Regierungserklärung von Kanzler Scholz: Marshallplan für die Ukraine
Bundeskanzler Olaf Scholz fordert einen Plan für den Wiederaufbau der Ukraine. Auch will er das Land und einige Balkanstaaten in die EU aufnehmen.
Mit einem Marshallplan hatten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland und weiteren Ländern Westeuropas wirtschaftlich wieder auf die Beine geholfen. Der Besuch im kriegszerstörten Irpin und in Kiew in der vergangenen Woche hatte Scholz sichtlich beeindruckt. Er kündigte an, dass Deutschland die Ukraine weiterhin massiv unterstützen werde, auch mit Waffen. Die versprochenen Panzerhaubitzen seien inzwischen in der Ukraine, die Ausbildung am Gepard laufe. Ziel sei es, Putin zu stoppen.
Die Regierungserklärung, die traditionell vor den Treffen der EU-Staatschef:innen erfolgt, war diesmal Auftakt zu einem regelrechten Gipfelmarathon. Am Donnerstag und Freitag tagt der EU-Rat in Brüssel, am Wochenende fliegt Scholz nach Elmau, wo er Gastgeber des G7-Treffens, der wirtschaftsstärksten Demokratien ist, und in der Woche darauf reist er zum Nato-Gipfel nach Madrid. Drei Treffen, deren Ergebnisse „auf lange Zeit die politische Ordnung auf unserem Kontinent und damit das Leben der Menschen in Europa bestimmen werden“, wie CDU-Chef Merz zutreffend analysierte.
Scholz erklärte, dass Deutschland bei diesen Weichenstellungen eine zentrale Rolle spielen und dass man sich dieser Verantwortung stellen werde. Einen Tag zuvor hatte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil von „Führungsmacht“ gesprochen. Den Begriff nahm Scholz nicht in den Mund, doch es war, als hätte die Rede Klingbeils bei ihm einen Schalter umgelegt. Mit ungewöhnlich klaren Ansagen und fester Stimme trat Scholz am Mittwoch auf, wie man es von einem Leader eben erwartet.
So bekräftigte Scholz erneut, dass er sich mit Nachdruck dafür einsetzen werde, dass die Ukraine und Moldau in den Kreis der EU-Beitrittskandidat:innen aufgenommen würden. Sein Ziel sei: „27 mal Ja“. Um neue Kandidat:innen aufzunehmen, müssen alle EU-Mitglieder einverstanden sein. Deutschlands Votum im Vorfeld ist ein mächtiger Wink, für die übrigen Mitglieder, dem Beispiel zu folgen. Der Kanzler machte sich aber auch dafür stark, die Länder des Westbalkans, die zum Teil seit 17 Jahren im Kandidatenstatus hängen, endlich in die EU zu holen. „Wir wollen und brauchen den Westbalkan in der EU.“ Ein stabiler Balkan liege im europäischen Interesse.
Den östlichen Nato-Partnern versicherte Scholz, dass sie sich auf Deutschland verlassen könnten. Auf dem Nato-Gipfel soll ein neues strategisches Konzept beschlossen werden. Diesmal eines ohne Partnerschaft mit Russland.
Oppositionschef Merz hatte wenig zu meckern. Scholz war – endlich – in die Ukraine gereist, Waffen werden geliefert – wie von der Union gefordert. „Aber wo ist eigentlich ihr Parteichef“, fragte Merz mit scharfem Blick in den Saal. Klingbeil war abwesend. Da muss Scholz wohl ein wenig mehr Führung zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles