piwik no script img

Regisseurin über Nahverkehr im Speckgürtel„Wer kein Auto hat, ist am Arsch“

Regisseurin Charlotte Pfeifer zeigt in ihrer Performance „Von A nach B“, was Leute beim Pendeln erleben – und überlegt, wie es besser laufen könnte.

Manchmal klappt das Pendeln, manchmal aber auch nicht: S-Bahn in Richtung Hamburger Speckgürtel Foto: dpa | Bodo Marks
Esther Geisslinger
Interview von Esther Geisslinger

taz: Warum ist es Kunst, von Hamburg-Altona nach Burg in Dithmarschen zu reisen, Frau Pfeifer?

Charlotte Pfeifer: Manchmal ist es ein Kunststück, rechtzeitig oder überhaupt anzukommen. Wobei die andere Richtung, von Burg nach Altona, fast noch schwieriger ist. Unsere Performance ist in der ersten Hälfte eine Art Reenactment dessen, was Leute beim Pendeln erleben. Insofern kann es sein, dass auf der Fahrt etwas passiert oder dass die Reisenden nicht rechtzeitig ankommen.

Sie bieten diese Tour „von A nach B“ an vier Terminen als Kunstevent an und versprechen eine „Mischung aus Abenteuertrip, Butterfahrt und Bildungsreise“. Worin besteht das Abenteuer?

Zu trinken gibt es etwas, aber zu kaufen leider nichts. Das Abenteuer besteht darin zu spüren, wie weit der Weg ist, wie schwer es ist, das Ziel zu erreichen. Gerade für die, die es täglich machen müssen. Die Teilnehmenden sitzen gemeinsam in der Bahn, im Auto …

… oder im Flugzeug. Im Ernst jetzt?

Bild: privat
Im Interview: Charlotte Pfeifer

1976 in Hamburg geboren, lebt heute in Dithmarschen. Als Regisseurin, Performerin, Produzentin und Autorin interessiert sie sich für die Erweiterung der Bühne in den öffentlichen Raum.

Ja, es gibt einen Platz in einem Kleinflugzeug. Es ist klar, dass das keine klimagerechte und zukunftsgewandte Fortbewegungsart ist. Trotzdem ist Fliegen ein alter Traum der Menschheit, und es ist schade, dass wir das mit unserem Gewissen immer schlechter vereinbaren können. Ich selbst fliege nicht, aber für dieses Projekt möchte ich es einer Person ermöglichen.

Was passiert den Menschen, die in Burg starten? Erleben die auch Abenteuer?

In Burg am Bahnhof steht ein Anhänger mit einer Modelllandschaft, auf der wir durchspielen, wie Leute auf dem Land von A nach B kommen. Wo sind Probleme, wo Potenziale? Wenn die Gruppe aus der Stadt eintrifft, werden wir die Ergebnisse präsentieren.

Die Performance

„Von A nach B“: 25. /26. März und 1./ 2. April; Start in Hamburg ist 16.30 Uhr am Bahnhof Altona, Start in Burg um 18 Uhr am Bahnhof. Tickets und Infos: http://charlottepfeifer.net

Und dann sprechen alle über Verkehrsmodelle der Zukunft – das klingt mehr nach Workshop als nach Samstagabend-Event.

Oh, es ist und bleibt Theater, eine interaktive Show. Wir haben keine Moral in der Hinterhand, sondern wir wollen gemeinsam nach vorn gucken. Es wird Spaß machen, auch weil ein tolles Team von Per­for­me­r*in­nen beteiligt ist, darunter ein Musiker. Also keine Sorge, es wird kein trockener Workshop!

Was für einen Effekt wünschen Sie sich?

