Rolle der USA im Ukrainekonflikt: Die Kriegsmaschinerie läuft
In den USA ist der Hass auf Putin groß. Dabei wird vergessen, welche teils unrühmlichen Rollen die US-Regierungen in der Welt gespielt haben.

E s ist eine Woche her, dass US-Präsident Joe Biden sich Ärger einhandelte, weil er aussprach, was wohl viele US-Amerikaner:innen über Wladimir Putin denken: „Um Gottes willen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben.“ Bidens Worte beruhten mehr auf moralischer Empörung, und er hat sie seitdem erläutert. Aber viele meiner Mitbürger:innen wären weniger diplomatisch. Sie fragen ganz offen, warum nicht jemand losgeschickt wird, um Wladimir kaltzumachen.
Es gibt keinerlei Sympathien für die Ansicht, dass es Putin wohl missfällt, wenn die Ukraine zu nahe an die Nato oder die USA rückt, oder dass die Amerikaner:innen es auch nicht gern sähen, wenn Putin und seine Raketen ihrem Land zu nahe kämen. Nach Meinung der meisten US-Amerikaner:innen hat die Ukraine doch jedes Recht, über ihre Regierung selbst zu entscheiden. Es sei doch lächerlich, dass Russland die Ukraine als Bedrohung empfinde. Amerikaner:innen sind sich sicher, dass die USA schuldlos an allem sind, was Selenski oder die Ukrainer:innen tun. Ich habe da meine Zweifel.
Man wird wenig Verständnis für eine Debatte finden, ob die USA womöglich noch andere Motive als die Verteidigung der ukrainischen Souveränität haben – dass sie vielleicht ja mit der Nato eine vereinte Front gegen Russland und ein Bollwerk gegen China aufbauen wollen. Alle scheinen vergessen zu haben, wie unsäglich etliche US-Regierungen mit dem Zerfall der Sowjetunion umgegangen sind. Russland war als Verbündeter des Westens gegen die sogenannte Gelbe Gefahr – das kommunistische China – willkommen, falls es bereit sei, die zweite Geige zu spielen.
Zweifel werden als Propaganda abgetan
Viele in den USA halten unsere Version der Demokratie autoritären Regierungsformen für überlegen. Vielleicht ist sie es auch, aber es ist unklar, in wessen Interesse sie besteht. Ihre Industriemagnaten suchen auf der ganzen Welt stets nach neuen Märkten, ihr Lebensstil erstickt am Materialismus und einer gigantischen Ungleichheit.
Solche Zweifel werden abgetan als Propaganda, vergleichbar mit der Putins oder der schlimmsten unserer Neokonservativen, und auch nicht zu weit entfernt vom Denken der heutigen äußersten Linken, die die USA vor allem als Treiber des Militarismus sehen. In den hiesigen Medien sind solche Ansichten kaum vertreten. Derlei Darlegungen sind zu lang und rätselhaft, und ihre Anhängerschaft ist auf verdächtige Weise feindselig gegenüber der Nato, den USA und weißen Menschen im Allgemeinen.
Es gebe keinen Ort auf der Welt, an dem die USA interveniert haben, so die Kritik an unserer Regierungsform, der danach nicht tiefer im Schlamassel steckte. Aber wir sind längst über den Punkt hinaus, an dem man noch sagen kann, der Ukraine ginge es besser, wenn wir uns nur herausgehalten hätten. Ich frage mich nur, ob wir sie in einen Krieg getrieben haben, in dem wir ihnen nun nicht beistehen wollen. Anstatt nach Antworten zu suchen, werden uns täglich zerstörte russische Panzer und getötete Kinder aufgezählt, während TV-Moderatoren angesichts der Zerstörung von Mariupol in Tränen ausbrechen.
Es ist die bekannte Kriegsmaschinerie, die mich als Reporterin an die endlosen Tage und Nächte des Irakkriegs von 2003 erinnert. Gott ist angeblich auf unserer Seite bzw. derer, die von uns unterstützt werden – nicht mit Leib und Leben, aber mit Panzern, Raketen, Geheiminformationen und Geheimagenten. Begreifen können wir all die Berichte über das Leid fliehender oder in U-Bahnhöfen kauernder Familien und dem Erdboden gleichgemachte Städte nicht. Ein verzweifelter Mann sagt, dass man nicht anders handeln könne. Mein Herz zerbricht ebenso sehr oder vielleicht noch mehr für die, die leiden, weil sie wie wir sind.
Übersetzung: Stefan Schaaf
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart