Rehe verhindern Waldumbau in Brandenburg: Schießt doch endlich!

Brandenburgs Kiefernwälder brennen. Helfen würde der Waldumbau, doch der kommt nicht voran. Denn die Jäger verhindern ein modernes Jagdgesetz.

Ein Reh im Wald

Bambi frisst die Hälfte aller Jungtriebe von Laubbäumen Foto: Imago

Grunow taz | Voller Reportagen ist der Blätterwald derzeit über tapfere Feuerwehrleute, die in Brandenburg unermüdlich gegen die Flammen kämpfen. Gegenwärtig noch immer in Falkenberg im Landkreis Elbe-Elster. Auf 500 Hektar ging die Feuerwehr auch am Sonntag gegen Glutnester vor. Die so genannte „Großschadenslage“ bleibt bestehen. Damit ist es möglich, Einsatzkräfte aus anderen Gebieten um Unterstützung zu bitten. Zuvor brannte es in Beelitz, in Lieberose, in Treuenbrietzen.

Seit Beginn der Saison hat es in Brandenburg bereits 362 Waldbrände auf einer Fläche von 920 Hektar gegeben. Das sagte der stellvertretende Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Philipp Haase, am Donnerstag vor einer Woche der dpa. Damit hat sich die Zahl der Brände im Vergleich zum gesamten Vorjahr schon mehr als verdoppelt – 2021 waren es insgesamt 157. Ein Jahr zuvor sind 287 Brände registriert worden.

In Treuenbrietzen vernichtete der jüngste Waldbrand auch die Triebe der jungen Bäume, die dort seit dem Brand 2018 hochgekommen waren. Die Flächen gehören zum „Laborwald“, mit dem Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) herausfinden will, wie die Wälder der Zukunft aussehen sollen. Hitzeresistentere Wälder also, die auch nicht so schnell ein Raub der Flammen werden.

„Pyrophob“ heißt das Projekt, an dem auch die HNEE beteiligt ist, derzeit ist es in aller Munde. Denn Waldumbau ist das Gebot der Stunde. Anders als bei Kiefernforsten ist die Temperatur im Mischwald geringer, es ist feuchter, das Feuer kann sich nicht so schnell ausbreiten.

Die Rehe sind schuld

Warum aber spricht keiner über die natürlichen Feinde eines Mischwaldes? Warum zeigt keiner auf Rehe und Hirsche, die die Triebe der jungen Buchen und Eichen wegfressen und dem Waldumbau den Garaus machen? Auch „Bambi“ ist schuld, dass Brandenburgs „Wälder“ noch zu 70 Prozent aus Kiefern bestehen.

Denn nirgendwo in Deutschland werden so viele Jungtriebe weggeknabbert wie in Brandenburg. „Über fünfzig Prozent der gepflanzten Bäumchen werden verbissen, ungezählte werden komplett aufgefressen“, sagte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) im März und machte eine klare Ansage: „Die Wildbestände müssen angepasst werden, damit unsere Wälder eine Zukunft haben.“

Wer von Waldbränden und Waldumbau spricht, darf vom Jagdgesetz also nicht schweigen. Das weiß natürlich auch Axel Vogel, der im Frühjahr einen Entwurf zur Novelle des Landesjagdgesetzes vorgelegt hat. Sein Kern: Künftig sollen Waldeigentümer auch jagen dürfen, wenn ihre Flächen weniger als 150 Hektar groß sind.

Dass sich manche an dieser Stelle die Augen reiben, hat auch damit zu tun, dass die jagdlichen Gepflogenheiten hierzulande nicht gerne öffentlich thematisiert werden.

Axel Vogel hat es getan. Tatsächlich ist es Waldbesitzern, die weniger als 150 Hektar Fläche ihr eigen nennen, verboten, selbst auf Jagd zu gehen. Stattdessen müssen sie sich so genannten Jagdgenossenschaften anschließen, die das Jagdrecht anschließend verpachten. Diesen Jagdpächtern aber geht es meist nicht so sehr um den Wald und den Waldumbau, sondern vielmehr darum, möglichst viele Trophäen zu schießen. Eine deutliche Reduzierung des Wildtierbestandes würde dem entgegenstehen.

„Wald vor Wild“, lautet deshalb die Parole von Grünen, Umweltschützern, aber auch von Verbänden wie dem Ökologischen Jagdverein Berlin-Brandenburg.

„Wald vor Wild“ war auch der Gedanke der Gesetzesnovelle von Axel Vogel. Denn die bisherige Mindestfläche von 150 Hektar für die Eigenjagd schloss 99 Prozent der Waldbesitzerinnen aus. Eine Reduzierung auf zehn Hektar, wie sie der Entwurf vorgesehen hat, hätte immerhin sieben Prozent der Waldbesitzer erlaubt, selbst auf Pirsch zu gehen und die Waldverjüngung zu unterstützen.

Denn im Wald zählt jeder Schuss. Die Zeiten, in denen Waldumbauflächen eingezäunt wurden, um sie vor Verbiss zu schützen, sind vorbei. Zu teuer. Ohne Zäune aber funktioniert der Waldumbau nur, wenn die Wildbestände drastisch reduziert werden. „Wald vor Wild“ müsste deshalb präziser heißen: Je weniger Wild es gibt, desto mehr richtiger Wald kann wachsen, und der brennt dann auch nicht einfach so ab.

Entwurf zurückgezogen

Doch Axel Vogel hat die Rechnung ohne die Jäger und ihre Lobby gemacht. „Wildtierfeindlich“ sei der Entwurf des neuen Jagdgesetzes, kritisierten sechs Verbände im April und ein „grober Verstoß“ gegen das Tierschutzgesetz. So lautstark war der Protest, dem sich schließlich auch die CDU anschloss, dass Vogel seinen Gesetzentwurf im Mai zurückziehen musste. Auch im Brandenburger Kabinett, weiß man inzwischen, sitzen passionierte Jäger.

Nun soll ein neuer Entwurf nach der Sommerpause eingebracht werden, heißt es aus dem Umweltministerium. Eine Verringerung der Flächen für die Eigenjagd ist nach Informationen der taz nur noch bis 75 Hektar vorgesehen. Mehr Bejagung soll dennoch stattfinden, etwa, in dem Begehungsscheine für Waldbesitzer ausgegeben werden, die keinen Jagdgenossenschaften angehören.

Ob das reicht? Die Umweltschutzverbände werden damit nicht zufrieden sein. Sie hatten schon im März gefordert, „dass eine Bejagung von Eigentumsflächen ab einem Hektar möglich wird“.

Bleibt also alles beim Alten?

Vielleicht würde es der öffentlichen Debatte schon helfen, wenn die Verbissstatistiken künftig genauso viel Empörung auslösen würden wie die Waldbrände. Vielleicht wird der Blätterwald dann ja auch Reportagen beinhalten über tapfere Jäger, die den jungen Wald nicht vor den Flammen schützen, sondern vor Bambi und Co.

Denn nur schießen hilft. Sonst bleibt es in Brandenburg beim bisherigen Zustand „Wild vor Wald“. Das gefällt den Jagdpächtern und Trophäensammlern. Und es gefällt den Flammen.

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