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Rechte Öko-Zeitung „Die Kehre“Vom Abo in die Auslage

Die extremrechte Naturschutzzeitschrift „Die Kehre“ gibt es nun auch am Bahnhofskiosk. Ein Fan des Blattes? Der rechtsextreme AfDler Björn Höcke.

Burg Hanstein in Bornhagen, Heimat des „Naturliebhabers“ Björn Höcke Foto: Steve Bauerschmidt/imago

Die extremrechte Naturschutzzeitschrift Die Kehre möchte einen neuen Markt erschließen. Die Sommerausgabe der „Zeitschrift für Naturschutz“ um Chefredakteur Jonas Schick findet sich am Bahnhofkiosk. Knapp über ein Jahr nach der Erstausgabe eine weitere Bemühung, den „deutschlandverachtenden Grünen das Thema Natur- und Umweltschutz“ zu entreißen. Im Interview der aktuellen Ausgabe legt der thüringische Landtagsfrak­tions­vorsitzende der AfD Björn Höcke diese Intention für ebendieses politische Milieu dar.

Die Redaktion der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift betreibt keine Mimikry. Schick, der aus der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ kommt, versucht nicht nur über die Thematik Ökologie Interessierte für die selbsternannte „patriotische Bewegung“ zu gewinnen. Der Chefredakteur sieht das Thema Ökologie aktuell in einer „Verengung auf den Klimaschutz“ behandelt.

Seiner Ansicht nach zählen auch Themen wie „Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, also auch Haus und Hof“, dazu. So liest es sich in der Selbstdarstellung auf der Webseite. Die Subbotschaft: die links-alternative Ökologiebewegung, inklusive Friday for Future, habe ein beschränktes Ökologieverständnis.

Keine Überraschung, dass Höcke, der schon die Erstausgabe offensiv via Facebook bewarb, in dem fünf Seiten langen Interview darlegt, dass, „wer sein Land liebt“, auch „dessen natürliche Lebensgrundlage erhalten“ will. Es wäre ein „Treppenwitz und Unglück zugleich, dass ausgerechnet“ die Grünen das „Thema Natur- und Umweltschutz restlos gekapert“ hätten, „um ihre in letzter Konsequenz umweltfeindliche Ideologie den naturverliebten Deutschen als saftig-süße Melone zu verkaufen – außen grün und innen rot“, sagt Höcke.

Kritik gegen Grüne – und die AfD

Der Mitbegründer des – nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz das Netzwerk als rechtsextremistisch einstufte – aufgelösten „Flügels“ wettert aber nicht bloß gegen die Grünen, er klagt auch über die AfD. Es würde nicht reichen, bloß „abfällig vom ‚Ökowahn‘ zu sprechen“, die AfD müsste „dieses elementare Thema“, das den „klassischen Umweltschutz“ mit dem „Erhalt und [der]Pflege unserer Kulturlandschaft“ verbinde, „weit oben auf ihre politische Agenda stellen“.

Und er gibt gleich die Linie vor, dass den Wäh­le­r:in­nen die notwendige Beschränkung des Lebensstandard nahegebracht werden könnte, wenn der Begriff „Lebensstandard quantitativ“ erweitert werde. Würde nicht „neben dem Materiellen“ auch eine intakte Umwelt und Natur dazu zählen, schlägt er vor.

In der sechzig Seiten langen Zeitschrift greift Hagen Eichberger, Autor in extremrechten Publikationen wie Zuerst! oder Sezession, die „Animal Liberation Front“ an und hebt das Hegen und Pflegen der Jägerschaft im Naturschutz hervor. Das Eigenheim müsste bewahrt und weiter gebaut werden dürfen, schreibt Carlo Clemens in der Ausgabe. Denn das eigene Haus sei der „beste Ort“ für ihr gesellschaftliches „Leitbild“: die Familien, so der Bundesvorsitzende der AfD-Jugendorganisation.

