Rechter Esoteriker bei Naturkostfirma: Chemtrails bei Rapunzel
Gerade ist der Biopionier Rapunzel durch Äußerungen seines Gründers in die Kritik geraten. Nun kommt heraus, dass ein Klimawandelleugner dort auftrat.
Bisweilen treten hier auch Dozenten auf, die zumindest zweifelhafte Ansichten vertreten. So am 12. Juli 2018 Ralf Otterpohl, seit 1998 Leiter des Instituts für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz an der TU Hamburg. Der Uniprofessor ist als Klimawandelleugner und Verschwörungstheoretiker zumindest umstritten: Studenten der TU Hamburg beschwerten sich erst im Februar in einem offenen Brief über Otterpohl, weil er in Univeranstaltungen über den „CO2-Mythos“ referiert hatte und „derjenigen Person 2.000 Euro geboten hat, die die Auswirkungen von CO2 nachweisen könne“.
Bei Rapunzel redete Otterpohl über die Thesen seines Buchs „Das neue Dorf“. Hier bewirbt der Professor die völkisch-antisemitische Anastasia-Siedlerbewegung aus Russland, die seit Jahren auch in Deutschland, vornehmlich im Osten, sogenannte Familienlandsitze etabliert und sich nach außen als harmlose Ökobewegung präsentiert.
Ob die Thesen Otterpohls mit dem Weltbild des Rapunzel-Firmengründers und -geschäftsführers Joseph Wilhelm übereinstimmen, muss inzwischen zumindest hinterfragt werden. Rapunzel, Biopionier aus dem Unterallgäu, musste Mitte Mai Stellungnahmen Wilhelms wegen Boykottaufrufen von KundInnen aus dem Internet entfernen. Wilhelm hatte sich hier als Impfgegner und Anhänger von Verschwörungsmythen geoutet. Mund-Nasen-Masken bezeichnete er als „Maulkörbe“, eine gesunde Ernährungsweise sei der beste Schutz gegen Infektionskrankheiten. Rapunzel beschäftigt nach eigenen Angaben über 380 MitarbeiterInnen und erwirtschaftete 2017 einen Gewinn von 17,4 Millionen Euro.
Rechtsnationalistischen Haltungen nahe
Mit Otterpohl hat Rapunzel nun offensichtlich einer Person ein Forum gegeben, die rechtsnationalistischen Haltungen nahesteht. Bei den Anastasia-Selbstversorgern befinden sich auch Rechtsesoteriker wie Frank Willy Ludwig, der laut einer Recherche des Bayerischen Rundfunks (BR) erklärte: „Die jüdische Rasse werdet ihr an der grauen Hautfarbe und den dunklen, finsteren Augen der Nacht erkennen.“
In den Fantasyromanen von Wladimir Megre, auf denen das Anastasia-Siedlungskonzept beruht, liest man, dass Jüdinnen und Juden die Regierungen manipulierten und ein jüdischer Oberpriester die Welt beherrsche. Otterpohl schreibt in seinem Buch auf Seite 76: „Anastasia liefert spannende, überraschende und oft sehr praktische Vorschläge, interessante Bewertungen des Stadtlebens und sehr weitreichende Visionen für die Zukunft“
Trotz Professorentitel vertritt er hier eine wirre verschwörungsideologische Mischung aus Kennedy-Mord, Chemtrails, gefährlicher Fluorid-Zahnpasta („Gehirnzerstörung!“) und von der Pharmaindustrie verhinderter Krebsheilung durch Naturkräfte. All dies konnten die ZuschauerInnen auch im Juli 2018 bei Rapunzel in Legau hören oder später am Bildschirm nachverfolgen: Aus dem Publikum ist Zustimmung zu den Thesen Otterpohls zu vernehmen.
Zwischendurch erläutert der Professor auch wenig problematische Möglichkeiten zur Bekämpfung der weltweiten Bodenerosion. Nach dem Vortrag Otterpohls stellte Robert Briechle, der der „Reichsbürger“-Bewegung nahesteht, seinen Landsitz im Allgäu vor.
„Erfrischender Aufruf zu Optimismus“
Recherchen der Autorin dieses Beitrags führten dazu, dass Rapunzel Video und Veranstaltungsbericht von seiner Website entfernte. Zuvor hatte es dort noch begeistert geheißen, das Event sei ein „erfrischender Aufruf zu Optimismus und dem Mut, das Leben in die eigene Hand zu nehmen“ gewesen. 4.500 Aufrufe hatte das Video bis zu seiner Löschung immerhin generiert.
