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Reaktionen auf EU-KlimapaketFür 1,5 Grad reicht es nicht

Klimaschützer finden die EU-Ziele zu niedrig und den Weg zu unsozial. Die Wirtschaft wiederum fühlt sich nicht ausreichend „geschützt“.

Demonstration gegen deutschen Klimapolitik am 8. Juni 2021 in Berlin. Wird die EU es besser machen? Foto: Stefan Boness/Ipon

Für viele Umweltverbände stand schon vor der offiziellen Vorstellung des „Fit for 55“-Pakets am Mittwochnachmittag fest, dass sie damit nicht zufrieden sind. Denn ganz unabhängig von den Maßnahmen, die dabei im Mittelpunkt stehen, geht ihnen das Ziel nicht weit genug, das sich im Namen des Pakets findet: Die Reduktion der Treib­hausgase um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 reiche nicht, um einen fairen Anteil der EU zum Erreichen des Pariser Klimaziels zu erbringen, meint etwa der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. „Wir nehmen erste Ambitionen wahr, doch um die Klimaerhitzung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, muss die EU ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent reduzieren.“ Auch der Dachverband DNR plädiert für ein höheres Ziel.

Doch auch die Maßnahmen stoßen bei Umweltverbänden teilweise auf Kritik. Während manche Vorschläge wie das Aus für neue Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 und eine Steuer auf Kerosin grundsätzlich begrüßt werden, sehen die Verbände den neuen europaweiten CO2-Emissions-Handel im Bereich Verkehr und Wohnen skeptisch: Denn während in Deutschland geplant ist, die Einnahmen daraus zum Großteil an die Bür­ge­r*in­nen zurückzugeben, spricht die EU davon, dass nur ein Teil des Geldes zur Unterstützung ärmerer Menschen verwendet werden soll. Es müsse sichergestellt werden, dass die „Kosten nicht einseitig zu Lasten Geringverdienender gehen“, meint der BUND.

Auch das European Environmental Bureau (EEB) warnt: „Ohne ein Auslaufen fossiler Kraftstoffe wird die Kraftstoffindustrie die Emissionskosten für Gebäude und Verkehr an die Verbraucher weitergeben und weiterhin immense Profite machen“. Kritisch sieht EEB-Experte Stephane Arditi auch den geplanten Schutz der europäischen Industrie durch eine neue CO2-Abgabe für importierte Produkte. So wie diese derzeit geplant sei, diene sie eher dazu, „die EU-Industrie zu schützen, als die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu beschleunigen“.

Kritik an diesem Instrument kommt auch von der Industrie, allerdings mit einer völlig anderen Stoßrichtung: Sie fühlt sich nicht ausreichend geschützt. Die geplanten Grenzausgleichsmechanismen seien „missbrauchsanfällig“ und riskierten „neue Handelskonflikte“, erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Stattdessen müsse die international konkurrierende europäische Wirtschaft weiterhin kostenlose CO2-Zertifikate erhalten, fordert der BDI ultimativ: Das sei „unter keinen Umständen verhandelbar“.

Die Stunde hat geschlagen

Die Lufthansa kritisierte zudem die Vorschläge der EU-Kommission für eine Kerosinsteuer und eine verbindliche Quote für nachhaltige Kraftstoffe. Diese könnten zu „erheblichen Wettbewerbsnachteilen für europäische Fluggesellschaften“ führen, warnte eine Sprecherin.

Anders fällt die Einschätzung zum geplanten Verbot neuer Verbrennungsmotoren aus: Während der Verband der Automobilindustrie dies ablehnt, plant Volkswagen ohnehin schon, in Europa spätestens 2033 keine Verbrenner mehr zu verkaufen; andere europäische Hersteller haben ähnliche Pläne. Patrick Hummel, Autoanalyst bei der UBS-Bank, sieht die Ankündigung darum entspannt. „Das hilft, den Übergang ins neue Zeitalter zu meistern“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. „Die wenigen, die bislang den Kopf in den Sand gesteckt haben, bekommen schwarz auf weiß, dass die Stunde geschlagen hat.“

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11 Kommentare

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  • Um die Erderhitzung auf 3,2 Grad Jahresdurchschnitt zu bremsen, müsste von der Denklogik sich einiges fundamental ändern.



    Joe Biden und die EU wollen den Pinguinen 10€/$ anbieten.



