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Regierungskrise in GroßbritannienJohnson bleibt vorerst Premier

Premierminister Boris Johnson tritt als Vorsitzender der Konservativen zurück. Das Amt des Premierministers will er bis zum Herbst behalten.

Großbritanniens Regierungschef Boris Johnson hat sich am Mittag geäußert Foto: Phil Noble/reuters

London taz | Boris Johnson, der angeschlagene britische Premierminister, gibt auf: Nachdem über 40 Politiker zurückgetreten waren, darunter auch Nordirland-Minister Brandon Lewis, zieht er die Reißleine und tritt als Partei-Chef zurück. Als Regierungschef will er im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gewählt ist, ein neues Kabinett hat er bereits ernannt. Das sagte Johnson am Donnerstag in einer Fernsehansprache.

Bei einem Auftritt vor dem Exekutivausschuss, dem Liaison Comittee, in dem die Vorsitzenden aller Ausschüsse des Unterhauses Boris Johnson befragten, warnte er am Mittwochnachmittag noch vor dem Chaos eines Führungswechsels in Krisenzeiten.

Johnsons Auftreten im Exekutivausschuss ging noch in eine ganz andere Richtung: Gegen Vorwürfe und Überlegungen, ob und wann er zurücktreten könne oder würde, verteidigte er sich hartnäckig. Es gehe ihm darum, sein Mandat von 14 Millionen Wäh­le­r:in­nen zu erfüllen.

Gleichzeitig verfälschte Johnson wiederholt klare Fakten. So weigerte er sich, im Komitee zuzugeben, dass der Berater für ministeriales Verhalten, Lord Geidt, vor wenigen Wochen zurückgetreten sei, weil ihm Johnson nicht die Wahrheit über Partygate gesagt habe.

Auslöser der Krise

Johnson schob Probleme wie jene mit dem Tory-Abgeordneten Chris Pincher, der wegen sexueller Belästigung von Männern aus der Fraktion ausgeschlossen worden und zum Auslöser der jüngsten Krise geworden war, auf die Trinkkultur einiger Abgeordneter.

Das führte zu einer sofortigen Reaktion der konservativen Abgeordneten Caroline Nokes. Sie machte Johnson klar, dass diese Ansicht das Bild verzerre. Das eigentliche Problem sei die Toleranz gegenüber sexuellen Triebtätern im Parlament.

Die Labour-Abgeordnete und Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Meg Hellier, rechnete dem Premier vor, dass er zum damaligen Zeitpunkt bereits mit 32 Rücktritten konfrontiert gewesen sei. Sie fragte ihn außerdem, ob er diese Zahl bereits zu den 148 Angeordneten addiert habe, die ihn bei einem Misstrauensvotum vor einem Monat loswerden wollten.

Ein andererer Labour-Abgeordneter, Darren Jones, fragte Johnson, ob ihn Michael Gove, Kabinettsmitglied und Minister für den Aufbau des Nordens, aufgefordert hätte, zurückzutreten. Johnson wollte dazu keine Angaben machen. Bernard Jenkins, der den Exekutivausschuss leitet und schon länger ein Gegner Johnsons ist, stellte dem direkt danach eine unangenehme Frage: Was denn wäre, wenn die Mehrheit der Fraktion ihn nicht mehr unterstütze?

Dabei forderte er Johnson auf, klarzustellen, ob er in diesem Fall Neuwahlen ausrufen würde oder nicht. Johnsons Antwort:.„Eine Regierung mit einem so großen Rückhalt bei den Wäh­le­r:in­nen muss in Ruhe gelassen werden“. Und „Nein, Neuwahlen sind das letzte, was das Land braucht.“

Doch keine Gnadenfrist für Johnson

Unterdessen brachten sich parallel zu der Anhörung verschiedene Gruppen von konservativen Abgeordneten in Stellung. Britische Medien berichteten, dass Kabinettsmitglieder, darunter Aufbauminister Michael Gove, Innenministerin Priti Patel und Verkehrsminister Grant Shapps, ja selbst Johnsons neuer Finanzminister Nadhim Zadahwi dem Premier angeblich einen ehrenhaften Rücktritt empfohlen hätten.

