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Rechtsextremismus im OstenNeue Rechte will Dresden erobern

Der Verein „Ein Prozent“ will ein Hausprojekt aufbauen. Seit Pegida haben Rechtsextreme und Neurechte Dresden zu ihrer Hauptstadt auserkoren.

Quadratisch, praktisch, rechts: das neue Hausprojekt der Identitären Foto: Jean-Philipp Baeck

Ein hoher Metallzaun umschließt das Gelände. Ein Schild warnt: „Achtung, Video­überwachung.“ Der zweigeschossige Flachbau hat bodentiefe Fenster und einen taubengrauen Anstrich. In dem Haus in der Kurt-Beyer-Straße 2 in Dresden plant der neurechte Verein „Ein Prozent“ ein Hausprojekt. Experten warnen: Es könnte zu einem neuen rechtsextremen Zentrum werden.

Ein Mann – Jeans, dunkles T‑Shirt mit Runenschrift, seitlich anrasierter Haarschnitt – tritt an den Zaun. Es ist Volker Zierke, Aktivist der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), die seit Kurzem vom Verfassungsschutz beobachtet wird. 2017 war Zierke mit zwei weiteren Aktivisten der Identitären an einer Auseinandersetzung beteiligt, bei der ein Antifaschist mit einem Messer am Hals verletzt wurde – angeblich aus Notwehr.

Das Gespräch mit ihm bleibt kurz. Zu dem Hausprojekt will er am Zaun nichts sagen und erklärt, dass man für Interviews eine E-Mail an den Verein „Ein Prozent“ schreiben solle. Ebenso wenig will Zierke kommentieren, dass das Haus einem AfD-Politiker gehört.

AfD, „Ein Prozent“ und Identitäre Bewegung in einem Haus: Die Konstellation erinnert stark an ein Hausprojekt, das der ­lokale IB-Ableger 2017 in Halle bezogen hat und das dort für Aufregung und Protest sorgte. Aus dem Haus heraus kam es zu Angriffen auf Linke.

taz ost

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Seit 2016 versucht „Ein Prozent“ als Bindeglied zwischen AfD, Pegida und Rechtsextremisten wie den Identitären zu fungieren. Entstanden aus dem Umfeld des neurechten Verlegers Götz Kubitschek, war es wohl das erste rechte Projekt, das Geld über Crowdfunding sammelte. Auf seiner Website schreibt der Verein von „Flüchtlingsinvasion“ und „Widerstand“, der Name verweist auf die Idee, dass für letzteren die Unterstützung von nur einem Prozent der Bevölkerung nötig sei.

Der Verein finanziert Aktionen der Identitären Bewegung und hilft laut den Rechtsextremismusexperten des Kulturbüros Sachsen bei Aufbau und Technik auf Pegida-Demonstrationen. Auf eine Anfrage der taz reagiert der Verein bis Redaktionsschluss nicht.

Auf dem Briefkasten des Hauses in Dresden stehen neben dem des IB-Aktivisten Zierke drei weitere Namen: Stein, Monaco, Schäfer. Allesamt sind sie führende Aktivisten der rechten Szene: Michael Schäfer und Julian Monaco saßen jahrelang im Bundesvorstand der JN, der Jugendorganisation der NPD. Phi­lipp Stein ist Sprecher der extrem rechten Deutschen Burschenschaft. Sie alle engagieren sich nun bei „Ein Prozent“, Stein ist Vorsitzender des Vereins.

Vier einschlägige Namen auf dem Briefkasten an einem unscheinbaren Haus im Stadtteil Reick: Was aktuell wie eine rechtsextreme Wohngemeinschaft wirkt, soll mehr werden. Das belegt eine interne E-Mail, die der taz vorliegt. In der Mail schreibt Stein Ende Mai, dass er in die Kurt-Beyer-Straße einlade, um über eine Kampagne zur „Wahlbeobachtung“ der Europawahl zu informieren. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Zudem wollen wir patriotischen Dresdnern und Sachsen unsere Pläne für ein Hausprojekt in der Hauptstadt der patrio­tischen Bewegung vorstellen.“ Auf einer Skizze ist das Haus zu sehen – mit einem Anbau, den es heute auf dem rund 850 Quadratmeter großen Grundstück noch nicht gibt. Überschrift der Grafik: „Unsere Pläne für ein Hausprojekt in Dresden“.

„Das Haus hat das Potenzial, zu einem wichtigen Ort der rechten Szene in Dresden zu werden“, sagt Michael Nattke, Fachreferent beim Kulturbüro Sachsen, bei dem die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus angesiedelt sind. Seit es der Pediga-Bewegung in Dresden gelang, im Jahr 2015 mehrere Tausend Menschen für ihre Demonstrationen zu mobilisieren, sei die Stadt im Fokus rechter und neurechter Gruppen. Die sächsische Landeshauptstadt entwickle sich „zum organisatorischen und aktionistischen Zentrum von ‚Ein Prozent‘ und Identitärer Bewegung“, sagt Nattke.

