Rechtsextreme Polizei-Chats in Osnabrück: Immer wieder Einzelfälle
Die Polizeidirektion Osnabrück hat Probleme mit rechtsextremen Äußerungen einiger Beamter. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden eingestellt.
Mobiltelefone und Speichermedien wurden sichergestellt, PCs und Tablets. Man habe „über eine Million Inhalte“ bewertet, sagt Marco Ellermann, Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück, „überwiegend Bilder, aber auch Videos, Audios und Textinhalte, sowohl strafrechtlich als auch dienstrechtlich“. Die Funde waren keine Einzelfälle: „Am Ende blieben mehrere Hundert Bilder und Videos mit verdächtigen Inhalten“, sagt Ellermann.
„Verstörende und indiskutable Bilder“ seien gefunden worden, „die teilweise das Dritte Reich oder das Führerprinzip verherrlichen bzw. verfassungsfeindliche Symbole darstellen und darüber hinaus auch teilweise fremdenfeindliche Darstellungen zeigen“. Die Kommunikation reiche teils Jahre zurück.
Juristisch also eine klare Sache? Nein. Mitte letzter Woche stand fest: Die Staatsanwaltschaft Osnabrück sah darin kein strafrechtlich relevantes Verhalten. Alle sechs Ermittlungen sind nun eingestellt. „Es lag offenbar keine Verbreitung des Materials vor“, sagt Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Er bezieht sich auf Paragraf 86 Strafgesetzbuch, der sich mit dem Verbreiten von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen befasst. Unter Strafe steht hier lediglich, Material zu verbreiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Aber was heißt das genau: verbreiten? Die betroffenen Beamten hätten sich die Bilder und Videos „über einen Messenger im Rahmen der Eins-zu-eins-Kommunikation zugesandt“, sagt Polizeisprecher Ellermann. Eine gemeinsame Chatgruppe, ein gemeinsames Netzwerk, habe es nicht gegeben. Neben den strafrechtlichen Ermittlungen wurden auch die dienstrechtlichen Verfahren gegen einen Verwaltungsbeamten und einen Pensionär eingestellt. Einer der Polizisten ist aus seiner Suspendierung in den Dienst zurückgekehrt.
Unabhängige Melde- und Ermittlungsstelle gefordert
Ganz vorbei ist die Sache aber noch nicht. Gegen drei aktive Polizeibeamte wird weiterhin dienstrechtlich ermittelt. „Ihnen wird vorgeworfen, unter anderem gegen die Verfassungstreuepflicht verstoßen zu haben“, sagt Ellermann. Mögliche Sanktionen reichen von der Kürzung der Bezüge bis zur Entfernung aus dem Dienst. Man nehme das Thema „sehr ernst“, so Ellermann, und habe „lückenlose Aufklärung“ betrieben: „Generell sind wir sehr aktiv, um extremistischen Tendenzen in den eigenen Reihen vorzubeugen und entsprechende Gesinnungsansätze frühzeitig zu erkennen.“
„Die Verfassungstreue ist ein unverzichtbarer Grundsatz“, sagt Michael Maßmann, Präsident der Polizeidirektion Osnabrück. „Demokratiekompetenz ist das Fundament unserer Arbeit.“ Man habe sich „ein genaues Bild verschafft“ und könne sagen, „dass es sich nicht um strukturelle Auffälligkeiten, sondern um Einzelfälle handelt“.
Heidi Reichinnek, Osnabrücker Bundestagsabgeordnete der Linken, ist skeptisch – und sagt gegenüber der taz sarkastisch: „Einzelfälle! Dann muss man sich ja keine Sorgen machen. Gerade, da bei der niedersächsischen Polizei gerne mal Waffen verloren gehen, ist das sehr beruhigend.“ Reichinnek fände es falsch, die Diskussion jetzt abzuschließen: „Wenn nicht endlich Rechtsextremismus in der Polizei als strukturelles Problem erkannt und bekämpft wird, kostet das Menschenleben!“ Sie fordert eine unabhängige Melde- und Ermittlungsstelle.
Auch Volker Bajus, Osnabrücker Landtagsabgeordneter der Grünen, kritisiert die Einstellung der Verfahren. „Das vorzeitige Ende der strafrechtlichen Ermittlungen war schwer nachzuvollziehen. Warum das digitale Versenden rechtsextremer und rassistischer Inhalte kein strafbares 'Verbreiten’ sein soll, erschließt sich mir nicht.“ Gerade wer für sich das staatliche Gewaltmonopol in Anspruch nehme, müsse auch „erster Verteidiger der Demokratie“ sein. „Ich befürchte, dieser Fall zeigt, dass es an dieser Sensibilität weiterhin mangelt“, sagt Bajus. „Polizeidirektion und Innenministerium müssen nun zeigen, welche Konsequenzen sie aus den Vorfällen ziehen.“
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