Eine Pressesprecherin betonte auch bei einer erneuten Anfrage der taz, der Konzern habe nichts mit „rechtsextremen und verwandten Ideologien“ gemein. „Zum damaligen Zeitpunkt lagen uns keinerlei Informationen zu einer Nähe zu rechtsextremen, völkischen, antisemitischen oder antidemokratischen Gedanken oder Netzwerken vor“, heißt es in der Stellungnahme.
Erst nach „ausführlich kritischen Hinweisen von Kundenseite zu den Beiträgen und Positionen Herrn Otterpohls“ habe man „nach intensiver Diskussion das Vortrags-Video und den Nachbericht zu der Veranstaltung“ aus dem Netz genommen.
Recherchen zeigen: Otterpohl ist eng mit der Anastasia-Bewegung verbandelt. Bereits im April 2018 hatte der Professor im schweizerischen Elfingen „geomantische“ Kurse zur Wahrnehmung von sogenannten Elementarwesen angeboten. Veranstaltungsort: Der „Garten Weden“, einer der Familienlandsitze der Anastasia-Bewegung. Geomantie, also eine esoterische „Erfahrung“ von Energiefeldern, dem Feng-Shui nicht unähnlich, empfahl der Professor auch dem Rapunzel-Publikum und seinen Student*innen.
Thesen nicht mehr in der Hochschule
Erst im November distanzierte sich Otterpohl wenig glaubwürdig von den problematischen Siedlern, denn gleichzeitig bestärkte er seine enge Zusammenarbeit mit dem Briechle-Hof.
Immerhin will Otterpohl künftig seine kruden Thesen nicht mehr in der Hochschule verbreiten: Nach der Beschwerde der StudentInnen habe „ein konstruktiver Austausch“ stattgefunden, heißt es in einer Stellungnahme der TU Hamburg. Otterpohl habe versichert, „die Inhalte seiner Forschung und Lehre künftig von seinen privaten Interessen zu trennen und so auch auf das TU-Logo bei außeruniversitären Veranstaltungen zu verzichten.
Bis zum heutigen Stand hat uns“, schreibt die TU, „nach diesem Gespräch keine weitere Beschwerde seitens der Studierendenschaft erreicht.“
Zu diesem Text erhielten wir eine Stellungnahme von Ralf Otterpohl, die wir hiermit im Sinne einer breiten Debatte unkommentiert und ohne Überprüfung des Wahrheitsgehalts veröffentlichen.
„In dem Artikel über mich sind mehrere falsche Darstellungen. Die Diskussion über die vielfältigen Ursachen des Klimawandels wird unter Wissenschaftlern breit geführt. Im Gegensatz zur Behauptung im Artikel ist ein wesentlicher Punkt meiner Vorträge die Aussage, dass der menschengemachte Klimawandel ganz erheblich ist und besonders stark auf Abholzung, falsche Beweidung und ganz besonders die Bodenzerstörung durch die agrochemische Landwirtschaft zurückzuführen ist. Damit bin ich Teil des breiten wissenschaftlichen Konsenses und kein „Klimawandelleugner“.
In meinem Buch „Das neue Dorf“ mache ich nicht, wie behauptet, Werbung für die Anastasia-Buchreihe aus Russland und die nach ihr benannte Bewegung. Ich stelle sie lediglich, neben zahlreichen anderen Ansätzen für Ökodörfer in aller Welt, in einem kurzen Abschnitt vor, der auch einen kritischen Hinweis auf die inakzeptablen Einstellungen einzelner Akteure enthält. Ich hatte mit dieser Gärtnerbewegung, im Gegensatz zur Behauptung, nur sehr sporadisch zu tun und bin mit ihr nicht „eng verbandelt“.
Ich stehe keiner rechtsnationalistischen Haltung nahe und distanziere mich entschieden von Äußerungen wie dem von Frau Landwehr eingefügten Zitat von Frank Willy Ludwig. Hier wird suggeriert, dass ich solche Äußerungen teile. Das entspricht absolut nicht den Tatsachen. Die von Frau Landwehr verwendeten Etikettierungen „Verschwörungstheoretiker“ und „rechter Esoteriker“ sind rufschädigend und ehrverletzend.
Der Fachbegriff für „Chemtrails“ ist „Geo-engineering“. Dessen illegale Anwendung ist mit vielen wissenschaftlichen Publikationen und auch behördlichen Messwerten von drastisch gestiegenen Aluminiumbelastungen der Atmosphäre leider sehr wahrscheinlich. Gehirnschädigungen und Intelligenzverlust durch Fluoridbelastungen (insbesondere Natrium-Fluorid) sind wissenschaftlich gesichert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen