Recyclingaktion von dm und Unilever: Fahrrad aus der Dose
Die Drogeriekette dm und der Konzern Unilever lassen leere Alu-Dosen sammeln und zu Fahrrädern umbauen. Doch Abfallexperten sind nicht überzeugt.
„R´cycle!“ heißt das Projekt, mitgetragen auch vom Konsumgüterkonzern Unilever. Das Ziel: Aus rund 400 Dosen soll jeweils ein Alurahmen für ein Kinderrad gebaut werden. 800 Räder sollen so entstehen, 24 Zoll groß, TÜV geprüft, die an soziale Einrichtungen gespendet werden.
Wer herausfinden will, wie gut die Idee eigentlich ist, stößt auf die 2001 in den USA gegründete und mittlerweile in Deutschland und vielen anderen Ländern ansässige Firma TerraCycle: Sie kümmert sich um die leeren Dosen. Sie sorgt dafür, dass sie in einem großen Lager in den Nordeifelwerkstätten zentral gesammelt, Verschlusskappen abgedreht, Restgase herausgeholt werden. Und dass das Aluminium geschmolzen und zu Rohren geformt wird, die dann an eine niedersächsische Fahrradmanufaktur gehen.
TerraCycle sammelt auch Stifte, gesponsert vom Kugelschreiberhersteller Bic oder Zigarettenstummel in Kooperation mit dem Tabakunternehmen Philip Morris. Auf der Homepage heißt es: „Die CO2-Emissionen werden gesenkt, da TerraCycle Lösungen für Abfall-Materialien findet, die ansonsten auf Mülldeponien oder in Müllverbrennungsanlagen landen würden.“
Aluminiumwerke sind tatsächlich so ziemlich die größten Stromverbraucher, die es gibt. Zudem bleiben bei der Herstellung giftige Reste, der sogenannte Rotschlamm.
Kein Gewinn für die Umwelt
Doch in Deutschland werde Aluminium schon heute hochwertig recycelt, erklärt Günter Dehoust, Experte für Kreislaufwirtschaft beim Ökoinstitut in Berlin. Aluminium sei trotz der Entwicklung neuer Materialien aus Kohlenstoff für die Wirtschaft nicht ersetzbar. Die Metallindustrie selbst habe ein Interesse am Recycling. Dabei fielen dann kaum noch giftige Rückstände an.
Und vor allem werde allenfalls noch fünf Prozent der Energie gebraucht wie bei der Erstherstellung aus dem Erz Bauxit. Der soziale Effekt bei dem Projekt von dm „scheint mir gut“, sagt Dehoust. Vielleicht schaffe es auch ein Bewusstsein dafür, dass Aluminium wertvoll ist. Für die Umwelt bringe es aber „keinen Gewinn“.
„Ganz nett, bewegt aber nicht viel“, sagt auch Joachim Wuttke, Abfallexperte im Umweltbundesamt. Es sei ein „Add-on“, eine Art hübsche Zugabe, doch bei der Abfallmenge, die insgesamt anfalle, habe es „keine Bedeutung“.
Imagegewinn für Unternehmen
TerraCycle sei der amerikanische Ursprung anzumerken. Die US-Amerikaner sammelten ihren Müll nicht so akribisch wie die Deutschen in unterschiedlichen Tonnen. Hierzulande gelte zudem eine Vorbehandlungspflicht für zu deponierende Siedlungsabfälle. Leere Sprayflaschen, auch Zigarettenstummel gelangten so erst gar nicht auf die Deponie. Dort lagerten allenfalls mineralische Materialien oder Schlacken aus der Müllverbrennung. Den kooperierenden Unternehmen, meint Wuttke, brächten TerraCycle-Sammelaktionen aber sicher einen „Imagegewinn“.
Hübschen Sie das Image von dm, Unilever oder Philip Morris auf? „So würde ich das überhaupt nicht sehen“, sagt Marie Schütz von Terracycle in Berlin. Ihre Mission heiße „Abfall abschaffen“. Natürlich gebe es die amerikanische Mutterfirma und säße das Forschungs- und Entwicklungsteam in den USA, trotzdem gebe es hierzulande einen „Umwelteffekt“.
Parkbänke aus Zigarettenfiltern
So schickten mittlerweile zum Beispiel auch der Flughafen Stuttgart oder der Europapark Rust Kippen zum Recycling. Aus den Filtern würden Plastikpellets gemacht – für Parkbänke, Mülleimer oder Gießkannen. Es gehe um „etwas Gutes, und wir könnten es nicht tun ohne diese Partner“. Sie arbeiteten mit mehr als 30 der weltgrößten Firmen zusammen.
Wie viel Geld dm und Unilever zahlen, sagte Schütz nicht. Auch dm bat um „Nachsicht“, dass die Firma dazu „keine Angaben machen möchte“. Geschäftsführer Christoph Werner sagte aber, sie wollten „Recycling erlebbar machen“ und „bedürftigen Kindern eine Freude“. Mit TerraCycle hätten sie einen „erfahrenen Partner“. Und die Sache mit den Mülldeponien? TerraCycle-Mitarbeiterin Schütz sagt: „Den Begriff verwenden wir, um Bewusstsein zu schaffen.“ Das Alu-Dosen-Projekt läuft bis April 2016.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt