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„Nicht quatschen. Handeln!“

Die Neonazis von Combat 18 klagen gegen ihr Verbot. Sicherheitsbehörden können indes belegen, dass die Gruppe straff organisiert war und regen Handel mit Hassmusik betrieb

Razzia von Polizei und LKA im Zuge des Verbots von Combat 18 in einem Wohnhaus in Vieselbach am 23. Januar Foto: Christian Fischer/imago

Von Konrad Litschko

Es dürfte eine sehr eigenwillige Zusammenkunft werden. Denn demnächst werden sich die Rechtsextremen von Combat 18 mit dem Bundesinnenministerium in Leipzig treffen, in einem Verhandlungssaal des Bundesverwaltungsgerichts. Ausgerechnet diejenigen, die diesen Rechtsstaat so verachten, bitten eben jenen nun um Hilfe, um das Verbot ihrer Neonazigruppe wieder zu kippen.

Im Januar hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Com­bat 18 verboten – als Zeichen der Härte nach den Anschlägen in Halle und auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Das Verbot sende „eine klare Botschaft“, verkündete Seehofer: „Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz.“ Aber die Frage war schon damals: Warum kam das Verbot erst jetzt, nach jahrelang ungehindertem Wirken von Com­bat 18? Und: Wurde hier wirklich die ganze Gruppe ausgeschaltet?

Es sind Fragen, die sich umso lauter stellen, wenn man die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums gegen Com­bat 18 liest, die die taz einsehen konnte – und über die nun demnächst vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt wird, nachdem die Neonazis dort Ende Februar überraschend Klage eingereicht hatten.

Die Sicherheitsbehörden taten Com­bat 18 jedenfalls lange als „Maulhelden“ ab: Die Gruppe agiere sehr bedeckt, tatsächliche Aktivitäten gebe es kaum, Straftaten seien nicht nachzuweisen. Dabei sammelte Com­bat 18 bereits seit 2014 Mitgliedsbeiträge auf einem Konto der Sparkasse Kassel ein, wie nun auch die Verbotsverfügung festhält. Und im selben Jahr wurde die Gruppe bereits mit anderen Rechtsextremen auf einem Schießstand im niederländischen Baexem festgestellt – in voller Combat-18-Montur. Zudem liegen den Behörden Chatnachrichten der Gruppenanführer aus mindestens den vergangenen zwei Jahren vor. Sie waren also im Bilde.

Klar wurde dabei, dass das deutsche Combat 18 straff organisiert war. Tonangebend waren vor allem drei Männer: Anführer Stanley R., langjähriger Neonazi aus Kassel, der sich auch mit dem Lübcke-Mordverdächtigen Stephan Ernst umgab und zuletzt nach Thüringen übersiedelte. „Wenn ich merke, man stellt sich über mich, werde ich komisch“, stellte er intern klar. Dazu Keven L., sein Stellvertreter, ebenfalls ein Thüringer, der sich früher bei der neonazistischen Splitterpartei Die Rechte engagierte. Und Robin S. aus Castrop-Rauxel, ein einstiger Brieffreund Beate Zschäpes, der lange Jahre in Haft saß, weil er bei einem Überfall einen Migranten niederschoss.

Dieses Trio scharte laut Innenministerium nur vier weitere „Vollmitglieder“ um sich, die auch Sektionen in den Bundesländern anführten. Die anderen Anhänger, angeblich nur gut 20, firmierten als „Supporter“. Zuvor erfolgte eine Aufnahmeprüfung: Beantwortet werden musste dort etwa, wo der Geburtsort des Combat-18-Gründers liegt, wann der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß „ermordet“ wurde oder wer Kommandeur der Leibstandarte „Adolf Hitler“ war.