Dass es einen konkreten Effekt gibt, ist etwas viel verlangt vom Theater. Theater kann zeigen, was uns bewegt, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber wir wollen am Ende ein Pamphlet verfassen und ans Verkehrsministerium schicken, um die Lage zu beschreiben. Mobilitätsarmut ist auf dem Land ein Fakt. Allein von einem Dorf zum anderen zu kommen, ist manchmal schwer. Wer kein Auto hat, ist am Arsch, also fahren alle Auto, ich auch. Die Verbindungen sind in den zehn Jahren, die ich hier lebe, schlechter geworden – früher gab es durchgehende Züge, heute muss man umsteigen, oft fallen Züge aus. Eine Idee wäre ein Bestellbus, aber für Änderungen braucht es einen langen Atem. Gerade hat ein Bürgerbus, den Ehrenamtliche organisiert haben, aufgegeben, weil die Nachfrage so gering war. Eine Revolution, eine Wende anzuzetteln, wäre toll, aber ich weiß selbst gar nicht genau, wohin. Darum bin ich so gespannt, was wir gemeinsam entwickeln.

Wie kommen die Ham­bur­ge­r*in­nen zurück in die Stadt?

Die Show endet mit der Rückfahrt, die Tickets sind inbegriffen – wer in Burg dazustößt, zahlt übrigens nichts. Für die Ham­bur­ge­r*in­nen geht es gemeinsam per Zug zurück. Wir hoffen, dass er fährt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Lebe seit 44 Jahren auf dem Land und hab bisher alles ohne eigenes Auto hinbekommen.

    Dafür hab ich nen Fuhrpark mit:

    - Fahrrad - jeder Wocheneinkauf geht damit



    - Lastenrad - falls es mehr sein muss



    -------



    Alternativ geht auch alles andere mit:

    - Fahrgemeinschaft Freunde + Familie



    - zur Not mal Taxi oder Großraum Taxi

    Also die Menschen die hier rum jammern sowas geht bei mir überhaupt nicht, ohne Auto - doch es geht! Man muss es nur wollen. Aber wenn's ein bisschen mit körperlicher Betätigung zu tun hat bzw. man umdenken müsste - oh Gott oh Gott 😆

    • @Die.Alten:

      "Alternativ geht auch alles andere mit:

      - Fahrgemeinschaft Freunde + Familie

      - zur Not mal Taxi oder Großraum Taxi"

      Damit belegen Sie doch eigentlich, dass es nicht ohne Auto geht.

      "Ohne Auto" heißt ja nicht, dass man andere für sich fahren lässt.

    • @Die.Alten:

      Der Dreck der anderen



      Bernd lebt jetzt zunehmend isolierter im Kiez: lange Zeit hat er mit seinem Fahrrad für 4500,-€ angegeben und wie umweltbewusst er sei, doch unverdrossen hat auch er sich durch die Mitfahrgelegenheiten in der Nachbarschaft gebettelt, vorzugsweise wegen IKEA um Abholung mit dem VW-Bus, wegen schlechten Wetters oder großer Eile. Nur eine Beteiligung an den Kosten der anderen hat er konsequent abgelehnt, weil „die Autos sind ja eh da…“



      In seinen allein bewohnten drei Zimmern wollte er dann partout keine Mutter/Kind-Flüchtlinge aufnehmen, obwohl die Wohnung tagsüber eh da ist; seitdem ist es sehr still geworden um seine Umwelt-Genialität und sein „nachhaltiges Schnorren“ … man kann doch nicht stolz sein auf den Dreck der anderen und das Geld, dass andere für mein gutes Gewissen zahlen…

      • @Allesheuchler:

        Irgendwelche Szenarien erfinden ist keine Argumentation.

        • @Andreas J:

          In echt: „Bernd“ lebt in Berlin, schicker Altbau, Psychologe, hohes Einkommen, weitgereist, wählt grün, kann aber auch Kumpel…

          • @Allesheuchler:

            Selbst wenn es ihn geben würde sind die Handlungen einer einzelnen Person kein Argument gegen ein Leben ohne eigenen PKW. Sie unterstellen mit ihrem Beispiel, dass Menschen ohne PKW selbstsüchtige und ignorante Schnorrer sind um das eigene Handeln zu zu rechtfertigen indem sie andere Abwerten. Es ist offensichtlich das einen PKW haben und sich angegriffen fühlen. Ich lebe seit 38Jahren ohne und vermisse nichts.

