Reaktionen auf Übergriffe in Sachsen: „Nicht bis zum ersten Toten warten“

Das Flüchtlingsheim in Clausnitz bekommt einen neuen Leiter. Bundesjustizminister Maas warnt derweil vor Rassismus, Bundeskanzlerin Merkel ist „beschämt“.

Mann mit Brille im Anzug - es ist Justizminister Maas (SPD)

Justizminister Maas wettert gegen den Mob und warnt vor der AfD. Foto: dpa

BERLIN/DRESDEN dpa/rtr/epd | Bundesjustizminister Heiko Maas hat Politik und Gesellschaft dazu aufgerufen, sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit offen entgegenzustellen. „Wir dürfen nicht warten, bis es den ersten Toten gibt. Wir brauchen eine neue Kultur des Widerspruchs“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die schweigende Mehrheit in der bürgerlichen Mitte dürfe nicht länger schweigen.

Der Justizminister verurteilte die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen: „Wer Asylunterkünfte anzündet oder mit unverhohlener Freude Beifall dafür klatscht, für den gibt es keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung. Das ist an Rohheit und Primitivität nicht zu überbieten.“

Maas appellierte an die Bürger, sich von der AfD und der Pegida-Bewegung fernzuhalten. „Jeder, der bei AfD oder Pegida mitläuft, sollte wissen, wen er da unterstützt: Wer Flüchtlinge mit ihren Kindern an der Grenze erschießen lassen will, der hat verfassungsfeindliche Gewaltfantasien“, sagte er. Mit den Werten des christlichen Abendlandes habe das nichts zu tun. „Die AfD entwickelt sich zu einer rechtsradikalen Partei.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich über die ausländerfeindlichen Proteste in Sachsen beschämt geäußert. „Was da in Clausnitz geschehen ist, ist zutiefst beschämend“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Wie kaltherzig, wie feige muss man sein, um sich vor einem Bus mit Flüchtlingen aufzubauen und zu pöbeln und zu grölen, um den darin sitzenden Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, Angst zu machen.“ Viele Menschen zeigten täglich, dass das Land anders sei. Im Kern gehe es um Menschen in Not. „Wer es anders will, wer so etwas wie Clausnitz gutheißt, der muss eine ganz klare Antwort darauf von allen staatlichen Kräften und der großen Mehrheit der Bürger bekommen.“

Neuer Leiter für Flüchtlingsunterkunft

Das Flüchtlingsheim in der mittelsächsischen Gemeinde bekommt nach den Vorfällen dort einen neuen Leiter. „Wir haben die Entscheidung zum Schutz seiner Person und durch die bundesweite Diskussion über ihn getroffen“, erklärte Landrat Matthias Damm am Montag. Nach Medienberichten gehörte der Leiter der AfD an. Der Landrat verurteilt erneut die Art des Protestes: „Eine ablehnende Minderheit vermittelt ein Menschenbild, welches unserer Region überhaupt nicht entspricht.“

Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz sieht Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) erheblichen Aufklärungsbedarf. Er begrüße, dass es zu den Vorfällen an einem Flüchtlingsheim eine Sitzung des Innenausschusses im Landtag geben werde, sagte Mackenroth am Montag im RBB. Er räumte mögliche Versäumnisse ein: „Wir müssen uns zunächst fragen, haben wir eigentlich genug Polizeikräfte vor Ort gehabt, hat die Polizei dann richtig reagiert.“

Die Polizei habe den Auftrag, die Flüchtlinge zu schützen. „Ich frage mich auch, warum ist das eigentlich vorher nicht geschehen, warum macht man eine solche Anreise im Schutz der Dunkelheit. Da gibt man doch alkoholisierten Massen geradezu die Gelegenheit zu solchen Übergriffen, lädt sie ein bisschen dazu ein“, sagte Mackenroth. Er verurteilte die Übergriffe fremdenfeindlicher Demonstranten als widerlich und nicht hinnehmbar.

Ermittlungen gegen Gaffer

Die Staatsanwaltschaft Görlitz will Ermittlungen gegen drei junge Männer im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Bautzen einleiten. Konkret geht es um den Vorwurf, die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert zu haben, wie Staatsanwältin Irene Schott am Montag auf Anfrage mitteilte. Im Strafgesetzbuch ist das als „Widerstand gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen“ erfasst. Eine solche Tat kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Im Fokus stehen drei Männer im Alter von 19 und 20 Jahren. Die beiden 20-Jährigen waren von der Polizei als alkoholisiert bezeichnet und in Gewahrsam genommen worden. Die Staatsanwaltschaft will auch prüfen, ob bei den drei Tatverdächtigen eine Beteiligung an dem Brandanschlag selbst infrage kommt. Bei den Löscharbeiten hatten sich etwa 20 bis 30 Gaffer eingefunden, die laut Polizei „abfällige Bemerkungen“ machten oder “unverhohlene Freude“ über das Feuer zeigten. Verletzt wurde niemand, die Unterkunft war noch unbewohnt.

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