Für Neuanhänger galt eine halbjährige Probezeit, monatlich waren zuletzt 20 Euro in die Gruppenkasse zu zahlen. Die Einnahmen sollten für Konzerte oder als „Notfallgeld“ genutzt werden, etwa im Fall der Inhaftierung eines „Bruders“. Auch ein festes Regelwerk existierte: Gruppenkleidung bei Auswärtsfahrten, keine Aktivitäten in sozialen Netzwerken, monatliche Pflichttreffen der Sektionen, alle Vierteljahre zudem ein überregionales, dort mit Alkoholverbot. Auch mehrstündige Fußmärsche wurden geplant, in denen Robin S. „militärischen Drill bis zur Erschöpfung“ einforderte. Vor allem aber galt: „absolute Verschwiegenheit“.

So bedeckt, wie Combat 18 sich nach außen hielt, so klar war intern, mit welcher Strategie die Gruppe in die Szene wirkte: über das Aufstacheln mit rechtsextremer Musik. Ganz so, wie es auch die britischen Gründer von Combat 18 seit den neunziger Jahren praktizieren, deren Anführer William Browning selbst Sänger einer Rechtsrockband ist. Zu ihm hielt auch der deutsche Ableger direkten Kontakt, allen voran Robin S.

Und auch hierzulande fokussierte sich Combat 18 auf das Organisieren von Konzerten, vor allem aber auf den Vertrieb rechtsextremer CDs. Die Musik sei das „primäre Propagandamaterial“ von Combat 18, konstatiert das Innenministerium. Die Aktivitäten erstreckten sich hier „europaweit“.

So stießen Ermittler, als sie Ende 2018 die Wohnung von Stanley R. durchsuchten, auf stapelweise rechtsextreme CDs, die zum Weiterverkauf vorgesehen waren, ebenso auf eine Verkaufsliste. Offenbar hatte der Mittvierziger über Jahre einen Handel mit Rechtsrockmusik aufgebaut. Mal pries Stanley R. in Chats „Neuware“ an, dann schrieb er, er habe 400 CDs, „die an den Mann müssen“.

„Wenn ich merke, man stellt sich über mich, werde ich komisch“

Stanley R., Anführer des deutschen Combat 18

Auch zwei eigene Combat-18-CDs organisierte Stanley R. maßgeblich. Von einer namens „Eichenlaub“ fanden Ermittler bei ihm zu Hause 164 Stück. Das Cover mit Militärs in NS-Optik und dem Combat-18-Emblem präsentierte R. intern als „gewagt“. Sein Vize Keven L. antwortete: „Ist genial so. Wenn nicht wir, wer sonst.“ Eine zweite Gruppen-CD zeigte auch ein Hakenkreuz auf dem Cover. An dieser Scheibe soll sich Stanley R. die Rechte gesichert und den Kontakt zu einem ungarischen Produzenten hergestellt haben. In elf Songs hetzen darauf Szenebands gegen Juden und Schwarze, leugnen den Holocaust. „Hail to Combat 18, hail to the terrormachine“, heißt es in einem Lied. Es war jene CD, die Stanley R. die Razzia einbrachte. 800 Exemplare hiervon beschlagnahmten die Ermittler. Combat 18 hatte sie für das „Weihnachtsgeschäft“ vorgesehen.

Auf dieser Grundlage erstaunt es, dass das Innenministerium noch im Juni 2019 erklärte, politisch motivierte Straftaten von Combat 18 seien nicht bekannt. In der Verbotsverfügung ist nun von klarer Volksverhetzung durch die vertriebenen CDs die Rede. Zudem traf sich die Gruppe eben auch zum Schießtraining. Bei einem, 2017 im tschechischen Cheb, stoppte sie danach die Polizei, fand Patronen und Gewehrmunition. Stanley R. und ein Mitbeschuldigter wurden zu einer Geld- und Bewährungsstrafe verurteilt. Keine Straftaten? Zudem befeuerte die Gruppe nicht nur durch ihre Musik Gewalt. In einer Chatnachricht behauptete Robin S. nach einem Neonaziaufmarsch in Dortmund, er habe „einem Linken ’ne Glas Flasche übern Kopf gezogen“ und einen „Bullen weg getreten“. Auch politische Gegner wurden ins Visier genommen. So verschickten Mitglieder intern eine Art Steckbrief eines NDR-Journalisten, der über die Gruppe recherchiert hatte, und die Adresse eines vermeintlich linken Aktivisten wurde Mitte 2018 geteilt. Dazu schrieb Stanley R.: „Nicht quatschen, handeln.“

