Rechtsextremistischer Anschlag in Halle: Einzeltäter – oder nicht?
Bereitete Stephan B. sein Attentat in Halle allein vor? Sein Anwalt sagt: ja. Eine vermeintliche Bitcoin-Spende wirft aber Fragen auf.
Stephan B. hatte am Mittwoch in Halle versucht, schwer bewaffnet die jüdische Synagoge zu stürmen, als dort 50 Gläubige Jom Kippur feierten. Als dies scheiterte, tötete der 27-Jährige eine Passantin, fuhr zu einem Dönerimbiss und erschoss auch dort einen Mann. Die Taten übertrug B. live ins Internet. Er wurde auf seiner Flucht von der Polizei festgenommen.
Stephan B. hat inzwischen in einer mehrstündigen Befragung die Taten gestanden und sich zu seinem rechtsextremistischen Motiv bekannt. Die Bundesanwaltschaft prüft indes noch, ob B. bei der Vorbereitung oder Durchführung des Anschlags nicht doch Helfer hatte. Auch wird noch ermittelt, ob er die Waffen tatsächlich alleine hergestellt hat.
So erwähnt Stephan B. in einer Dokumentensammlung, die er vor der Tat ins Internet stellte, explizit einen Mann, der ihm 0,1 Bitcoin, umgerechnet 755 Euro, überwiesen habe. Dies habe ihm „sehr geholfen“. Auch in seinem Geständnis soll B. die Spende erwähnt haben. Ob, wann und zu welchem Zweck diese Überweisung tatsächlich erfolgte, bleibt bisher unklar. Der angebliche Spender, der ein Videoportal im Internet betreibt, antwortete nicht auf taz-Anfragen.
Seehofer adressiert die „Gamer-Szene“
Stephan B. selbst war offenbar seit Längerem auf sogenannten Imageboards im Internet unterwegs, in denen sich Nutzer anonym austauschen, teils auch mit rechtsextremistischen Ausfällen. Auf einem dieser Portale stellte B. kurz vor der Tat seine Dokumentensammlung ein – zusammen mit dem Verweis auf den Livestream. Dieser erfolgte über die Streamingplattform Twitch. Verteidiger Weber sagte der taz, Stephan B. habe gegenüber den Ermittlern eingeräumt, auf Imageboards aktiv gewesen zu sein sein. Konkreter sei er dabei nicht geworden. „Der Zweck solcher Imageboards ist Kommunikation bei sicherer Anonymität“, so Weber.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte derweil Reaktionen auf den Terroranschlag an. So sollen die Rechtsextremismus-Abteilungen des Bundesamts fürs Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes um mehrere hundert Mitarbeiter aufgestockt werden – die Maßnahme wurde bereits nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in die Wege geleitet. Seehofer warb auch erneut für mehr Überwachungsbefugnisse des Verfassungsschutz. Zudem müssten Hasspostings im Internet konsequenter verfolgt werden.
Seehofer adressierte auch die „Gamer-Szene“. „Wir müssen die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen“, sagte der CSU-Mann der ARD. Viele der Täter von Gewaltakten wie in Halle kämen aus dieser Community. Man müsse genau hinschauen, was dort noch Spiel sei und was „verdeckte Planung zum Anschlag“, so Seehofer. „Manche nehmen sich Simulationen geradezu zum Vorbild.“
Aus der Opposition folgte prompt Kritik. „Nach der Prepperszene ist jetzt die Gamerszene schuld – na da bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon es wären Nazis“, twitterte die Linken-Innenexpertin Martina Renner. Auch der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle warnte vor einer Wiederaufwärmung der „Killerspiel-Debatte“. Digitaler Rechtsextremismus sei „ein riesen Problem“. Dies habe aber nicht mit der Gamer-Szene zu tun, sondern damit, wie Rechtsextremisten Onlinekommunikation für sich ausnutzen würden.
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