piwik no script img

Reform der Öffentlich-RechtlichenBeschlossen, nichts zu beschließen

Die Län­der­che­f*in­nen einigen sich auf eine Zukunft der gebührenfinanzierten Sendeanstalten. Aber nur, weil wichtige Entscheidungen vertagt wurden.

Alexander Schweizer (l.) verkündet mit seinen Kollegen Kretschmer und Weil, dass die wichtigen Entscheidungen vertagt wurden Foto: Sebastian Willnow/dpa

Am Abend zuvor wollte niemand bei den Münchner Medientagen wetten, ob am nächsten Morgen in Leipzig die Län­der­che­f*in­nen sich noch zu einem Reformpaket für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusammenraufen würden. Doch mit rund einstündiger Verspätung präsentierte dann ein etwas müde wirkender Alexander Schweitzer den Kompromiss.

Der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. Und der Kompromiss hatte auch viel damit zu tun, dass die Damen und Herrn Länderchef einfach den ganz großen Zankapfel vertagt haben: Über den Beitrag, ob er steigt und wie er künftig festgelegt wird, soll erst die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen­kon­fe­renz im Dezember entscheiden.

Beschlossen ist nun erst einmal dies: Mehrere Spartenkanäle von ARD und ZDF sollen wegfallen, „wir haben aber nicht die Fusion von 3sat und Arte beschlossen“, sagte Schweitzer. Arte soll sich aber perspektivisch von einem deutsch-französischen Kulturkanal zu einer europäischen Kulturplattform mausern. Und in der könnten „perspektivisch auch 3sat-Inhalte stattfinden“, sagte Schweitzer.

Bei den Angeboten für Menschen unter 50 bleiben der Kinderkanal (KiKA) und funk, wie sie sind. Doch wie schon länger bekannt sollen sich ZDFneo und der ARD-Kanal One „Gedanken über eine Zusammenarbeit“ machen. Was dabei herauskommen soll machte Schweitzer auch gleich mit der Anmerkung deutlich, er gehe von einer Lösung aus, mit der er auch aus rheinland-pfälzischer Sicht gut leben könne.

Das ZDF sitzt in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, Neo beim WDR in Köln. Bei den diversen Kanälen im Bereich Nachrichten, Bildung und Information müssen ARD und ZDF auf zwei Angebote abspecken. Dass das in Po­li­ti­ke­r*in­nen­krei­sen höchst beliebte Phoenix eines der beiden sein dürfte, gilt als ausgemacht.

Für die 17 ARD-Hörfunkprogramme, die wegfallen sollen, galt auch bei der Pressekonferenz am Freitag das übliche Radioschicksal. Sie waren nicht wirklich Thema. Zugelangt haben die Länder aber auch bei den Sportrechten: Die Höhe der Ausgaben für Sport wollen die Länder auf fünf Prozent der Gesamtausgaben von ARD und ZDF begrenzen.

Hier besteht noch Ungewissheit, ob damit wirklich die Gesamtausgaben oder die Aufwendungen fürs Programm gemeint sind. Eine kleine Kehrtwende gab es beim beliebten Streitpunkt wer darf was im Internet.

Bei der „Presseähnlichkeit“, die für öffentlich-rechtliche Textangeboten im Netz grundsätzlich ja tabu sein soll, ist nicht länger genauso unbestimmt und rechtlich schwer zu fassen „Sendungsbezug“ die Rede. Nun gibt es eine zwölf Punkte umfassende Positivliste, die die Anstalten aber auch nicht wirklich glücklich machen dürfte. Zulässig sind demnach unter anderem Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen inklusive laufender Berichterstattung, Faktenchecks, Angebote zur Barrierefreiheit und solche mit Informationen über den Sender und sein Programm.

