Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
So ganz verstehe ich da hier nicht? Welches - seltsame und nur in Kriegszeiten erklärbare - Verhalten legt Gazprom denn nun an den Tag? Gewinne zu machen, weil die Preise hoch sind? Weniger Gas zu liefern, wegen Sanktionen? Und seit wann ist Gazprom ein Monopolist? Haben die sämtliche Gasfelder in der Welt aufgekauft?
Naja das ist eben der große Knall zum Abschied....Russland zerstört gerade für diesen Effekt seine Wirtschaft und seine Stellung als Rohstoffexporteur. Asiatische Abnehmer werden den europäischen Markt nicht ersetzen....können das auch gar nicht.
Wieso werden eigentlich einfach Meldung eines russischen Staatskonzern unkritisch übernommen? Wissen wir nicht, dass Russland lügt und betrügt, wo es kann...gerade da es auch Gas als Teil der Kriegsführung betreibt? Welche verlässlichen Quellen gibt es dazu denn?
Selbst die USA als bedeutender Gas-, Ölexporteur in der Welt fluten die Spotmärkte weder mit Gas noch Öl, was sie könnten, die Preise nach unten zu crashen, nicht nur eigene Industrie als Beschäftigungsmotor mit billigem Gas, Öl zu versorgen. Auffälig bei den Debatten um Gazprom Übergwinnen, russische Unternehmen, Oligarchen sind in $, €, brit Pfund, Schweizer Franken, kanadischem Dollar, Yen gerechnet doch angeblich sanktioniert, deren Fremdwährungskonten auf Eis gelegt, für Russland, Gazprom unbrauchbar zu weiteren Zwecken?, u. a. die Ukraine für Kriegsschäden durch Russland seit 24.2.2022 zu entschädigen? Warum ist davon keine Rede mehr?
@Joachim Petrick Da unterliegen Sie einem Missverständnis.
Blockiert von EU und den USA ist ein Teil der russischen Staatsreserve (der Teil, auf den man Zugriff hat).
Die laufenden Gaslieferungen von Gazprom werden bezahlt, und das Geld ganz normal überwiesen.
Der einzige in diesem Zusammenhang relevante Oligarch wäre Gazprom-Chef Miller. Der steht in der Tat auf keiner Sanktionsliste (und das ist ein Skandal).
"Es wirkt wie ein Paradox"...
Der „Halbjahrsgewinn“ ist ein bilanziell sehr frei gestaltbarer Wert. Teile der bilanzrelevanten Daten von Gazprom unterliegen seit Kriegsbeginn der Geheimhaltung, das erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten zusätzlich.
Gazprom hat im Juni „wegen der wirtschaftlichen Aussichten“ die bereits angekündigte und festgesetzte Rekorddividende für 2021 sehr kurzfristig abgesagt (und die Aktie in den Keller geschickt). Die Kriegskasse für die nun angekündigte „außerordentliche Zwischendividende“ für das erste Halbjahr 2022 ist also gefüllt, egal, wie hoch der Gewinn tatsächlich war.
Vermutlich war der Gewinn auch hoch. Der Gaspreis war schon vor dem Krieg hoch, und die Gaserpressung und Fördermengendrosselung hat erst im April angefangen.
Im Januar und Februar war kein Krieg, auch im März liefen Förderung und Export (bei hohen Preisen) normal. Dann hat Gazprom begonnen, die Förderung zu drosseln (bezogen auf den jeweiligen Vorjahresmonat):
April: 10%
Mai: 13%
Juni: 30 %
Juli 37%
Weil der russische Binnenmarkt normal weiter beliefert wird, und der Export nach China leicht erhöht wurde, wirkt sich der Förderrückgang nahezu ausschließlich auf die Exportzahlen gen Europa aus: Der gesamte GasEXPORT nach Europa sank (gegenüber dem Vorjahresmonat) im Juni um 49% und im Juli bereits um 58%.
Gazprom hat diese seine eigenen Zahlen lustigerweise aus dem Netz genommen. Die standen hier:
www.gazprom.ru/pre...ust/article555443/
Aber in der Presse sind sie noch zu finden:
www.moscowtimes.ru...ii-gazproma-a22319
www.moscowtimes.ru...a-za-14-let-a22850
Es ist völlig irreführend, aus diesem „Halbjahresgewinn“ und dem demonstrativen Dividendenfeuerwerk irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Es fängt gerade erst an, spannend zu werden, d.h. für Gazprom ans Eingemachte zu gehen.
Seit ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen im Osten werden wieder Forderungen nach einem Parteiverbot der AfD laut. Wäre das eine gute Idee?
Rekordgewinne bei Gazprom: Waffen im Wirtschaftskrieg
Normalerweise ist es nicht im Sinne eines Monopolisten wie Russland, dem Käufer zu schaden. Aber die Zeiten sind unnormal. Gas ist eine Kriegswaffe.
Gazprom-Logo in St. Petersburg Foto: reuters
Es wirkt wie ein Paradox: Russland liefert kaum noch Gas in den Westen, macht aber Rekordprofite. Der russische Gaskonzern Gazprom meldete am Mittwoch, dass der Gewinn im ersten Halbjahr 46,5 Milliarden Euro betragen habe. Doch das ist kein Widerspruch. Es ist ein altbekannter Marktmechanismus, dass Knappheiten das Geld erst recht sprudeln lassen.
Dieses Prinzip wird auch von normalen Firmen ausgenutzt. Beispiel Apple: Von den ersten iPhones wurden 2007 nur wenige Exemplare ausgeliefert, und jedes Gerät kostete 599 Dollar. Diesen üppigen Preis konnten sich nur wohlhabende Statuskäufer leisten. Erst als diese kleine Gruppe abgeschöpft war, senkte Apple drei Monate später den Preis auf 399 Dollar, und nach einem weiteren Jahr waren es 199 Dollar.
Zwischen Gazprom und Apple gibt es allerdings einen entscheidenden Unterschied: Auf iPhones lässt sich verzichten, auf Energie nicht. Apple durfte die Abschöpfungsstrategie nicht übertreiben, weil dies potenzielle Kunden vergrault hätte. Beim Gas hingegen nimmt der Westen derzeit alles und zu jedem Preis.
Diese Beobachtung wirft allerdings eine weitere Frage auf: Warum kopiert die OPEC nicht die Tricks von Gazprom und reduziert auch die Ölförderung, bis die Preise durch die Decke schießen? Stattdessen liefert die OPEC so verlässlich, dass das Barrel Öl deutlich unter 100 Dollar kostet.
Ein Unterschied fällt sofort auf: Anders als Gazprom ist die OPEC kein Monopolist, sondern muss die Eigeninteressen von 16 Ölstaaten austarieren. Da ist es immer schwierig, alle Mitglieder beisammenzuhalten und als Kartell zu agieren. Zudem liefert die OPEC nur etwa 39 Prozent des weltweiten Öls.
Trotz dieser Einschränkungen hätte die OPEC jedoch die nötige Macht, um weltweit für Chaos zu sorgen. Aber genau daran kann sie kein Interesse haben. Extreme Preise würden eine globale Wirtschaftskrise erzeugen, sodass am Ende auch das Geld fehlt, hohe Energiepreise zu zahlen. Es war noch nie eine kluge Strategie, die Kuh zu schlachten, die man melken will.
Ein Verhalten wie bei Gazprom ist nur rational, wenn man sich sowieso in einem Wirtschaftskrieg befindet. Wie Russland und der Westen.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Energiekrise
Kommentar von
Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Themen