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Regierungserklärung zur CoronakriseDas Ende des Ausnahmezustands

Angela Merkel warnt vor „zu forschen Öffnungen“ des sozialen Lebens. FDP und AfD blamieren sich. Und Dietmar Bartsch hält eine kluge Rede.

„Heute endet der Konsens mit der Regierung“: Christian Lindner (FDP) am Donnerstag im Bundestag Foto: Christian Spicker/imago

Berlin taz | In der Krise verlagert sich alles Richtung Staat und Regierung. De facto geben Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder die Richtung in der Coronapandemie vor. Der Bundestag arbeitete zwar weiter, doch die Debatten dort waren verantwortungsethisch herunter gepegelt. Und die Opposition winkte die Sofortmaßnahmen der Regierung durch.

Seit Mittwoch vormittag scheint dieser demokratische Ausnahmezustand vorbei zu sein. Polemik, scharfe Debatten, laute Zwischenrufen. Es ist, sieht man vom Sicherheitsabstand und den locker besetzten Fraktionsreihen ab, fast wie immer.

Angela Merkel lobt in ihrer Regierungserklärung die Disziplin der Bevölkerung und warnt vor der Illusion, dass das Schlimmste schon vorbei sei. Man gehe „auf dünnstem Eis“. Ihre Kernbotschaft lautet: Manche Bundesländer öffnen Geschäfte und Schulen „zu forsch“. Von der extrem vorsichtigen KanzlerInnen-Sprache in Normaldeutsch übersetzt heißt das: die Öffnungen seien total irre. Dieses Geschoss landet direkt im Vorgarten von NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, CDU.

Dass sich der Bundestag wieder Richtung Normalzustand bewegt, zeigt auch die AfD. Alexander Gauland setzt Merkels Strategie mit dem autoritären Krisenmanagement in Ungarn gleich (wobei Orban doch eigentlich ein Held der AfD ist). „Der Staat ist bei der Bekämpfung der Pandemie weitgehend überflüssig,“ so Gauland, eine Volte von Trumpschen Format. AfD-Mann Münzenmaier vergleicht die Kanzlerin mit Ludwig dem XIV und ruft: „Geben Sie den Menschen die Freiheit wieder“. Die Umfragewerte der Rechtspopulisten sind im freien Fall. Panikgetrieben greifen sie auf das bekannte Stereotyp nach dem Flüchtlingsherbst zurück: Merkel als Diktatorin, die das Volk unterdrückt.

Dreht Lindner durch?

Das verfängt nicht, jedenfalls nicht bei halbwegs Vernünftigen. Dazu zählt FDP-Fraktionschef Christian Lindner am Mittwoch eher nicht. Er hält eine rhetorisch glänzende und moralisch fragwürdige Rede. „Heute endet der Konsens mit der Regierung“, so Lindner. Damit sei auch die Zeit vorbei, als Merkel alle, die schnell Restaurants, Firmen und Geschäfte öffnen wollen als „fahrlässig denunzieren“ konnte.

Lindner zeigt wie Populismus in den Zeiten von Corona funktioniert. Man zitiere einen Pandemie-Experten, der irgendwann etwas anders als die Regierung gesehen hat, unterstelle Merkel nebelig autoritäre Muster und suggeriere, dass die Regierung, die willkürlich „Gaststätten diskriminiert“ (Lindner) viel schneller zur Normalität zurückkehren könne. Damit rückt der FDP-Chef dicht an die AfD. Grüne-Fraktionschef Toni Hofreiter bemerkt dazu knapp und treffend, dass die FDP Freiheit nur als Freiheit des Stärkeren verstehe.

Die Linkspartei wirkt verglichen mit der Lindners Rabulistik, reif und ausgeruht. Fraktionschef Dietmar Bartsch macht sich als erstes geschickt zwei SPD Forderungen zu eigen: Er kritisiert, dass die Union die Grundrente, Lieblingsprojekt der SPD, einfach von der Tagesordnung des Bundestages verbannte. Und wirbt, wie die SPD, dafür dass Konzerne, die später Staatshilfen bekommen wollen jetzt keine Dividenden auszahlen dürfen. Es ist geschickter die Differenzen zwischen SPD und Union zu betonen als – wie es die Linkspartei allzu oft tut – bloß Breitseiten abzufeuern.

Bartsch lobt nebenbei auch Merkels Kritik, an den „forschen“ Öffnungen. Die Kanzlerin solle dies mal „den verhaltensauffälligen Ministerpräsidenten Söder und Laschet“ unter die Nase reiben. Da muss sogar Merkel lächeln. Als die Kanzlerin in ihrer Rede die WHO, Trumps Lieblingsfeind, unverzichtbar nennt, applaudiert auch die Linksfraktion.

