Sicherheitsversagen in Halle: Worte, die fehlen

Der Staat hat beim Schutz der Synagoge in Halle versagt. Bislang gibt es aber weder eine Entschuldigung noch Rücktrittsforderungen.

Hände halten brennende Kerzen

An Solidarität fehlt es nach Halle nicht – aber an politischen Konsequenzen Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Es ist nicht so, dass die deutsche Öffentlichkeit nach dem Anschlag von Halle einfach zur Tagesordnung übergeht. In Berlin, München, Marburg und vielen anderen Städten sind viele tausend Demonstranten auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit der jüdischen Minderheit und ihre Abscheu gegenüber dem rechtsradikalen Attentäter deutlich zu machen. Politiker der Großen Koalition versprechen, jetzt endlich gegen den Hass im Internet vorgehen und Aufklärung im Vorfeld betreiben zu wollen. Wir werden sehen, was daraus wird.

An guten Wünschen und Versprechungen mangelt es also nicht. Und doch haben die Bekundungen aus der Politik einen schalen Beigeschmack. Denn auch vier Tage nach dem Anschlag hat sich kein verantwortlicher Politiker dazu bequemt, sich für das eklatante Versagen beim Schutz der Synagoge zu entschuldigen. Nur eine verschlossene Tür verhinderte, dass es in dem Gotteshaus zu einem Blutbad kam.

Aber niemandem geht ein Schuldeingeständnis über die Lippen – nicht den sachsen-anhaltischen Landesministern, nicht dem Bundesinnenminister, nicht der Kanzlerin. Stattdessen hat der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, behauptet, die Polizei habe „gute Arbeit“ geleistet und der fehlende Polizeischutz sei auf eine Gefährdungsanalyse des Bundeskriminalamts zurückzuführen. Kein Wort dazu, dass die Jüdische Gemeinde um Schutz gebeten und ihn nicht erhalten hatte. Stattdessen wird die Schuld weitergegeben.

Bei anderen Gelegenheiten wird schnell nach „personellen Konsequenzen“ gerufen. Für Halle hat niemand auch nur einen Rücktritt ins Gespräch gebracht. Dieses Nichtverhalten, diese fehlende Entschuldigung lässt den Verdacht entstehen, dass dieses Attentat doch nicht für so ganz wichtig erachtet wird. Es befördert die Vermutung, dass all die wohlmeinenden Erklärungen der üblichen Routine entsprechen, die nach jedem Anschlag abgespult wird. Diese Wurschtigkeit trägt nicht dazu bei, das Vertrauen der bedrohten Juden in die deutsche Politik zu stärken. Dabei wäre nichts nötiger als genau das.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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