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Ressourcenexperte über Plastikabkommen„Die Fronten sind klar geworden“

Henning Wilts vom Wuppertal Institut sieht noch Chancen für ein UN-Abkommen. Für Europa sei sowieso wichtiger, was Brüssel zu Verpackungen entscheide.

Wichtiges Recycling: Plastikchips aus einer Zerkleinerungsmaschine in Nairobi, Kenia Foto: Thomas Mukoya/reuters
Heike Holdinghausen
Interview von Heike Holdinghausen

taz: Herr Wilts, sind die Verhandlungen in Nairobi gescheitert?

Henning Wilts: Nein, das kann man noch nicht sagen. In Nairobi ist über den Entwurf für einen Vertrag, den sogenannten Zero Draft, diskutiert worden. Das war so eine Art Wunschliste, auf der alles stand, was die ganz unterschiedlichen Akteure sich so zum Thema Plastik vorgestellt haben. Es fehlte eine Idee, wohin man mit diesem Abkommen möchte. Daher war klar, dass sich die Staaten nicht auf konkrete Maßnahmen einigen konnten.

Wuppertal Institut
Im Interview: Henning Wilts

Der Wirtschaftswissenschaftler leitet seit August 2018 den Forschungsbereich Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie.

Sondern?

Immerhin sind die Fronten klar geworden: Es gibt Staaten wie Saudi-Arabien, Russland, Iran oder Indien, die sehen das Müllproblem als Thema für Abfallmanagement. Andere, darunter die EU, wollen den ganzen Lebenszyklus von Kunststoffprodukten angehen, das schließt Verbote und Beschränkungen für Produktionsmengen ein.

Wieso schaffen es einzelne Staaten, diesen Prozess aufzuhalten?

Das Thema Plastikmüll wurde ja erstmals auf UN-Ebene diskutiert. Man steht da in Bezug auf die Verfahren etwa da, wo man in den Klimaverhandlungen vor Paris war, es herrscht noch das Einstimmigkeitsprinzip. Da kann eben ein Staat oder eine kleine Gruppe von Staaten den ganzen Prozess behindern. Die Verhandlungen werden im nächsten halben Jahr hinter den Kulissen weitergehen, da kann noch viel passieren. Ich glaube nicht, dass man den Zeitplan jetzt schon aufgeben muss, bis Mitte 2025 ein UN-Abkommen fertigzubekommen.

Wenn es nicht wie erhofft, so schnell ein gutes globales Abkommen gibt – was gibt es für politische Alternativen?

Für uns in Europa ist es sowieso viel wichtiger, was am Dienstag in Brüssel zur neuen Verpackungsverordnung beschlossen wird. Natürlich setzt ein UN-Abkommen wichtige Signale, es gestaltet einen globalen Rahmen. Aber die Verpackungsverordnung macht konkrete Vorgaben zur Recyclingfähigkeit von Kunststoffen, zum Anteil von Mehrweglösungen, die Supermärkte anbieten müssen – das führt viel weiter als das, was man international festlegen wollte.

Das Parlament stimmt am Dienstag über seine Position zur Verpackungsverordnung ab. Ist sie ambitioniert?

Es gab einen sehr ambitionierten Entwurf, der Mengenvorgaben für die Plastikvermeidung vorsah, Quoten für Mehrweg und so weiter. Doch dann hat das Lobbying von allen Seiten auf die Politik eingedroschen. Jetzt sind wieder viele Fragen offen, etwa, welche Rolle chemisches Recycling spielen soll, bei dem Kunststoffe eingeschmolzen, mit Chemikalien versetzt und damit wieder in eine Art Ausgangsstoff für Kunststoff verwandelt werden. Die Industrie protegiert das heftig. Das Verfahren ist energieaufwändig und ersetzt nicht Lösungen, die auf Vermeidung abzielen. Auch scheinbar nachhaltige Ersatzlösungen, die etwa halb aus Papier, halb aus Plastik bestehen, sind nicht wirklich besser. Häufig haben Papierverpackungen genauso große Umweltauswirkungen wie solche aus Plastik, erst recht, wenn sie beschichtet sind. Ein anderes Beispiel sind Einwegverpackungen aus Alu. Sie sind nicht umweltfreundlich, auch wenn man sie recyceln kann. Da läuft gerade viel in die falsche Richtung.

Klingt nicht gerade hoffnungsvoll …

Es gibt auch vielversprechende Ansätze, wie die „Green Claims Directive“ der EU-Kommission. Sie soll im nächsten Frühjahr verabschiedet werden und Greenwashing vorbeugen. Dazu soll umweltbezogene Werbung reguliert werden. Das ist wichtig, denn viele Verbraucher wollen nachhaltig einkaufen, wissen aber nicht, wie.

Was können Ver­brau­che­r:in­nen denn selbst gegen Plastikmüll machen?

Lebensmittel in Mehrwegbehältern kaufen, das ist das Beste. Auf den Blauen Engel des Umweltbundesamtes achten, solche Produkte enthalten viel Recyclingmaterial. Vor Ort einkaufen anstatt online, da sind viel weniger Verpackungen nötig.

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8 Kommentare

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  • Ich glaube im Jahr 2018 habe ich das erste Mal von der 5 stufigen Abfallhierarchie im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gelesen und mich gefreut. www.weka.de/umwelt.../abfallhierarchie/

    Wenn ich dann aber Ende des Jahres 23 wieder davon lese, dass weiter diskutiert wird, nun aber auch international, wie man das umsetzt, dann ist das schon traurig.

    Uganda hat einfach Plastiktüten verboten (ohne dass ich sagen will, dass damit alle Probleme gelöst wären), so etwas wäre bei uns undenkbar. Dazu sind die Lobbys zu gut vernetzt.

    Aber auch die Elfenbeintürme des WI und anderer scheinen mir manchmal nur folgenlose Gutachten Produktionsanlagen zu sein. Keine(r) der dort arbeitenden Wissenschaftler muss etwas Umsetzbares abliefern und schon gar nicht unter Zeitdruck.

    Ich stehe heute noch immer in der Küche mit meinen vier Müllbehältern und pfriemel Plastik von Papier und umgekehrt, weiss nicht ob alle Deckel in den gelben Sack gehören und welche Korken wohin gehören. Und ich habe Zeit und kann daraus noch eine altersgerechte Rätselaufgabe machen!

  • und dass die EU Vorgaben für den eigenen Binnenmarkt macht? Vorgaben wie nur sortenreine Verpackungsmaterialien etc.



    Immerhin wäre da schon etwas gewonnen und der europ. MArkt ist groß genug, um auf den Rest der Welt auszustrahlen... Damit wäre die Welt nicht gerettet, aber ein Anfang wäre gemacht.



    Die Lobbykämpfe innerhalb der EU kann ich mir allerdings schon jetzt vorstellen, einfach wär`s nicht.

  • Ich verstehe bricht, weshalb das Thema überhaupt bei der UN angesiedelt wird. Einzelstaatliche oder Verbundslösungen wären viel sinnvoller, da das Problem schneller und individueller angegangen werden kann. Momentan wirkt das Ganze wie eine Zirkusveranstaltung.

  • Die Kunden WOLLEN gar nicht genau wissen, wie unökologisch die bequemen Verpackungen sind. Dann müssten sie ja zugeben, dass sie etwas Umweltschädliches kaufen. Außerdem ist es schlecht, dass die umweltfreundlichen Varianten teurer sind als die konventionellen Verpackungen. Warum muss auf die Plastikfolie ein Papieretikett geklebt werden und auf die Plastikflasche ein Etikett aus einem anderen Plastik? Warum ist festes Shampoo so unergiebig und damit teuer? Warum ist unverpacktes Gemüse teurer als das verpackte? Und und und...

    • @Patricia Winter:

      in einer Doku, wurde der Anteil der Plastikverpackungen am Müllaufkommen in Österreich mit rund 30% angegeben.



      Der Großteil stammt aus Plastikwerkstoffen die in Alltagsgegenständen verbaut sind. Das Problem ist viel größer als die reine Verpackungsthematik.

      • @nutzer:

        Ich erwähne das, was mir auffällt. Aber wo Sie's sagen, die Verpackungen, die die Verbraucher nie sehen, sind natürlich ein großes Problem, WEIL sie ja nicht gesehen werden.

        • @Patricia Winter:

          70% des Plastikmülls kommt eben nicht von Verpackungen, auch nicht versteckten Verpackungen in der Produktion, Logistik. 70% des Mülls kommt aus Plastikwerkstoffen, die in Alltagsgegenständen verbaut sind. In Autos, in Elektronik, in Plastikterrassenstühlen, in Steckdosen, in eigentlich fast allem....



          Verpackung reduzieren ist richtig, abe rnicht des große Posten, der den Müll erzeugt, Verpackungen sind nur das was uns ins Auge springt.

          • @nutzer:

            Entschuldigung, ich hatte Ihren Beitrag falsch verstanden. Dauerhafte Plastikgegenstände habe ich nicht bedacht. Könnten die recycelt werden?