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Rechtsextremismus an SchulenBrandenburg ist überall

Nach einem Brandbrief von Lehrkräften werden immer mehr rechtsextreme Vorfälle an Schulen bekannt. Keine Überraschung, sagen Expert:innen.

Baustein gegen rechtsextremes Gedankengut: Besuch der Gedenkstätte in Sachsen­hausen Foto: Gordon Welters/laif

Berlin taz | An diesem Mittwoch wird Steffen Freiberg in Potsdam als neuer Bildungsminister von Brandenburg vereidigt. Von seiner Vorgängerin Britta Ernst erbt der SPD-Politiker eine angespannte Personalkrise an Schulen. Sein Amtsantritt wird dennoch von einem anderen Thema bestimmt. Nach einem Brandbrief von Leh­re­r:in­nen steht der Umgang brandenburgischer Schulen mit Rechtsextremismus im Fokus.

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Ende April beschrieben Lehrkräfte der Grund- und Oberschule Burg im Spreewald, wie alltäglich Nazisymbole und rassistische Anfeindungen an ihrer Schule sind und wie selten Kol­le­g:in­nen oder die Schulleitung dabei einschreiten. Seither bemüht sich das Bildungsministerium um Aufarbeitung. Noch-Staatssekretär Freiberg appellierte an alle Lehrkräfte, „sich zu melden“, wenn sie bei diesem Thema Probleme hätten, und verwies auf einen Fünfpunkteplan zur Stärkung der politischen Bildung, der noch unter Britta Ernst ausgearbeitet worden ist. Gleichzeitig räumte Freiberg ein, dass er von dem Vorfall „nicht überrascht“ sei. „Dass es diese Herausforderungen gibt, wissen wir.“

Spätestens seit der Studie „Jugend in Brandenburg“ von 2017 ist in Potsdam bekannt, dass ein wachsender Anteil von Schü­le­r:in­nen offen für rechtsextremistische und menschenfeindliche Äußerungen ist. Und die schlagen sich in Taten nieder. In der Vergangenheit zählte das Bildungsministerium im Jahr zwischen 24 und 53 Meldungen zu extremistischen Vorfällen an Schulen. Im laufenden Schuljahr waren es – vor dem aktuellen Fall in Burg – 6 Meldungen.

Die Zahl dürfte jetzt in die Höhe schnellen. Nicht nur wegen der mutmaßlichen Straftaten an der Schule im Spreewald, die nun ans Licht gekommen sind. Nach dem Brandbrief haben sich weitere Schulen mit ähnlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit gewandt. Am Montag wurde dann bekannt, dass Schü­le­r:in­nen aus Berlin am Wochenende in einer Jugendherberge im brandenburgischen Heidesee rassistisch beleidigt und bedroht worden sein sollen – laut Polizei von Jugendlichen aus dem Umland.

Unklare Datenlage

Auch wenn Brandenburg aktuell im Fokus steht – rechtsextreme Vorfälle kommen im ganzen Bundesgebiet vor. Das zeigt eine Umfrage der taz unter den Bundesländern. Thüringen etwa zählte seit Jahresbeginn an Schulen etwa 33 Fälle von „Volksverhetzung“ oder „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. In Mecklenburg-Vorpommern sind es im laufenden Schuljahr insgesamt 30 Fälle mit „extremistischem Hintergrund“ oder nicht erlaubten Kennzeichen oder nicht erlaubter Propaganda. In Sachsen meldeten Schulen in den ersten drei Monaten dieses Jahres 17 Vorkommnisse mit „rechtsextremem Hintergrund“, Niedersachsen spricht von „rechtsextremistischen Einzelfällen“ an Schulen.

Die Ministerien selbst weisen auf eine gewisse Unschärfe der Daten hin: So seien Zahlen, die auf den Meldungen der Schulen beruhten, nicht zwangsläufig deckungsgleich mit denen der Polizei. In Sachsen beispielsweise stehen den 73 rechtsextremen Straftaten an Schulen aus dem Jahr 2022 nur 48 entsprechende Meldungen der Schulen gegenüber. „Im Meldeverhalten der Schulen liegt … viel Ermessungsspielraum“, heißt es dazu aus dem Dresdner Bildungsministerium.

In Niedersachsen ist der Regelfall sogar, dass Schulen rechtsextreme Vorfälle zwar der Polizei melden, nicht aber dem Kultusministerium. Rechtsextremistische Äußerungen würden nur „vereinzelt“ gemeldet, teilt ein Sprecher mit. Auch das Schulministerium Nordrhein-Westfalens verweist auf die Zuständigkeit des Innenministeriums, das eine taz-Anfrage bis Redaktionssschluss jedoch unbeantwortet lässt. Die Bildungsministerien wissen also nicht unbedingt, welche Vorfälle überhaupt gemeldet werden.

Die ganze Bandbreite

„Wir müssen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen“, sagt Marlene Jakob. Die 34-Jährige koordiniert seit 2018 in Sachsen das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Allein über die 109 sächsischen Schulen im Netzwerk bekämen sie gut mit, wie alltäglich Rassismus und Ausgrenzung in Klassenzimmern und auf Pausenhöfen seien. Darüber hinaus gingen Mitarbeitende des Netzwerks aber auch regelmäßig für Workshops an die übrigen Schulen. „Häufig werden wir auch als Feuerwehr gerufen“, sagt Jakob der taz. „Also erst dann, wenn es bereits brennt.“

Die Vorkommnisse deckten die ganze Bandbreite ab: Hakenkreuzschmierereien, Naziparolen, Einschüchterungsversuche Andersdenkender. Besonders regelmäßig seien Schulen in Regionen mit traditionell starker Neonaziszene betroffen.

So ähnlich formuliert das auch die Rechtsextremismusforscherin Hei­ke Radvan für Brandenburg. In der Region, zu der die Grund- und Oberschule Burg gehört, die jetzt durch den Brandbrief bekannt wurde, gebe es eine gewachsene rechte Szene, die AfD habe dort ihre Hochburgen. Was Jakob und Radvan beide betonen: Rassistische oder homophobe Einstellungen finden sich nicht allein am rechten Rand.

„Diese Einstellungen haben wir in der Mitte der Gesellschaft“, sagt Jakob. Auch Leh­re­r:in­nen verstärkten oft Stereotype oder die Ausgrenzung einzelner Schüler:innen. Etwa, indem sie Kinder mit Migrationsgeschichte bäten, etwas über ihre vermeintliche Heimat zu erzählen. Dafür müsse man viele Schulen noch sensibilisieren. Deswegen sei es auch so wichtig, diejenigen zu stärken, die sich klar gegen Rassismus und rechte Hetze einsetzten. Manchmal stehen sie damit vor Ort ziemlich alleine da.

Vorbild Sachsen

Wie weit gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verbreitet ist, zeigt unter anderem der Sachsen-Monitor, der regelmäßig im Auftrag der Sächsischen Staatskanzlei erhoben wird. Zuletzt gaben darin 40 Prozent der Befragten an, dass die Bundesrepublik „durch die vielen Ausländer gefährlich überfremdet“ sei. Mehr als je­de:r Fünfte stimmte der Aussage zu, dass Juden heute Vorteile daraus ziehen wollten, dass sie im Zweiten Weltkrieg die Opfer gewesen seien.

Als 2016 der erste Sachsen-Monitor erhoben wurde, waren die menschenfeindlichen Einstellungen zum Teil sogar noch höher. Die Landesregierung stärkte daraufhin die politische Bildung an Schulen und kooperierte enger mit außerschulischen Initiativen wie „Schule ohne Rassismus“. Auch deshalb sieht Sachsens Bildungsminister Christian Piwarz sein Land heute gut gegen Rechtsextremismus an Schulen gerüstet.

Auch die anderen Bundesländer verweisen auf Notfallpläne und eine Vielzahl an präventiven Maßnahmen: Lehrerfortbildungen, mobile Beratung und Workshops an Schulen, die Behandlung entsprechender Themen im Unterricht. Bayern hebt unter anderem den Stellenwert der Erinnerungsarbeit inklusive verpflichtendem KZ-Gedenkstättenbesuch an Gymnasien und Realschulen hervor.

Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) lobt das Engagement vieler Schulen im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“: „Vielleicht auch deshalb ist die Zahl der verfassungsfeindlichen Vorfälle an unseren Schulen überschaubar“, sagt sie der taz.

Neuanfang in Burg?