Die FDP bläst zum Kreuzzug gegen Merkel, die Linkspartei gibt die kritische, aber vernünftige Opposition. Ein erstaunliches Bild. Ganz so wie früher ist der Bundestag nicht.

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15 Kommentare

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  • Fehler kann nur der machen, der was tut !



    Wenn es wirklich zu einer zweiten Welle kommt, dann sind die Politiker und auch Journalisten, die Merkel jetzt wegen der Einschränkungen angreifen, die ersten die dann wissen, das die Lockerungen ein Fehler wahren.



    Wo sind die Geistigen Führer ( Entschuldigung für dieses Wort ) von AFD und Grünen jetzt, die sonst für alle Probleme die Lösung haben ?

    • @Günter Witte:

      "Die Lösung" finden sie nur bei den Populisten. Also bei Links- oder Rechtspopulisten.

  • ich verstehe den Sinn des Lockdown nicht, es gibt genug HInweise dass die Pandemie bereits am Abflauen ist. Die Reproduktionsrate war schon VOR dem Beginn des Lockdown am abklingen (siehe RKI Daten) . Bitte kann mir das jemand mal erklären

    • @Maika L:

      Gibt es mehrere RKI's?

      Das RKI, das die Regierung berät, hat andere Daten.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nein, es gibt nur ein RKI: Nehmen Sie den Link, öffnen Sie das Bulletin Nr 17 . Auf der Seite 17 finden Sie die Schätzungrn der Reproduktionszahl vom RKI: Am 23.3 wurden die Kontaktverbote eingeführt. Zuvor kann man an der Kurve deutlich einen Abstieg der Reproduktionszahl erkennen. Beim Beginn des Lockdown lag diese unter 1.

        Hier der der Link: www.rki.de/DE/Cont...020/17/Art_02.html

  • Das Abdrifften der FDP in eine reine wirtschaftliberale Partei scheint kein Ende zu nehmen. Dass es auch mal eine Partei der Bürgerrechte war und zwar im guten Sinne, geht inzwischen völlig unter. Bürgerrechte definieren sich jetzt nur noch über wirtschaftliche Freiheit. Das es in Zeiten einer Pandemie auch Rechte der Bürger auf Unversehrtheit gibt und diese nicht nur im Rahmen einer verordneten Quarantäne gelten, dass das Gut des Leben und der Gesundheit nicht unterhalb der Wirtschaftlichkeit rangiert, das scheint nicht angekommen zu sein. Gesellschaftliche Solidarität und faire Verteilung des Verbliebenen zur Wahrung der Freiheit aller scheint ein fremder Gedanke. Jetzt könnte man mal Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, die Werte der Aufklärung, sinnvoll zuordnen. Freiheit des Geistes und des Wortes, Brüderlichkeit im Wirtschaften und Gleichheit vor dem Recht.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Stefan Muck:

      Es wird Zeit für den einzig vernünftigen FDP ler, Gerhard Baum endlich aus dieser Partei auszutreten. Viel Zeit ist vielleicht nicht mehr.

  • Was ist erstaunlich daran, daß die Linke die "vernünftige" Opposition ist? Mich wundert's nicht.

    • @S.R.:

      Linke finden mit der SPD auch in der Regierung. Schade nur das die Grünen als Linke nicht auch maßgeblich mitwirken können.

  • Denke die FDP leidet derzeit an ihrer "Nutzlosigkeit".



    Nicht unschuldig an ihrer jetzigen Rolle ( lieber nicht regieren als falsch regieren), scheint ihre Nichtkompetenz gerade nicht gefragt. Und das kann frustieren.

    Vielleicht schwant inzwischen auch dem einen oder anderen FDP Wähler, dass der allzeit propagierte freie Markt zumindest in Kriesenzeiten nicht das gelbe vom Ei ist. Vermutlich sind viele von ihnen inzwischen unter den statlichen Rettungsschirm geschlüpft. Ohne diesen sähe es jetzt möglicher Weise bitter aus.

  • Ein guter Kommentar. Und eine gute Botschaft, dass die AfD hoffentlich weiter abschmiert.



    Und die Grünen? Staatstragend wie immer?

    • @Rolf B.:

      Was ist gegen "staatstragend" einzuwendenden? Wollen Sie das der Staat abschmiert und alles zusammen bricht?

  • Ein schöner Kommentar. Hat mir ein Schmunzeln gezaubert.

  • Danke für die Formulierung, ich musste mal wieder herzlich lachen:

    Von der extrem vorsichtigen KanzlerInnen-Sprache in Normaldeutsch übersetzt heißt das: die Öffnungen seien total irre.

  • Lindner? Der ist ein Werbe-Artefakt. Wenn die Klickzahlen runter gehen, dann dreht er hohl.