So fand etwa im August 2018 ein Treffen der Identitären Bewegung in Dresden statt, bei dem von einer „Hauptstadt des Widerstands“ gesprochen wurde. „Ein Prozent“-Chef Stein habe bei anderer Gelegenheit öffentlich davon gesprochen, dass ein „Strukturausbau“ in der Stadt stattfinden solle, so Nattke. Der Verein habe hier bereits seit 2017 Büroräume angemietet, seit Anfang 2018 dann neue Räume gesucht. Wohl auch, weil vermutlich AntifaschistInnen auf den Sitz des Vereins aufmerksam machten, indem sie die Tür des Büros zumauerten. Der Vermieter kündigte dem Verein daraufhin.

Seit Januar 2019 ist nun der lokale AfD-Politiker Hans-Joachim Klaudius Eigentümer des Flachbaus in Dresden-Reick. Das geht aus dem Grundbucheintrag hervor, den die taz eingesehen hat. Eigentlich hat die AfD 2016 eine Unvereinbarkeit für die Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung festgelegt, deren Nähe für die Partei hinsichtlich einer drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz schädlich sein könnte. Nicht nur das Beispiel in Dresden zeigt: In der Praxis ist der Beschluss nicht ernst zu nehmen – in vielen Landesverbänden bestehen enge Verbindungen.

Klaudius sagt dazu der taz, das Haus habe oben eine Wohnung und unten Gewerberäume, es handele sich um „Mischbebauung“. Er vermiete die Räume. „Alles andere ist von Ihnen hineinphantasiert“, erklärt er. Der stellvertretende sächsische AfD-Landesvorsitzende und Europaabgeordnete Maximilian Krah hingegen sagt der taz, Klaudius habe auf einem Landesparteitag von dem Haus berichtet. Krah selbst erklärt, er habe mit dem Projekt nichts zu tun, stehe den Aktivitäten von „Ein Prozent“ aber grundsätzlich positiv gegenüber.

Vermieter der Rechten ist Hans-Joachim Klaudius, ein AfD-Politiker

Die Sächsische Staatsregierung indes hat weder Erkenntnisse zu einem Hausprojekt noch zur Nutzung durch extreme Rechte oder zu geplanten Veranstaltungen. Das erklärte das Innenministerium im Juni auf eine Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann. Auch Lippmann sagt, dass Akteure der Neuen Rechten, also Gruppen wie „Ein Prozent“ und die Identitäre Bewegung, seit den Pegida-Demonstrationen auf Dresden als neue „Hauptstadt der Bewegung“ schauten. „Es ist davon auszugehen, dass mit dem Haus der Versuch verbunden ist, sich weiter in Dresden zu etablieren.“ Mit der AfD als ihrem parlamentarischen Arm sei dabei die Hoffnung auf eine günstige Ausgangslage für rechte Politik verbunden.

In Dresden-Reick wird es für die Neurechten in jedem Fall schwer sein, in den Stadtteil hineinzuwirken. Zwar ist Reick bekannt für rechte Umtriebe, erst vergangene Woche fand um die Ecke eine Razzia in einem Büro von selbsternannten Reichsbürgern statt. Laut Nattke kommen viele Mitglieder der Freien Kameradschaft Dresden, der derzeit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung der Prozess gemacht wird, zu großen Teilen aus Reick und dem Stadtbezirk Prohlis. Neben dem Flachbau allerdings befinden sich nur Industriehallen. Das Gewerbegebiet wirkt fast ausgestorben. Auch Stress mit Nachbarn ist hier also kaum zu erwarten.

Wie das rechte Haus der Identitären in Halle funktionierte, wissen die Bewohner in Dresden indes sehr genau: Michael Schäfer und Julian Monaco waren bei Demos vor Ort, mit Mario Müller, einem vorbestraften Gewalttäter und führenden Kopf der IB in Halle, ist Monaco gut bekannt. Beide machten vor Jahren in der Gegend von Delmenhorst bei Bremen gemeinsam rechtsextreme Politik und drangsalierten Andersdenkende.

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10 Kommentare

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  • Nein nicht erst seit Pegida, sondern seit den 70ern ist Dresden die Hauptstadt des Rechtsradikalismus.



    Das liegt am Bombenmythos, den die NSDAP im Februar 1945 erfunden hat.