Die Rechtsextremismusforscherin Radvan hält die derzeitigen Anstrengungen insgesamt für zu gering. Sie fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) auf, sich stärker mit Rechtsextremismus an Schulen zu befassen. Die KMK müsse genauer hinsehen und eine Interventionsstrategie entwickeln. Wenn so etwas wie in Burg passiere, müssten alle Akteure „klare Kante“ zeigen.

Das soll jetzt im brandenburgischen Ort Burg passieren. Am Montag teilte das Bildungsministerium mit, dass sich die im Brandbrief erhobenen Vorwürfe in den Gesprächen mit allen Beteiligten vor Ort bestätigt hätten. Das Kollegium soll sich nun – auch mithilfe eines Coachings – besser auf einen einheitlichen und offenen Umgang mit extremistischen und menschenfeindlichen Äußerungen einigen. Auch die Schulleitung wolle künftig klare Haltung zeigen.

Dass dies nicht einfach wird, zeigt ein Vorfall von vergangener Woche. Anhänger der rechtsextremistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ verteilten vor der Schule Handzettel.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die justiziablen Vorfälle sind das eine, da kann man sehr viel machen, aber der rassistische Mehltau, der über jeder Interaktion liegt, die noch im Kleinsten und Unwichtigsten sich verbergenden Selbstverständlichkeiten und Plausibilitäten: Da ist so schwer ranzukommen. Wenn es einen humanen Konservatismus gäbe, könnte der viele Menschen in diesen Regionen vielleicht abholen, aber es gibt leider nur einen inhumanen Konservatismus, der nur "schönere" Phrasen liefert als die Hardcore-Rechte, sich aber substantiell nicht unterscheidet. Die Verrohung, neoliberal befeuert, wenn nicht ausgelöst, ist weit fortgeschritten.

  • Hauptsache andere beleidigen und auf die Fresse. Menschliche Intelligenz kann so simpel sein.

  • Rassismus ist leider nicht die einzige schädliche "Ideologie", die sich an schulen/ganz allgemein herumtreibt!



    Das liegt vor allem daran, das DIE MIESTEN LEUTE, UND VOR ALLEM DIE DIE ES BESSER WISSEN SOLLTEN, wie eben unsere Politiker/Beamte und sonstige selbsternannten Führer und Heilige, viel zu wenig über Wahrheit und Soziales wissen!!!



    Und so wird die Geschichte nicht konsequent genug konserviert, sondern nur das was unserem primitiven zeitgeist gereicht, und weiter wird nicht konsequent progressiv GENAU HINGESCHAUT.



    Und so entsteht entweder ein träger, ignorant gefährlich toleranter neoliberalismus oder ein träger, ignorant gefährlich intoleranter totalitarismus.



    Die sowohl zu wenig aus der Geschichte lernen als auch zu wenig fähig sind, genügend soziale inklusion zu leisten!



    Und so haben wir massiv UNZUREICHENDE träge - korrupte ideologien am start, die bei den eltern anfangen, jedes milieu mehr oder weniger durchziehen, je nach kapital und bildungsstand, und sich bis auf die kleinsten ebene ausbreitet!

    Und das schulsystem, was egtl Wahrheit, Gemeinschaft und ideologische Kompetenz fördern sollte, um eben unsere primitive natur zu verbessern und inklusiver/konfliktfrei zu leben, ist viel zu schwach, sowohl wissenschaftlich, ökonomisch und reformatorisch! Weil ihre Hüter und Schafe ebenso sind!



    So wird wieder einmal die schere zwischen sozial und asozial, hart oder smart, größer und die verwirrung nützt wieder einmal hptsl nur den ausbeutern!

    wir haben nicht nur ein stetes deutsches rassismusproblem, wir haben seit ewigkeiten ein globales problem mit wahrheit, dem umgang von wissen und dem umgang mit sozialen fremdkörpern ganz allgemein. all das führt in jeder kultur mehr oder weniger zu vielen ausgrenzungen und ignoranten situationen, zusätzlich zur allgemeinen primitiven sachlage der gier und unterdrückung.

    die kultur ist bei weitem nicht SMART genug, für den kampf gegen die harte primitivität in allen hirnen! Und dieses wissen, gibt es schon lange!!!!

  • Die Recherche der taz zu den mangelhaften Meldungen von rassistischen und rechtsextremen Schüler-Vorfällen an Bildungsministerien ist sehr verdienstvoll, zeigt sie doch, wie wenig Interesse in den Minsterien zu bestehen scheint, derartige Vorfälle mit einer genauen Statistik auf den Grund zu gehen, öffentlich zu machen und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Wird die viel zu geringe Stundentafel im Fach Geschichte in den Bundesländern erhöht? Natürlich nicht! Erhalten die Taskforces gegen Rechtsextremismus an Schulen mehr Mitarbeiter. Natürlich nicht!

    Einer Fachveröffentlichung ist zu entnehmen, dass Schulen in Brandenburg Gedenkstättenbesuche oftmals nicht genügend vor- und nachbreiten, und die Fragen der Schüler nicht in den Mittelpunkt stellen. Vermutlich haben viele Geschichts- und Politiklehrer keine grundlegenden didaktischen Kenntnisse in dieser speziellen Thematik.



    Dazu passt, dass laut Deutschlandfunk eine migrantsche Jugendorgansisation aus Berlin aktuell beklagt, dass Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte Fälle von Rechtsextremismus nicht genügend verfolgen und sogar verharmlosen. Die Justiz in Deutschand scheint, was Rassismus angeht, sakrosant zu sein, obwohl nach dem 2. Weltkrieg Nazi-Juristen die deutsche Justiz in Westdeutschland stark prägten.

    Derartige Klagen verhallen seit Jahren, ohne dass Politik versucht, hier Klarheit mit Studien zu schaffen und etwas dagegen zu unternehmen.

    lernen-aus-der-ges...schichte_feb19.pdf

  • Das Problem ist doch einfach, dass Rechtsextreme da leichtes Spiel haben, weil unsere Gesellschaft einfach einen eklatanten Mangel an positiven Visionen für die Zukunft aufweist und die Politik selbst die paar, die es vielleicht gibt, aus ganz praktischen Gründen einfach ignoriert oder diffamiert. Gerade Jugendliche wollen in vielen Fällen einfache Erklärungen und einen Weg, mit Problemen irgendwie umzugehen. Jugend ist die falsche Zeit für umständliche und hilflose Differenzierungen.

    Der Linksdrall in den 60ern beruhte letztlich auch genau darauf.

    Was wir brauchen, sind einfach Visionen mit mehr Strahlkraft als tierische Instinkte. Traut sich aber keiner, weil alle nur Angst vor der Zukunft haben und sie schon gar nicht gestalten wollen, man könnte ja was falsch machen.

  • Meine Erfahrungen:

    Auf der Gym in Hann Münden Hakenkreutz an der Wand der Turnhalle. Wurde der Polizei gemeldet.

    Gym in Bad Sachsa: "du Jude" oder "du Zigeuner" oder "du Bauer" waren gängige "Schimpfwörter" auch wurden Klassenkammeraden (nur Männer in dem Fall) oft auf ein vermeintiches Land der Herkunft reduziert.

    Der einzige Klassenkamerad mit echtem Migrationshintergrund wurde jedoch in Ruhe gelassen.

    "Sieg ... Mund" rufe gerne auch mit ensprechdem ... Handzeichen waren in meiner Klasse ein weit verbreiteter "Spaß".

    Vertretungslehrern wurde einmal direkt mir "sieg heil + Hitlergrus" begrüßt.

    "Echte" Ausländerfeindlichkeit gab es nicht wirklich, einfach "nur" viel Gewalt gegen praktisch jeden. War halt eine KLasse mit nur 3 Mädchen ... das war bermerkbar.

    Gemobbt wurden auch die Lehrer, die Deutschlehrerin war total fertig mit Ihren Nerven weil sich so bosshaft über Ihre Schweißflecken lustig gemacht wurde.

    Oder die Chemielehrerin bei der praktisch die ganze Klasse auf dem Tisch stand und sich weigerte sich hinzusetzten.

    Oder der Kunstlehrer der sehr einfacher Natur war und garnicht erst merkte, dass man sich über Ihn lustig machte. Er war ein begnadeter Künstler und ein verdammt guter Lehrer, wer wollte konnte einiges beim Ihm lernen, aber die Klasse brauchte eher Bootcampleiter*innen bzw. sehr autoritäre Lehrer*innen.

    Besser Männer als Frauen.

    Hab es da nicht lange ausgehalten, es war die Hölle.

    In Bad Sooden Allendorf war dagegen einfach nur Friede Freude Eierkuchen.