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Rechtsextremismus in BrandenburgRechte Zelle vor Gericht

Im August 2015 brannte in der Kleinstadt Nauen bei Berlin eine Flüchtlingsunterkunft. Nun beginnt der Prozess gegen sechs Angeklagte.

Höhepunkt einer Serie von rechtsextremen Übergriffen in Nauen: der Brandanschlag auf die geplante Notunterkunft für Geflüchtete Foto: dpa

Nauen taz | Detlef Fleischmann erinnert sich genau an die Nacht, als die Turnhalle in Nauen in Flammen stand. Am 25. August 2015 um 3.04 Uhr klingelt das Telefon des Nauener Bürgermeisters (SPD). Am anderen Ende der Leitung: der Feuerwehrkommandant mit den Worten: „Die Flüchtlingsunterkunft brennt.“ Acht Minuten habe die Feuerwehr gebraucht, um zur geplanten Notunterkunft auszurücken – da stand die Sporthalle bereits vollkommen in Brand. „Ein Vollbrand nach so kurzer Zeit – das kommt mir komisch vor“, sagt der Feuerwehrkommandant zu Fleischmann, und: „Das ist keine normale Brandentwicklung.“

Am Tag darauf bestätigt das Innenministerium Brandenburg den Verdacht auf Brandstiftung. Es ist der schwerste Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg seit über 20 Jahren. Nauen, 27 Kilometer nordwestlich von Potsdam gelegen, reiht sich ein in die dunkle Chronik bundesweiter rassistischer Ausschreitungen im Jahr 2015.

Es dauert sieben Monate, bis die Polizei die mutmaßlichen Täter in der Kleinstadt mit 17.000 Einwohnern ermittelt hat: den NPD-Mann Maik Schneider, der bereits zuvor durch rechte Aktionen aufgefallen war, und fünf Komplizen. „Es besteht der Eindruck, dass in Nauen seit dem letzten Jahr eine Art ‚rechte Stadtguerilla‘ unterwegs gewesen ist“, verkündet Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) im März dieses Jahres.

Die Anklage: Bildung einer kriminellen Vereinigung

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen den Hauptangeklagten Maik Schneider und fünf weitere Angeklagte unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Die Beschuldigten müssen sich vor dem Landgericht Potsdam für eine Serie von Straftaten in Nauen mit mutmaßlichem rechtsextremem Hintergrund verantworten.

Der Brandanschlag war der Höhepunkt einer Reihe von rechten Demonstrationen und Übergriffen, die die brandenburgische Kleinstadt Nauen 2015 in die Schlagzeilen brachten. Im Februar störten Dutzende Neonazis, unter ihnen auch Maik Schneider, die Stadtverordnetenversammlung so massiv durch rassistische Parolen, dass der Saal geräumt werden musste.

In den folgenden Monaten demonstrierten mehrfach bis zu 120 Rechtsextreme gegen die geplante Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt, drei maskierte Täter verübten einen Brandanschlag auf das Auto eines Polen, das Büro der Nauener Linken wurde wiederholt attackiert.

Zudem wirft die Staatsanwaltschaft Potsdam den Angeklagten die Gründung einer kriminellen Vereinigung vor. Als terroristische Vereinigung stufte die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe das Neonazi-Netzwerk nicht ein: Die Taten, die der rechtsextremen Gruppe vorgeworfen werden, würden nach bisherigem Sachstand den Staat „nicht erheblich schädigen“, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft mit.

„Möchtegern-Führer mit Hang zum Konspirativen“

„Juristisch gesehen hat der Begriff ‚terroristische Vereinigung‘ nichts mit der politischen Gesinnung zu tun“, erklärt Dirk Wilking, Leiter des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesen, das Brandenburger Kommunen in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus berät. Seiner Einschätzung nach handele es sich bei dem Netzwerk um eine terroristische Organisation. Der Nauener Bürgermeister Fleischmann stimmt zu: „Die Täter haben versucht, eine Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen. Das ist für mich Terrorismus“, sagt er.

Den Rädelsführer Maik Schneider charakterisiert der Rechtsextremismus-Experte Wilking als „Möchtegern-Führer mit Hang zum Konspirativen“. Schneider saß für die NPD in der Nauener Stadtverordnetenversammlung, organisierte als führendes Mitglied der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ in Nauen seit Jahren Mahnwachen am 20. April und ist in der rechtsextremen Szene weit über die Stadtgrenzen hinaus gut vernetzt.

„Er hat in Nauen eine Machtstruktur aufgebaut und dafür andere rechtsextreme Strukturen benutzt“, sagt Wilking. Schneider gebe den Ton in der Gruppe an, die anderen Angeklagten seien seine Gefolgsleute. Als eine „eigentümliche Melange aus lokal verankerten Nazis wie Schneider und der Neonazipartei ‚Dritter Weg‘ sowie ‚Autonomen Nationalisten‘“, schätzt Wilking das Netzwerk rechtsextremer Bewegungen im Havelland ein, in dem Schneider seit Mitte der 2000er Jahre agierte.

In Nauen endeten die rechten Straftaten, nachdem das Netzwerk um Maik Schneider festgenommen wurde. „Der Kopf der Hydra wurde abgeschlagen. Seitdem gibt es keine kriminellen Übergriffe mehr“, sagt Fleischmann. In der Stadt hat sich etwas verändert seit dem Brandanschlag. Wie eine Schockwelle sei die Nachricht durch den Ort gegangen, sagt Wilking.

Der Brandanschlag – ein Fanal für Nauen

„Es war ein Signal für die Zivilgesellschaft und hat sie aus ihrer Lethargie geweckt. Die Bürger haben nach dem Anschlag gesagt: bis hierhin und nicht weiter“, sagt auch Fleischmann. Mittlerweile wohnen knapp 200 Geflüchtete in Nauen; bisher gab es laut Fleischmann keine Zwischenfälle.

Zwar sei er nicht so blauäugig zu denken, dass die rechte Gesinnung aus den Köpfen raus sei, aber Nauen sei auf dem Weg der Besserung. Wilking macht sich keine Illusionen: „Im Moment fehlt der rechten Struktur in Nauen der Kopf. Das wird alles wieder kommen, aber es braucht eine Weile“, sagt er.

Detlef Fleischmann erhofft sich vom Prozess, dass die Schuldigen verurteilt werden. Ob die Angeklagten für die Straftaten belangt werden können, wird sich in der Verhandlung zeigen.

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