Am Abend empfing Johnson dann einzelne Minister in der 10 Downing Street, die Zahl der Rücktritte seiner Regierung war da auf 45 angestiegen.

Je später es am Mittwoch wurde, umso klarer schien es, dass Johnson weiterkämpfen würde. Kulturministerin Nadine Dorries und Brexit-Minister Jacob Rees-Mogg gaben sogar an, Johnson weiter zu 100 Prozent zu unterstützen.

Laut der konservativen Zeitung Daily Telegraph stehen nur noch 65 der 360 konservativen Abgeordneten hinter Johnson. Das erschwert nicht nur das Regieren, sondern auch Neubesetzungen der vakanten Posten. Dass Johnson nun zurücktritt, wird also wohl bei vielen für Freude statt Trauer sorgen.

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7 Kommentare

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  • Johnson tritt zurück und dann tritt er zurück, aber auch nur, wenn jemand ihn ersetzt.



    Er dankt dann konservativen Wählern, vor allem den Erst- und Neuwählern.



    Wenn Byzanz einen politischen Stil wirklich hatte, Johnson bringt es perfekt rüber.



    Es ging dann nicht mehr um Verantwortung, etwas das man naturgemäß einem Regierungschef unterstellen würde.



    Die Erklärung ist wohl, dass diese Leute einfach verantwortungslos sind.



    Und so treten sie dann auch zurück, erst mal nicht, alles weitere wird bei einer wilden, illegalgen Gartenparty besprochen

  • Na endlich. Der Typ ist klebrig und ekelig wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle.

  • Dann lag ich gestern falsch... Ich hatte gedacht, der sitzt das aus.

  • Zeigt von ganz Westeuropa die klarste Kante und sowas wie Führung im laufenden Krieg, und die Seinen sägen ihn ab ; denen scheint Europa wirklich am Arsch vorbei zu gehen - anders als ihm. "Nebel überm Kanal: Europa abgeschnitten."



    www.hessenschau.de...mann-100~_p-1.html

  • "Britische Medien berichteten, dass Kabinettsmitglieder [...] dem Premier angeblich einen ehrenhaften Rücktritt empfohlen hätten."



    Ehrenhafter Rücktritt - da ist er, der sagenhafte britische Humor...!

  • Ich traue dem Kerl ja keinen Meter über den Weg.



    Seine Ankündigung, vom Parteivorsitz zurückzutreten, das Amt des Premiers aber bis zum Herbst fortführen zu wollen, sollten ihm die Tories nicht durchgehen lassen … bis dahin fallen diesem ausgebufften Machtpolitiker bestimmt noch einige Finten ein, mit denen er sich an der Macht klammern kann, und sei es, der Krieg in der Ukraine nimmt eine für die Ukrainer günstige Wende und er kann sich als unverbrüchlicher Verbündeter der Ukraine und damit Verteidiger demokratischer Werte in Europa feiern lassen.



    Seine ganzen innenpolitischen Skandale sind dann vergessen und im Ansatz ist diese Strategie ja schon jetzt erkennbar. In Sachen Machterhalt ist er Donald Trump ja nicht ganz unähnlich … und ich kann mit vorstellen, dass es das noch nicht gewesen ist, was wir aktuell an politischer “Götterdämmerung” in GB erleben.

    • @Abdurchdiemitte:

      Sehe ich auch so - der droht mit einer neuen Johnson- Partei , wenn er nicht ewig bleibt , das würde Labour nutzen oder der setzt irgendwo auf Eskalation ( Dominic Cummings sagt ja zu Recht , der plane ein 'Blutbad') Sein Eherenwort gehört nur auf jedes Kopapier.)