Trotz ihrer offiziellen Abkopplung hing die Frage nach dem Rundfunkbeitrag dabei natürlich weiter schwer über der Versammlung, und rief bei der Pressekonferenz auf die meisten Fragen hervor. „Wir haben beschlossen, dass wir heute nichts beschließen“, hatte Schweitzer angemerkt und dann wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer Zuversicht verströmt. „Wir sind nah an einer Lösung. Ich bin optimistisch, dass wir spätestens im Dezember alle diese Fragen werden beantworten können,“ sagte Schweitzer. Und Kretschmer sekundierte, man sei sich im Länderkreise im Prinzip sogar schon einig, wie die Beitragsfestsetzung künftig erfolgen solle, aber es „sei rechtlich kompliziert“.

Denn ein Systemwechsel soll her, bei dem die KEF und die Landtage weiter eine Rolle spielen und die Staatsferne gewahrt sei. Gleichzeitig soll dieser Systemwechsel „die politische Temperatur“ bei der Diskussion um den Beitrag „herunterfahren“, wie Schweitzer formulierte.

Wie das konkret gehen soll, darf jetzt die Rundfunkkommission der Länder austüfteln. „Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben sich auch auf einen Systemwechsel zu einem neuen Finanzierungsmodell verständigt, hierzu bitten sie die Rundfunkkommission bis zu ihrer Konferenz im Dezember noch rechtliche Fragen und mögliche Optionen zu prüfen und einen Vorschlag zu unterbreiten“, teilte die Rundfunkkommission am Freitagnachmittag in eigener Sache mit.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Vorschlag im Sinne der Jugendbildung:

    3Sat und Kika zusammenlegen.

  • Die sollen die Finger von 3sat und arte lassen. Einigen der ostdeutschen Ministerpräsidenten sollte auch mal ganz klipp und klar gesagt werden, dass sie sich gerne die Lügen von RT und Putin anhören können, aber den Demokraten in Deutschland nicht mit ihren Ideen, seriöse Berichterstattung des ÖRR einzuschränken, weiter auf den Zeiger gehen sollen.

  • Die Ministerpräsidenten können sich ja treffen so oft sie wollen. Aber rechtlich bindende Beschlüsse können sie dort nicht treffen. Denn eine "Ministerpräsidentenkonferenz" gibt es weder im Grundgesetz noch in einem anderen Gesetz.



    Für den ÖRR sind die Landtage zuständig.

  • Presseähnlichkeit.... Ich zahle doch dafür. Ob das nun eine Aufnahme ist, die dann in irgendeiner Sendung läuft oder in Textform gelesen wird, macht nun wirklich keinen Unterschied. Wenn ich mir dann überlege was das im Einzelnen heißt, dann ist die Textform für Behinderte wichtig, da die Textform gewandelt werden kann und so auf unterschiedlichen Geräte wiedergegeben werden kann. Übersetzungen sind einfacher usw. Auch will man in der Bahn nicht unedingt ein Video angucken.

    Kann mich mal jemand aufklären was das Problem dabei sein soll, wenn die Inhalte in Textform veröffentlicht werden? Jeder Hinz und Kunz kann auch einen Blog führen und irgendetwas veröffentlichen.

  • Nichts wirklich entschieden, wegen der üblichen Mutlosigkeit in der Politik und überholter Analysen der Sachlage, die geradezu nach neuen Gesetzen und/oder Richtlinien schreien.

    In den letzten 30 Jahren, sie der Zulassung von privaten Sendeanstalten, hat der ÖRR nur eine Richtung gekannt: Verteidigung der alt-angestammten Geschäftsfelder und Expansion, bei gleichzeitigem Ausbau eines Geflechts von Subunternehmen und Beteiligungen. Der ÖRR 2024 ist eine Selbstbedienungsveranstaltung seiner MacherInnen, die sich hinter einem alten Programmauftrag eingerichtet haben.

    Was spricht dagegen, wenn sich die ÖRR-Anstalten konsolidieren und auf weniger Kanälen ein Programm spielen, dass eine allgemeine, gesetzlich geregelte Beitragsfinanzierung verdient? Bunte Unterhaltung, Serien, Shows, Sport und emotionalisierende Dokumentationen bar jeder Wissensvermittlung können auch die Privaten und das oft besser. Wer für faktische Information, Meinungsdebatten und Bildung stehen will, muss etwas anderes bieten als Fußball, Tatort, Herz und Schmerz und Quotenhits.