Reaktionen auf Wahl in Russland: Nur die AfD gratuliert Putin

Bundeskanzler Olaf Scholz sendet Wladimir Putin keine Glückwünsche. Deutschland und die EU halten seine Wiederwahl nicht für rechtmäßig.

Vor einem Fernseher verfolgt eine Person die Ergebnisse der Wahlen in Russland.

Keine Überraschung: Vladimir Putin vor einer weiteren sechsjährigen Amtszeit Foto: Maxim Shemetov/reuters

BERLIN taz | Die Bundesregierung erkennt den Wahlsieg von Amtsinhaber Wladimir Putin bei der russischen Präsidentschaftswahl „nicht als rechtmäßig“ an. Die Bundesregierung sehe die Wahl als „weder frei noch fair“ an, sagte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. „Es ist keine demokratische Wahl gewesen.“ Das Ergebnis habe eindeutig bereits vorher festgestanden und der Wahlkampf sei von einem „Klima der Einschüchterung“ geprägt gewesen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe Putin „nicht gratuliert“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann weiter. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Putin – anders, als in solchen Fällen eigentlich üblich – nicht zu seiner weiteren Amtszeit. Das Auswärtige Amt will ebenfalls nicht gratulieren, wie ein Sprecher am Montag sagte.

Die russische Präsidentschaftswahl vom Wochenende wird von massiven Manipulationsvorwürfen überschattet. Nach der Auszählung von 98 Prozent der Stimmzettel erhielt Russlands Präsident Wladimir Putin laut der staatlichen Wahlkommission mehr als 87 Prozent der Stimmen – ein Rekordergebnis, das Beobachtern zufolge allerdings nur durch Repression, Zwang und Betrug erreicht worden sein soll. Putin ist mittlerweile seit rund einem Vierteljahrhundert in Russland an der Macht und steht damit vor einer weiteren sechsjährigen Amtszeit.

Wahlbüros in besetzten Gebieten

Die Bundesregierung verurteilt nach Angaben von Regierungssprecherin Hoffmann auch, dass Russland die Wahl in den besetzten Gebieten in der Ukraine abgehalten hat. Die Wahl sei „äußerst problematisch“, hieß es. „Wir erkennen das natürlich in keiner Weise an, und nur die Ukraine hätte das Recht, auf diesem Territorium auch Wahlen durchzuführen. Das ist unsere Beurteilung dieser sogenannten Wahl, und deshalb hat der Bundeskanzler auch nicht gratuliert“, sagte Hoffmann.

Einem Sprecher des Auswärtigen Amts zufolge hat die Bundesregierung auch nicht vor, in irgendeiner anderen Form Putin zu gratulieren. Die „Scheinwahlen“, die Russland abgehalten habe, beschränkten sich nicht nur auf die Ukraine. Auch in Transnistrien sowie in den georgischen Gebieten Abchasien und Südossetien habe Russland völkerrechtswidrig Wahlbüros organisiert, erklärte der Sprecher. Hier werde versucht, über Abstimmungen die Integrität der jeweils betroffenen Länder zu untergraben. „Wir werden die Ergebnisse solcher Schein-Wahlen nicht anerkennen“, bekräftigte er.

Zur Frage, ob die Bundesregierung Putin dennoch als Präsident ansprechen wolle, sagte Hoffmann, die Frage stelle sich derzeit nicht. Die Kontakte zu Russland seien „sehr heruntergefahren“, auch wenn von deutscher Seite grundsätzlich Gesprächsbereitschaft bestehe. Der Außenamtssprecher sagte, der Kreml-Herrscher sei schon bisher von deutscher Seite nur „als Putin“ ohne Amtsbezeichnung genannt worden. Somit ändere sich nichts.

Kritik und Spott aus der EU

Auch die EU will das Ergebnis der Abstimmung in Russland nicht anerkennen. Sie sei weder frei noch fair gewesen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister am Montag in Brüssel.

Die Minister verabschiedeten eine Erklärung, in der sie große Einschränkungen und die Abwesenheit von internationalen Wahlbeobachter beklagen. Damit sei eine unabhängige Bewertung des Votums verweigert worden. Die Wahlergebnisse in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten seien unwirksam, so die EU weiter.