          • @Allesheuchler:

            >Hohes Einkommen

            FILTERED. Je höher ein Einkommen ist, desto größer der ökologische Fußabdruck. Und desto größer das Geld, was er Armen wegnimmt. Typischer Fall von einem gegreenwashten Menschen. Kein Argument also.

  • Natürlich, ein Kunstprojekt. Hamburg als Metropole ist klar, dann wahrscheinlich einen Ort ausgesucht, der möglichst schwierig mit ÖPNV zu erreichen ist, und man hat eine Verbindung von A nach B. So ausgewählt, dass damit der Eindruck entsteht, das klimaschädliche Auto oder gar das Flugzeug ist unabdingbar. Man hätte auch ne einsame Alpe im Steinernen Meer als Referenzpunkt nehmen können.

    Ich gehe mal davon aus, dass nur wenige zehntausend Einwohner in ganz Deutschland einen so miserablen ÖPNV haben. Dann kann ja die Methode gelten, die man bei Klimaschützern auch gerne macht: Wegen einer Minderheit soll man keine Rücksicht nehmen. Oder in so einem Fall die hoffentlich baldige Abschaffung des Autos. Dann auch Städte wie Itzehoe oder noch besser Brunsbüttel so umgestalten, dass Arbeiter nicht mehr nach Hamburg müssen zum Arbeiten, sondern ins nähere Umland.

    Doch auf der anderen Seite sehe ich bei Burg kein Problem, nach HH zu gelangen. Ja, Umsteigen ist doof. Doch ein Bahnhof existiert und die umliegenden Dörfer sind gut mit dem Fahrrad zu erreichen - in einem relativ flachen Landstrich. Ich weiß, flaches Land und Pedalkraft erfordert menschliche Anstrengung. Niemand will mehr fit im hohen Alter sein.

  • Da können die Grünen Purzelbäume schlagen und die LG sich festkleben, so oft sie wollen, so lange ich keinen brauchbaren ÖPNV hier im Ort habe, nehme ich das Auto, Basta. Wo ich es konditionell noch kann, auch gerne mal das E-Bike, ist aber hier im Gebirge nur was für gut Konditionierte und im Winter unmöglich.

    • @Rudi Hamm:

      Oder für Leute die sich die Mühe gemacht haben, einen gefragten Beruf zu erlernen und sich somit eine wohnungsnahe Arbeit suchen können... hehe hier im Mittelgebirgsvorland wöllte ich auch keine 10km auf Arbeit radeln. Aber 1,7km ist ok, sogar im fiesesten Winter.

      Bilde sich wer kann in Elektrotechnik ist mein Tipp, es ist keine Wissenschaft die Grundlagen zu kapieren und man findet überall eine Arbeit in dieser Richtung heutzutage!



      Selbst als Monteur mit minimalen Fachkenntnissen kann man sich die Stelle quasi heraussuchen aus hunderten Stellenanzeigen und verdient nicht unter 1700€ netto, meistenorts eher mehr. Und die Firma bringt einen zur Baustelle.

      Den ganzen Mist, die neuen Leitungen und Kabel, die zeitgemäße Sensorik und Steuerung, das muss auch irgendjemand zusammenbasteln, und das macht - anders als beim Entwickeln der Schaltpläne vielleicht - auch in 10 Jahren noch keine KI.

    • @Rudi Hamm:

      Gute Kondition fürs E-Bike?

      • @Andreas J:

        Ja, auch ein E-Bike fährt nicht von alleine 17% Steigung hinauf. Nicht jeder ist noch 30 und gut durch trainiert.