  • die saat geht auf



    die idee "Dresden als neue 'Hauptstadt der Bewegung' ist so neu nicht, denn bereits michael kühnen hat bald nach der wende den sitz der jn von bochum nach dresden verlegt. insoweit ist dieses sog. hausprojekt nur die weiterführung eines eingeleiteten prozesses, der wohl von der langjährig regierenden union in sachsen stets wohlwollend begleitet wurde und wird. traurig.

  • Ich kann es nicht fassen, dass AFD- Mitglieder in einem Hochsicherheitshaus wohnen und einen rechtsradikalen Verein gründen wollen. Die Maßnahmen der Partei sind schrecklich, gegenüber Menschen, anderen Partein und der Demokratie. Im Osten von Deutschland ist die AFD sehr mächtig, so das sie für uns alle ein großes Problem darstellen. Man muss Rechtsextreme aufhalten, bevor es zu spät ist und der Nationallismus extrem zurückkehrt. Der Verfassungsschutz beobachtet die Partei schon lange, aber sie finden nicht alle nötigen Beweise, um die Partei zuverbieten. Es erfordert neue Gesetze gegen Rechtsradikale Partein und Personen. Z.B könnten die Medien der Regierung alles über die Partei herausfinden und berichten. Wenn Schüler in Schulen mehr über Rechsradikale lernen und auch der Umgang mit solchen Personen. Endscheident ist der Umgang, wie man mit solchen Menschen redet oder umgeht. Man muss sich erst über bestimmte Personen informieren, dann diplomatisch überzeugen gut zu werden. Es gibt ein Mann in den USA, der mit dem Kuckkucksclan in Kontakt tritt und im passiert nichts schlimmes, sondern er redet den Mitglieder und kann sie überzeugen zu besseren Menschen zu werden. Gäb es mehrere solcher Menschen die Diplomatie richtig beherrschen, dann hätte man eine gewaltfreie Methode gegen gefährliche Menschen. Aber Achtung! Es könnte auch eskalieren, wenn man nicht alles nötige Wissen zu bestimmten Personen hat oder Gruppen. Man braucht den Grund seiner Entscheidung, Merkmale, Interessen, Hobbys, Schwächen, Musik, Vergangenheit, Gegenwart, Stärken, Vorfälle von schlechten Taten und seine Gefährlichkeit.



    Kann man einem Überzeugen, dann werden Feinde zu Freunden. Man braucht gute Parteien und keine schlechten, aber die AFD muss zu Demokraten, gerechten und gute Partei werden. Dann müsste sie ihren Parteinamen ändern und mit der Union, SPD, Grüne, FDP und Linke zusammenarbeiten. Nur gemeinsam kann man mehr erreichen und gutes Tun. Seit Diplomatisch, aber beherrscht die Kunst.

    • 6G
      64457 (Profil gelöscht)
      @Politikhelfer:

      Sie sind nicht zufällig ein Anhänger von Frau Feyler und ihrer therapie sociale? Ihre Ausführungen klingen so. Als Grundvoraussetzung erachte ich Diskussionswillen und Gewaltfreiheit. Will jemand nur Posen und sucht ein Podium, wird es kontraproduktiv, s. therapie sociale.

  • Der Verfassungsschutz wird sich freuen. Ein Prozent, Pegida, AfD, Identitäre unter einem Dach erleichtert die Beobachtung. ...

    • @Nina Janovich:

      Wenn denn der Verfassungsschutz in Sachsen die überhaupt beobachten wird/will. Angeblich weiß ja die Staatsregierung nichts über das Projekt... Komisch nur, dass andere Institutionen sehr wohl davon wissen und es ja nun auch ganz öffentliche Namensschilder und Grundbuchauszüge gibt - neben erzählfreudigen AfDlern.

      • @Hanne:

        der vs braucht die nicht zu beobachten-er macht da mit!



        angefangen vom celler loch bis nsu



        müßte das doch jedem klar sein leider.

      • @Hanne:

        Unter dem neuen Verfassungsschutzchef wurden ja die Identitären als rechtsextrem eingestuft. Unter ihm scheint die Blindheit auf dem rechten Auge auch in den Ländern nicht mehr ganz so dominant da sind zarte Hoffnungen erlaubt ...

        • @Nina Janovich:

          In Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern, betont man immer mehr die Gefahr von "Linksextremisten" und beobachtet diese.

          Und ja, stimmt @M. Luz: Die VS machen leider bei den Rechtsextremen mit...

        • @Nina Janovich:

          Abwarten und Tee trinken. Viel passiert ist außer der Einstufung ja nicht. Was jetzt auf jeden Fall geschehen wird, ist das alte V-Mann-Spiel, bei dem immer zigtausende Euro in der Infrastruktur rechter Aktivisten landen.



          Ich traue dem Verfassungsschutz nicht. Seine Mitarbeiter haben eine gewisse Mentalität und die werden sie nicht abgelegt haben, nur weil Maaßen nicht mehr da ist.