Regierungsbefragung zur Coronakrise: Der geschmeidige Herr Spahn
Im Bundestag rechtfertigt der Gesundheitsminister seine Impf- und Teststrategie. Dabei profitiert er von einer orientierungslosen Opposition.
Das mag in eigener Sache gemeint sein. Spahn hatte kühn für alle verfügbare Coronaschnelltests schon ab dem nächsten Montag verkündet, und musste das wieder zurücknehmen.
Sogar SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, sonst eher vornehm zurückhaltend bei Attacken, nannte Spahn nun einen „Ankündigungsminister“, SPD-Mann Carsten Schneider vermisst „Ernsthaftigkeit und Professionalität“. Das ist unter Koalitionspartnern nahe an der rhetorischen Höchstgrenze.
Dafür läuft die Fragestunde am Mittwoch recht glimpflich ab. Das liegt zum einen am Format selbst: Die Fragen haben keinen Fokus. Die AfD will die Impfpflicht gebannt wissen, ein FDP-Abgeordneter berichtet von skandalösen Zuständen in seinem Wahlkreis. Eine SPD-Abgeordnete will wissen, ab wann in Arztpraxen geimpft wird. Eine Grüne macht den Vorschlag, vor der „Tagesschau“ nicht über die Börse, sondern die Gesundheitslage zu informieren. Eine Idee, die der Gesundheitsminister naheliegenderweise gut findet.
Empfohlener externer Inhalt
Diffuse Fragen
Bei konkreten Fragen verweist Spahn gern auf die Bundesländer. Die Frage, warum Friseure, aber nicht der Einzelhandel mit Terminvereinbarungen öffnen darf, findet der Minister völlig nachvollziehbar, aber eben Ländersache. Er wirkt geschmeidig. Die Fragen sind diffus. Das Scherbengericht bleibt aus.
Zum anderen hat Spahn ja Erfreuliches zu erläutern. Einige Stunden zuvor sind drei Coronaselbsttests vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für marktreif erklärt worden. Daraus ergebe sich die Aussicht, bald schon „ein Stück mehr Freiheit, aber auch mehr Sicherheit“ (Spahn) zu gewinnen.
Allerdings, so der Minister, seien die Selbsttests nicht sofort verfügbar. Er beugt sich dabei leicht nach vorn, um dem Satz Nachdruck zu verleihen. Bloß nicht schon wieder haltlose Ankündigungen machen, die nicht eingehalten werden.
Am ehesten treibt die Linkspartei den Gesundheitsminister in die Ecke und zwingt ihn zur Deutlichkeit. Warum weigere sich die Bundesregierung zusammen mit der EU und den USA, die Patente für Corona-Impfstoffe für den globalen Süden freizugeben? Das sei kurzsichtig – und eine Pandemie nur global bekämpfbar, so das Argument des Linke-Gesundheitsexperten Achim Kessler.
„Ich bin da bei Ihnen“, sagt Spahn recht generös, die Regierung kümmere sich auch um Kooperation. Nur „Zwangslizenzen“ und mehr Staat lehne man ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen