Reform des Straßenverkehrsgesetzes: Zum Jubeln zu früh
Die Regierung hat den Weg freigemacht für mehr Klimaschutz in der Verkehrsplanung. Ob sich dadurch etwas ändert, hängt von der Reform der StVO ab.
![Ein mit gelben Markierungen durchgestrichenes Radwege-SYmbol Ein mit gelben Markierungen durchgestrichenes Radwege-SYmbol](https://taz.de/picture/6345975/14/Verkehrsplanung-Kommunen-1.jpeg)
D as wurde auch Zeit: Die Ampelregierung hat mit der Änderung des Straßenverkehrsgesetzes den Weg frei gemacht für eine Modernisierung der Verkehrsplanung in den Kommunen. Denn mit der Novellierung verändert die Bundesregierung den Rechtsrahmen für die Verkehrspolitik in entscheidender Weise. Konkret: In Zukunft schreibt das Gesetz nicht mehr den ungestörten Autoverkehr als Nonplusultra vor, sondern stellt weitere Punkte gleichberechtigt daneben: Klimaschutz, Umweltschutz, Gesundheit und die städtebauliche Entwicklung. Umwelt-, Verkehrs- und Kommunalverbände fordern diese Abänderung schon lange. Mit den CSU-Verkehrsministern war das nicht zu machen.
Ob mit der Novellierung die Abkehr vom Vorrang des Autos verbunden ist, muss sich zeigen. Das hängt davon ab, wie Bund und Länder die Straßenverkehrsordnung (StVO) ändern. Denn deren Regelwerk ist dafür verantwortlich, dass das Auto bislang bei der Verkehrsplanung sakrosankt war. Mit fatalen Folgen: Bisher ist es für Städte und Gemeinden sehr schwierig, Tempo 30 für den Autoverkehr, Zebrastreifen, Radspuren oder verkehrsberuhigte Zonen einzurichten. Wollen sie Parkgebühren erheben, müssen sie Straßenzug für Straßenzug nachweisen, dass das wirklich nötig ist. Ansonsten drohen Klagen und schlimmstenfalls das Abschrauben der Schilder oder der Abbau von Radwegen. Kommunen können auch keine neuen Konzepte ausprobieren: etwa Parkgebühren sozial staffeln oder Car-Sharing-Fahrzeugen Vorrang einräumen, damit der Anreiz steigt, das eigene Auto abzuschaffen.
Sie öffnet Möglichkeitsfenster
Sie werden das nur können, wenn die Reform der StVO entsprechend ausgeht. Dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing hier keinen großen Wurf vorgelegt hat, überrascht nicht – schließlich ist er ein Fürsprecher des Autos. Es kommt jetzt auf die Beharrlichkeit und das Verhandlungsgeschick derjenigen an, die echte Handlungsspielräume für die Kommunen wollen. Sie müssen dafür sorgen, dass die StVO entrümpelt wird. Leicht wird das nicht.
Zum Jubeln ist es also etwas zu früh. Aber die Novellierung insgesamt abzuqualifizieren, weil sie noch keine Absage an den Autoverkehr ist, wie es etwa die Deutsche Umwelthilfe macht, trifft die Sache ebenfalls nicht. Denn die Gesetzesänderung öffnet Möglichkeitsfenster, sie ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Viele Bürger:innen und Kommunalpolitiker:innen warten darauf, dass die Modernisierung des Verkehrs endlich beginnen kann. Die Initiative von mehr als 750 Kommunen mit Bürgermeister:innen aller politischer Richtungen für Tempo 30 zeigt, dass die Abkehr vom Pkw-Primat keine Marotte großstädtischer Fantast:innen ist – auch wenn autophile Kulturkämpfer:innen das gerne so darstellen.
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