Bis zum Verbot sollte es dennoch anderthalb Jahre dauern. So zurückhaltend die Behörden agierten, wird in der Verbotsverfügung indes deutlich, wer Combat 18 trotzdem aufscheuchte: eine Recherche der antifaschistischen Plattform Exif, veröffentlicht im Juni 2018. In einem Dossier legte Exif Namen und Strukturen von Combat 18 offen – die weit mehr Mitglieder nachzeichnete als nun das Innenministerium. Die Gruppe reagierte alarmiert. Noch am Tag der Veröffentlichung bat Stanley R. Europachef Browning um ein Treffen: man müsse „den weiteren Weg bereden“. Und die Sparkasse Kassel kündigte das Gruppenkonto. Aktiv blieb Combat 18 dennoch, wie etwa ein Gruppentreffen im sächsischen Mücka im März 2019 zeigte. Dort feierte man zusammen mit der Brigade 8, einer rockerähnlich organisierten Neonazigruppe. Hier hatten sich beide Gruppen bereits wenige Monate zuvor zu einem Jahresendtreffen mit 150 Teilnehmern versammelt. Immer wieder wurde über eine feste Kooperation beider Gruppen spekuliert. Stanley R. schreibt in einem Chat indes nur von einer „freundschaftlichen Zusammenarbeit, nicht mehr und nicht weniger“. Dennoch bleibt die Frage, ob Combat 18 nicht größer war, als die gut 20 Personen, die das Bundesinnenministerium der Gruppe zurechnete. So ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München bis heute zu der Produktion der Com­bat-18-CDs gegen zwölf Rechtsextreme. Bis auf Stanley R. wird davon indes niemand in der Verbotsverfügung genannt. Die Begründung der Ermittler: Die Beschuldigten seien vielmehr Blood & Honour zuzurechnen und hätten das 2000 verbotene Netzwerk reaktiviert. Nur: Aus eben jenem Netzwerk ging Combat 18 einst hervor. Auch sollen einige der Beschuldigten nach taz-Informationen im Juli 2019 23 Bombendrohungen an Moscheen und Parteizentralen verschickt haben. Unterzeichnet waren diese teils mit: Combat 18. Dazu stellt sich die Frage, warum allein Nordrhein-Westfalen der Gruppe 8 Neonazis und diesen 84 Straftaten zuordnet. In der Verbotsverfügung wird aus dem Bundesland nur einer namentlich genannt: Robin S. Auch der dortige Rechtsrocksänger Marko G., der lange in der Szene als Repräsentant von Com­bat 18 galt und dessen Band Oi­do­xie eine Hymne auf Com­bat 18 für die Gruppen-CD beisteuerte, taucht nicht in der Verbotsverfügung auf. Auch hier drängt sich auf: Combat 18 dürfte größer sein, als vom Innenministerium benannt.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht soll es nach dem Willen von Combat 18 dagegen um anderes gehen. Laut einer Gerichtssprecherin haben die Neonazis das Verbot ihrer Gruppe aus „inhaltlichen Gründen“ angefochten. Seehofers Ministerium hält sich dazu bedeckt: Laufende Gerichtsverfahren kommentiere man grundsätzlich nicht, heißt es dort. Derzeit schreibt das Ministerium an einer Stellungnahme auf die Klage an das Bundesverwaltungsgericht.

In Sicherheitskreisen äußert man sich aber wenig besorgt, dass das Verbot kippt. Und das Innenministerium holte vor wenigen Tagen erst zum nächsten Schlag aus mit dem Verbot der Reichsbürgertruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“. Ob der Schlag gegen Combat 18 ein Erfolg wird, liegt nun in den Händen der Leipziger Richter.

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