Roma Biennale ein halbes Jahr lang: Eröffnet Roma-Botschaften!

Zum Auftakt der zweiten Roma Biennale soll eine Parade darauf hinweisen, dass das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma weiterhin bedroht ist.

Menschen stehen vereinzelt umd das Mahnmal im Tiergarten

Das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus im Tiergarten Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Eine Pappe und ein schwarzer Filzstift reichen aus, um eine Zweigstelle der Roma-Botschaft zu eröffnen. Wer so ein Pappschild etwa bei sich aufstellt, es an einem Faden an die eigene Tür hängt oder sich selbst mit dem Schild fotografiert und das Foto in die sozialen Medien hochlädt, wird damit gleichzeitig Teil eines Kunstprojekts. Denn dass die Roma keine eigene rechtliche Vertretung haben, macht die in Großbritannien lebende Künstlerin Delaine le Bas in ihrem fortlaufenden Performance- und Kunstprojekt „Romani Embassy“ seit 2012 zum Thema. Ihr Ehemann Damian le Bas bemalte dafür Stühle und Tische, sie baute Zelte auf oder inszenierte Performances. Damian le Bas, der 2017 überraschend verstarb, ist außerdem der Initiator der Roma Biennale.

Delaine le Bas ist Teil der Künstler*innen, die die zweite Roma Biennale mit ihren Werken am Donnerstag eröffnet – obwohl sie selbst pandemiebedingt nicht in Berlin sein wird. Zu sehen sein wird dann auch der von ihrem Sohn Damian James le Bas eigens für die Biennale gestaltete Truck, der die Roma-Day-Parade anführen soll (siehe Info-Kasten). „Romani Embassy ist ein Symbol“, sagt Le Bas der taz. „Es kann ganz klein und einfach sein: meine Kunst passt oft in einen Koffer“, sagt sie. „Mein Ausgangspunkt war tatsächlich eine beschriftete Pappe, wie sie auch wohnungslose Menschen oft haben.“

Im Zentrum von Romani Embassy stehe die Idee, dass Menschen, die sich in Situationen befinden, in denen sie besonders verwundbar sind, oft ihrer Rechte beraubt würden. „Wer von keiner Botschaft vertreten wird, kann auch nicht einfach in ein Flugzeug steigen und wegfliegen, wenn das eigene Leben in Gefahr ist“, sagt Le Bas.

Die Frage, wer eigentlich die Interessen der Roma und Sinti vertritt, besonders wenn sie in Bedrängnis geraten, ist auch auf anderen Ebenen Thema der Biennale. Im Fokus der Veranstaltungen steht das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Tiergarten, das derzeit in seiner jetzigen Form durch ein Bauprojekt bedroht ist.

„Unser Denkmal ist unantastbar“

Die S-Bahn-Trasse, die einmal den Hauptbahnhof nach Norden und Süden mit dem Ring verbinden soll, wird nach derzeitigen Plänen das Denkmal beeinträchtigen. Es stehen verschiedene Szenarien im Raum, die den Zugang zum Denkmal einschränken könnten und die Umgebung oder sogar Teile des Denkmals selbst verändern würden. Anfangs war sogar von einem zeitweisen Abbau des Mahnmals die Rede. Nach heftigem Protest zog die Bahn diese Pläne zurück.

Der Zentralrat der Sinti und Roma zeigte sich gesprächsbereit. Zahlreiche Selbstorganiationen und Initiativen fordern dagegen, das Mahnmal ganz unberührt zu lassen. Der Senat solle es – analog zum Holocaust-Mahnmal – zu einem Zwangspunkt erklären, der von Bauvorhaben nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Noch am Holocaust-Gedenktag Ende Januar hat Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) Medienberichten zufolge erklärt, dass der S-Bahn-Bau den Raum des Denkmals „berühren“ werde. „Das Mahnmal existiert gerade mal neun Jahre, und schon soll es wieder angetastet werden“, sagt Biennale-Kurator Hamze Bytyçi. „Das fühlt sich nicht so an, als ob wir gleichberechtigt sind.“

Das Mahnmal sei damals ein Versprechen gewesen. „Wenn nun Bäume gefällt werden, ist das der erste Schritt. Ich will mich nachher nicht von meinen Kindern fragen lassen: warum habt ihr das zugelassen?“, sagt er. Das Mahnmal sei daher auch der Anker für die Biennale, die dort beginnt und mit dem 9. Jahrestag seiner Einweihung am 21. Oktober endet. Dazu soll es unter anderem um die Bürgerrechtsbewegung, Abschiebungen, die Situation von Spar­gel­ern­te­hel­fe­r*in­nen und Diskriminierung in der Pandemie gehen.

Kunst auf Straßen, aber auch im Wohnzimmer

Die erste Roma Biennale fand 2018 in Berlin statt; für das Frühjahr 2020 war die zweite geplant, die wegen Corona um ein Jahr verschoben wurde. Nun stand man wieder vor der Frage, wie sich die Kunstwerke so zeigen ließen, dass sie trotz Pandemie einen gesellschaftlichen Widerhall fänden. „Wir haben dann überlegt, wie wir etwas schaffen können, auf das Menschen vielleicht zufällig stoßen“, sagt Kuratorin Le Bas.

Mit Postern wollen sie daher die Kunst auf Straßen und Plätze tragen, aber auch Wohnzimmer und Flure zur Ausstellungsfläche machen: Deshalb können die Poster von je­de*m auf der Webseite heruntergeladen und ausgedruckt oder in Kiezcafés und Buchläden wie Kisch & Co abgeholt werden. „Die Chance ist, dass wir damit sogar in der Community breiter und internationaler wahrgenommen werden“, sagt Bytyçi.

Die Biennale selbst findet ausgedehnt auf fünf Phasen statt, die sich an Jahres- und Gedenktagen ausrichten: Von „Selbstbekenntnis“ über „Widerstand & Resilienz“ ab dem 16. Mai, „Überleben“ zum Welttag der Migration am 20. Juni, „Erinnern“ zum Gedenktag an den Genozid an den Sinti und Roma am 2. August bis zu „Existenz“. Zu den Terminen sind jeweils Onlineveranstaltungen oder – so die Lage es zulässt – auch Treffen oder öffentliche Aktionen geplant.

Wie die von Delaine le Bas und ihrem Poster mit dem Romani-Embassy-Schriftzug zum Ausdrucken: So könnten punktuell zahlreiche Roma-Botschaftszweigstellen über die Stadt verteilt entstehen.

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