Reichsbürger schießt auf Polizisten: Schusswechsel im Morgengrauen

Nach den Schüssen eines Reichsbürgers auf Polizisten entbrennt wieder ein Streit übers Waffenrecht. Unter den Durchsuchten waren Sicherheitskräfte.

Ein Kriminalbeamter steht auf einem Balkon

Ein Kriminalbeamter bei einer Durchsuchung im Auftrag der Bundesanwaltschaft ist im baden-württembergischen Reutlingen Foto: Marijan Murat/ap

BERLIN taz | Die Polizei rückte am Mittwoch im Morgengrauen an einer Reutlinger Ausfallstraße an. Durchsucht werden sollte Markus L., von dem sich die Ermittler Erkenntnisse über die bereits im Dezember festgenommenen, terrorverdächtigen Reichsbürgern erhofften. Der 47-Jährige hatte Kontakt zu der Gruppe, ist aber selbst nicht Beschuldigter, nur Zeuge. Als die Beamten schließlich in L.s Wohnzimmer standen, soll dieser eine großkalibrige Waffe auf sie gerichtet haben. Als er auch die mehrmalige Aufforderung ignorierte, diese wegzulegen, folgte ein Schusswechsel – bei dem ein SEK-Beamter in den Arm getroffen wurde.

So jedenfalls schildert die Bundesanwaltschaft das Geschehen um Markus L. Klar ist: Es war ein dramatischer Einsatz, den einige in dieser Szene schon länger befürchtet hatten. Denn die Reichsbürger kennzeichnet von jeher vielfach eine Waffenaffinität und Gewaltbereitschaft. Und Markus L. war den Sicherheitsbehörden zwar nicht als Straftäter bekannt, wohl aber als Reichsbürger – und er soll laut Medienberichten als Sportschütze legal Waffen besessen haben, insgesamt 22 Stück. Am Ende ergab er sich der Polizei, die ihn festnahm.

Nun ist Markus L. ebenso Beschuldigter: Die Bundesanwaltschaft wirft ihm mehrfachen versuchten Mord vor. Wegen der „besonderen Bedeutung“ zog sie den Fall an sich. Der getroffene SEK-Polizist musste im Krankenhaus behandelt werden, gilt aber nur als leicht verletzt.

Die Razzia in Reutlingen war Teil einer größeren Durchsuchungswelle. Laut Bundesanwaltschaft wurden mehr als 20 Objekte in acht Bundesländern und auch der Schweiz durchsucht. Im Fokus standen 5 Reichsbürger aus München, Hannover, Chemnitz und St. Gallen. Ihnen wird Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Erneut Polizisten und Soldaten durchsucht

Sie sollen ebenfalls zu der Reichsbürgergruppe gehören, bei der bereits im Dezember 25 Festnahmen erfolgten – es war der größte Anti-Terroreinsatz seit Jahrzehnten. Verhaftet wurden damals die frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, der Thüringer Heinrich XIII. Prinz Reuß sowie frühere Bundeswehrangehörige und Polizisten. Ihnen werden Umsturzpläne vorgeworfen, auch Waffen sollen sie bereits beschafft und einen Angriff auf den Bundestag erwogen haben.

Bei den Festnahmen im Dezember hatten die Ermittler auch zahlreiche Datenträger beschlagnahmt, die seitdem ausgewertet wurden. Zudem stießen sie auf gut 100 „Verschwiegenheitserklärungen“, die Personen über die Reichsbürgertruppe unterzeichnet hatten. Nach taz-Informationen kam die Bundesanwaltschaft auch über Finanzermittlungen auf die neuen fünf Beschuldigten.

Daneben wurden nun auch 14 Nichttatverdächtige durchsucht – darunter Markus L. Festgenommen wurde am Ende nur er. Auch die anderen Fälle sind indes heikel: Denn nach taz-Informationen waren unter den Durchsuchten erneut mindestens ein aktiver Soldat und ein Polizist. Die Zeit schreibt gar von drei Polizisten, einem Bootsmann der Marine und vier Reservisten.

Wieder bricht Waffenrechtsdebatte aus

Die Politik zeigte sich über die Schüsse in Reutlingen bestürzt. Reutlings Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) eilten noch am Mittwoch zum Tatort. „Das sind staatsfeindliche, sehr gefährliche, gewaltbereite Leute“, warnte Strobl. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, die Schüsse zeigten, „wie gefährlich die Einsätze sind.“

Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstrich der Vorfall ebenso, „wie brandgefährlich diese Szene ist“. Es sei gut, dass der Täter schnell gefasst wurde. Faeser lobte das „sehr konsequente Vorgehen“ der Sicherheitsbehörden gegen die Szene. „Wir setzen diese harte Gangart fort, bis wir diese Strukturen vollständig offengelegt und zerschlagen haben.“ Die Reichsbürger seien „keine harmlosen Spinner, sondern gefährliche Extremisten“.

In der Ampel brach indes sofort wieder Streit über das Waffenrecht aus. Bereits im Januar hatte Faeser einen Gesetzentwurf für eine Verschärfung vorgelegt. „Wir müssen diese Extremisten konsequent entwaffnen“, bekräftige sie nun am Mittwoch. „Dafür brauchen wir dringend die Verschärfungen des Waffenrechts, die ich vorgeschlagen habe.“ Bisher jedoch blockiert die FDP den Gesetzentwurf. Und auch jetzt verwies Justizminister Buschmann auf die Waffenbehörden: Diese seien verpflichtet, die Reichsbürger zu entwaffnen – auch schon mit der bestehenden Gesetzeslage.

Nicht die ersten Schüsse

Bereits 2016 hatte im bayrischen Georgensgmünd ein Reichsbürger einen Polizisten erschossen, als Beamte zu einer Waffenkonfiszierung anrückten. Im vergangenen Jahr feuerte dann ein Reichsbürger in Boxberg (Baden-Württemberg) auf Beamte, als diese ihn kontrollieren wollten, und verletzte zwei.

Zu der mutmaßlichen Reichsbürger-Verschwörergruppe zählt die Bundesanwaltschaft nun 61 Beschuldigte. Von den 25 Festgenommenen sollen sich einige inzwischen bereits erklärt haben, Aussagen zu den Vorwürfen zu machen. Nicht auszuschließen also, dass es künftig noch weitere Beschuldigte geben könnte.

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