was wollen Sie? Eine sofortige Bücherverbrennung, Zensur und seine Entlassung beim ARD?

        Letzteres. Bei den Öffentlich-Rechtlichen hat so einer nix zu suchen.

        • @Michael Myers:

          Ohne das Buch gelesen zu haben verlangen Sie das?

        • @Michael Myers:

          "Bei den Öffentlich-Rechtlichen hat so einer nix zu suchen."



          Sehe ich nicht so.



          Seine Schreiberei hat nichts mit seinem Job als Tagesschau-Sprecher zu tun.



          Er - nicht die ARD - hat ein kontroverses Thema als fiktiven Roman veröffentlicht, was sein gutes Recht ist. Ob dieser Roman was taugt oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt.

          • 7G
            75787 (Profil gelöscht)
            @Stefan L.:

            "Er - nicht die ARD - hat ein kontroverses Thema als fiktiven Roman veröffentlicht, was sein gutes Recht ist. Ob dieser Roman was taugt oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt."

            ...vielleicht hat das Frau Herman bis zu ihrer Kündigung 2007 durch den NDR auch so gedacht.

  • Gähn. Hatten wir das nicht schon bei Houellebecq?

    Obwohl -- dort war's ein Mann, hier eine Frau. Da muss die Erniedrigung ja doppelt schmerzen. Vermutlich ist der andere Unterschied, dass Houellebecq schreiben kann.

    Was rauchen diese Idioten denn?

    • @tomás zerolo:

      Houellebecq kann zumindest schreiben.

      Von Herrn Schreiber ist das nicht überliefert.

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Die Varianten von Relotius waren weniger leicht dechiffrierbar.

    • @tomás zerolo:

      "Hatten wir das nicht schon bei Houellebecq?"

      Das war auch mein erster Gedanke.



      Man sollte solcher Ergüsse nicht gleich als kalkullierten Rassismus, sondern als dystropische Science Fiction einordnen.



      Da gibt es schon reichlich Stuss und keiner regt sich drüber auf.

      • 9G
        92293 (Profil gelöscht)
        @Stefan L.:

        Es entlarvt sich seine angepasste karriereorientierung

  • 7G
    75787 (Profil gelöscht)

    "Deutschland schafft sich ab" nun auch in der Romanvariante - super! Bleibt zu hoffen, dass dem Autor dieser Stigamtisierungslektüre nicht entgangen ist, dass der Pluralitätsanspruch seines Arbeitgebers nach dem Zweiten Weltkrieg als Antwort auf die Medien der Nazidiktatur entstanden ist.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Da wird nun noch weniger journalistische relotius Thematik angewandt und gleichzeitig aus französischsprachiger fiktion geklaut. Houllbecqs politigeschichte hat eine Aufregung kreiert, in einem belgischen Film soll eine uspräsidentin von einem Belgier durch den us Geheimdienst gelenkten anschlag ermordet werden. Will er nun durch kopieren von hetze dazuverdienen weil man bei der ard so mäßig bezahlt wird.