Offizielle Gratulationen an Präsident Waldimir Putin, wie sie sonst international üblich sind, blieben aus. Der EU-Ratsvorsitzende Charles Michel hatte sich bereits vor der Bekanntgabe der Ergebnisse über die Abstimmung lustig gemacht. „Ich würde Wladimir Putin gerne zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren“, schrieb der Belgier am vergangenen Freitag im Onlinedienst X. „Keine Opposition. Keine Freiheit. Keine Auswahl“, fügte Michel hinzu.

Glückwünsche aus Iran und Venezuela

So sarkastisch, wenn nicht zynisch hat die EU noch nie auf eine Wahl reagiert. So wurde die Präsidentschaftswahl in der Türkei im Mai 2023 zwar als unfair kritisiert, das Ergebnis jedoch nicht angezweifelt. Auch die Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan am 7. Februar ging ohne ätzende Kommentare aus Brüssel über die Bühne – obwohl Machthaber Ilham Alijew mit angeblichen 92,5 Prozent der Stimmen noch „besser“ abschnitt als Putin.

Besonders scharfe Kritik kam aus dem Baltikum. „Recht kann nicht aus Rechtlosigkeit entstehen“, erklärte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis am Montag in Vilnius. Er bezeichnete die Wahl als „eine tragische Farce“. Auch die Außenministerien in Estland und Lettland verurteilten die „sogenannten Wahlen in Russland“ scharf. „Putin fehlt jegliche demokratische Legitimität, er ist ein Autokrat und das schon seit langem“, teilte Estlands Außenminister Margus Tsahkna mit. Der Kremlchef sollte vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden. „Putins richtiger Platz ist in Den Haag.“

Die Vertreter westlicher Staaten sind sich in ihrer Kritik einig. Mit Russland verbündete Staaten wie China gratulierten Putin hingegen zu seinem Sieg. Auch der Iran, Venezuela, Nicaragua, Kuba und Bolivien gratulierten dem russischen Staatschef. Am Donnerstag und am Freitag steht in Brüssel das Gipfeltreffen des Europäischen Rates an – Kanzler Olaf Scholz (SPD) will dazu am Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben.

„Wahlbeobachter“ aus Deutschland

Kritik an Putins Wiederwahl kam indes auch aus der SPD: „Diese Fake-Wahl war weder frei noch fair“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gabriela Heinrich: „Ernstzunehmende Gegenkandidaten zu Putin wurden nicht zugelassen. Wichtige Oppositionelle, Regimekritikerinnen und -kritiker sitzen in Straflagern, befinden sich im Exil oder sind tot.“

Widerspruch kam aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht. „Es bringt nichts, die Legitimität der russischen Wahl anzuzweifeln“, sagte Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der BSW-Gruppe im Bundestag, bereits am Freitag dem Tagesspiegel. „Damit beraubt man sich nur eines eigenen Einflusses.“ Wagenknecht selbst bezeichnete die Wahl in Russland an anderer Stelle als „Farce“.

Den ersten Preis im Wettkampf um Putins willfährigstes Propaganda-Sprachrohr in der deutschen Politik dürfte an Hans-Thomas Tillschneider von der AfD gehen. Der stellvertretende Landeschef Sachsen-Anhalt, der auch in Kriegszeiten noch nach Russland reiste, gerne bei Russia Today auftritt und bei Demos mit Russlandfahne herumläuft, gratulierte „Wladimir Wladimirotisch Putin“ untertänigst auf Deutsch und Russisch.

Tillschneider wünscht sich deutschen Putin

Tillschneider wünschte sich zur Feier des Tages ein ähnliches Regime wie Putins auch hierzulande: „Herzlichen Glückwunsch an ihn und an das russische Volk. Ich wäre froh, wenn unsere Regierung unser Interesse so wahren würde wie Putin das Interesse des russischen Volkes.“

Tillschneiders Positionen sind auch in der AfD nicht unumstritten. Drei Landtagsabgeordnete aus Bayern hatten vor der Wahl angekündigt, als „Wahlbeobachter“ nach Russland fahren zu wollen. Sowohl die als russlandfreundlich bekannte AfD-Bayern als auch der Bundesvorstand kritisierten das. (mit afp und dpa)

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