Der Name der Zeitschrift geht auf einen Vortrag von Martin Hei­deg­ger zurück. In „Die Technik und die Kehre“, 1951 veröffentlicht, beklagt der zutiefst antisemitische Philosoph die Auswirkung der Technologie. Am Horizont erkannte er allerdings die Möglichkeit einer Kehre. Im Nationalsozialismus sah er eine Möglichkeit zur Umkehr, zur Befreiung von der Moderne. Diesen Zusammenhang blendet nicht allein der Chefredakteur aus.

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5 Kommentare

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  • Ich meine, zumindest mit diesem Teil:

    "Und er gibt gleich die Linie vor, dass den Wäh­le­r:in­nen die notwendige Beschränkung des Lebensstandard nahegebracht werden könnte, wenn der Begriff „Lebensstandard quantitativ“ erweitert werde. Würde nicht „neben dem Materiellen“ auch eine intakte Umwelt und Natur dazu zählen, schlägt er vor."

    hat er halt leider auch nicht völlig unrecht. Nachhaltig und ökologisch verträglich zu Leben heißt nunmal auch zum Teil Verzicht. Und da sich die Grünen, zumindest die, die was zu sagen haben, ja inzwischen tatsächlich zu weiten Teilen der Erweiterung des neoliberalen Märchens um das "grüne Wachstum" verschrieben haben fällt das - leider - durchaus auf fruchtbaren Boden. Leider ob des ganzen anderen Mists dem es hier hauptsächlich als Vehikel dient, nicht weil das Problem kein reales wäre.

  • Naturschutz hat mit gesellschaftspolitischen Themen nur indirekt zu tun, man kann also von linker, rechter oder neutraler Seite dafür argumentieren.

    Interessant wäre vielmehr die Frage, wie der Faschist Höcke es rechtfertigt, die Ideologie der Grünen für "umweltfeindlich" zu erklären. Schade, dass hier keine Argumente zitiert werden. Zumindest in Naturschutzdingen müssten sich rechte und linke Naturschützer doch einig sein, da gibt's ja nicht viel dran rumzudeuteln. Es sei denn, es geht gar nicht wirklich um Naturschutz.

  • In einem Punkt muss ich Herrn Schick - leider - recht geben: die einseitige Verengung auf Klimaschutz blendet andere, ebenso überlebenswichtige ökologische Probleme wie Meeresverschmutzung, Plastikmüll, Artensterben weitestgehend aus, ein paar der Klimaschutz-Maßnahmen tragen sogar zu diesen Problemen bei: Waldrodungen für E-Mobilität und Bahnstrecken, Hausdämmung als Sondermüll, Absaugen von Grundwasser für "grüne" Technologien, Zupflastern von wertvollen Biotopen mit Solarpanels, Forcierung des Abbaus seltener Rohstoffe in Dritte-Welt-Ländern, nur um einige Beispiele zu nennen.

    Man muss das eine (Klimaschutz) tun, darf aber das andere (Arten- und Umweltschutz) nicht lassen.

    Hier legen die Rechten einen Finger in eine tatsächlich existierende offene Wunde und können so Unbedarfte ködern.

  • Die "Angelegenheit" Martin Heidegger ist überaus kompliziert, historisch interessant und durch Verwicklungen sowie Verstrickungen dubios, daher wäre ein differenzierter Blick der taz wünschenswert. Immerhin war er für Hannah Arendt keine Unperson, GANZ IM GEGENTEIL. So ist das mit PHILOSOPH:INNEN.//



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    www.deutschlandfun...rticle_id=134448//



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  • Wird wohl im Wettbewerb der Ideen, die Umsetzung-Potenziale haben, eher wieder verschwinden, diese Zeitschrift, als die kontrovers diskutierte Philosophie des Martin Heidegger. Die Abo-Zahlen wären interessant, auch evtl. Rezensionen und Werbung in "Die Kehre". Mal sehen, ob man zur Abgrenzung ein Exemplar in der Bahnhofsbuchhandlung durchblättern kann, oder ob es schnell vergriffen ist. Physisch begründete Berührungsängste wären im Diskurs wohl überprotektiv.