    Das Fitfor-55-Paket weitet den Emissionshandel aus und will dann "stimmige Kennzahlen" erreichen.



    Das Klima liest keine wirtschaftswissenschaftlichen Zahlen ab und sagt dann "stimmt so.



    Es geht nur mit Reduktion aller Emissionsquellen, also



    - weniger verbrauchen



    - weniger produzieren



    - nicht in Absatzmärkten denken



    - nichts auslagern - wohin?



    - CO2-Preise auf etwas was man nicht erzeugen soll.



    Von der Leyen und ihre Mannen kommunizieren mit sich, mit ihrer Ökonomie, nicht mit dem Erhitzungsprozess. Sie sind dumm.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Viel zu spät, viel zu wenig, der Klimawandel kommt und die Erde wird sich vermutlich um die 5 Grad+ Durchschnitt bis 2100 erhitzen.

  • Es gibt Fakten an denen man nicht vorbei kommt:



    1.) Der Klimawandel ist real, er kommt



    2.) Die Reduktion von CO2 kostet viel Geld



    3.) Das Geld für die CO2 Reduktion muss verdient werden



    4.) Nur mit der Eu Wirtschaft und Industrie kann man das notwendige Geld dafür verdienen



    Daraus folgt, daß eine Reduktion der Wirtschaftsleistung und daraus folgend auch eine Reduktion der für Klimawandel notwendigen Mittel nicht zielführend sein kann um den Klimawandel zu bekämpfen.

    Denn es dürfte klar sein, daß die Bereitschaft der Menschen für Klimapolitik Geld auszugeben schnell sinken wird, wenn das Geld dann in anderen, subjektiv wichtiger erscheinenden Themen (Wohnen, Ausbildung, Nahrung, Gesundheit etc.) fehlt.

    Wer die Bedürfnisse der Menschen ignoriert wird bei der Bekämpfung des Klimawandels am Ende scheitern.

    • @Paul Rabe:

      Es gibt genauso weitere Fakten, an denen wir nicht vorbeikommen.

      1.) Dass er kommt, selbst im Schutzraum Europa (kaum Vulkane/Erdbeben, stabil gemäßigtes Klima, gute Infrastruktur etc.) spürbar wird, steht außer Frage. Wie heftig der Impact sein wird, haben wir aber sehr wohl noch in der Hand.

      Viel wichtiger - und das ist ja auch im Erkanntnisweg der FFF-Bewegung immer deutlicher Kernpunkt der Forderungen geworden - ist doch, dass wir uns dem im Bewusstsein der Klimagerechtigkeit stellen.

      2./3./4.) Da ja durch Kreditschöpfung und EZB die Umlaufgeldmenge gesteuert werden kann, ist das "Verdienen" von Geld nur eine Option, die Mittel bereit zu stellen.



      Grundsätzlich halte ich die Argumentation mit ökonomischen Sachzwängen aus dem Wachstumsparadigma für schwierig.

      Eine Ursache des Übels als handlungsweisenden Rahmen für die Bekämpfung desselben heranzuziehen.

      Wessen Bedürfnisse meinen Sie?



      Die des satten in Westeuropa lebenden Menschen nach Urlaub, Auto, Kosmetik oder die der jetzt schon akut Betroffenen in vielen Regionen der Welt?

      Womit wir wieder beim Thema Klimagerechtigkeit sind: Diejenigen, die durch Einschnitte in den von Ihnen genannten Themenfeldern betroffen wären, sind ja auch wieder diejenigen, die unter den Folgen leiden werden (schlechterer Zugang zu Gesundheitsinstituten z.B.)

      Wenn wir denn bei dem Thema überhaupt in wirtschaftlicher Logik denken dürfen, komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass ich genau weiß, wo die benötigten Geldmittel ungenutzt (außer zur weiteren Geldvermehrung) herumliegen.

      Bei den Bedürfnissen der Menschen müssen wir schon auch differenzieren. Selbst reflektierte Menschen sind nicht resistent gegen die Bedürfniserweckungsindustrie Werbung.

      Wenn wir ökonomische (Schein-)Sachzwänge als Parameterrahmen zulassen, werden wir bei der Bekämpfung des hart kaskadierenden Klimawandels scheitern.

      • @Horstl Fambacher:

        Genug Schulden machen, damit die Maßnahmen gegen den Klimawandel finanzieren und die Wirtschaft einfach ignorieren - ist das Ihre Patentlösung? Warum wollen Sie denn die Wirtschaft nicht mitnehmen? Weil sie die "Ursache des Übels" ist?

        Ein aktuelles Beispiel, wie der Staat und die Unternehmen den CO2-Ausstoss reduziert haben: Homeoffice. Das ist nur ein kleines Beispiel wie die Digitalisierung die Welt intelligent verändern wird, mit positiven Effekten auf unser Klima. Und wir sind erst gerade am Anfang dieser technologischen Entwicklungen.

        Wachstumsparadigma oder De-Growth-Strategie ist nicht die Frage. Entscheidend ist wie groß der Einfluss einer wirtschaftlichen Wertschöpfung auf unser Klima ist, sprich wie groß der CO2-Ausstoss ist. Um beim Beispiel Homeoffice zu bleiben, er ist eine deutlich klimafreundlichere Alternative, die zudem nicht wachstumsschädlich ist.

        Was unserem Klima hilft? Vor allen Dingen keine Möglichkeiten und keine Mitstreiter ausschließen!

      • @Horstl Fambacher:

        "Da ja durch Kreditschöpfung und EZB die Umlaufgeldmenge gesteuert werden kann, ist das "Verdienen" von Geld nur eine Option, die Mittel bereit zu stellen."



        Bitte nicht "Geld" und "Kapital" verwechseln, bzw. in einen Topf werfen. Geld ist ein Zahlungsmittel, Kapital eine Produktivkraft.



        Geld kann man drucken. Dadurch wird aber das Kapital nicht mehr, sondern nur auf eine größere Geldmenge verteilt. Der, der das neu gedruckte Geld bekommt, freut sich; dessen Wert hat er aber anderen Leuten, z.B. Lohnabhängigen, gestohlen.

  • Falls die EU-Pläne tatsächlich umgesetzt werden sollten, dann sollte man sein Anlagendepot mittelfristig umstellen und stärker in US- und chinesische Werte investieren, den Stromeigenverbrauch selbst erzeugen und in den kommenden 10 bis 15 Jahren vom eigenen Arbeitsplatz und dem staatlichen Rentensystem finanziell unabhängig werden.

  • und Australien protestiert schon, weil CO2 Abgaben auf Importe in die EU dem Welthandel widersprechen...

    Es ist noch viel zu tun. Aber doch ein guter Anfang.

    Natürlich wird alles teurer, nicht nur durch den Spritpreis. Die Unternehmen können (fast) alles umlegen.

    Dei Lufthansa ist dabei am wenigsten betroffen. Einfach auf jeden Flugkilometer im Luftraum der EU die Kerosinsteuer und schon sind alle gleich betroffen. Hoffentlich stimmt nur die Meldung nicht, dass Privatjets von der Kerosinsteuer ausgenommen sind. Die sollten doppelt besteuert werden.

    • @fly:

      So einfach ist es mit der Lufthansa leider nicht. Die Airlines tanken heute schon da, wo es am billigsten ist, wenn es mit der Flugroute vereinbar ist



      Ihre Idee, die Kerosinsteuer nicht auf das getankte Kerosin zu erheben, sondern das verflogene in der Luft, ist gut. Es wird allerdings dazu führen, dass es nur quasi ein Aufschlag auf die schon bestehenden Überflugsgebühren darstellt. Das führt auch jetzt schon dazu, dass die Airlines um teure Gebiete herumfliegen. Das führt leider zu einem Mehrverbrauch - also das Gegenteil dessen, was man anstrebt.



      Trotzdem fände ich einen solchen Ansatz gut. Wirklich funktionieren tu das Ganze ohnehin nur, wenn alle Staaten mitmachen, aber irgendwo muss man ja anfangen.



      Aber die Lobby der Luftfahrtindustrie ist mächtig. Man kann sich vorstellen, was dabei rauskommt, wenn Braunkohle-Armin ans Ruder kommt.

  • Die Vorfreude der Autobauer kann ich verstehen. Das geplante Verbot dürfte ihnen noch viel lukrativer erscheinen als jede Abwrackprämie. Zwingt es doch viel mehr Leute, ein neues Auto anzuschaffen. Dass damit dem Klima oder den Arten geholfen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Im günstigsten Fall dürfte es sich um ein „Nullsummenspiel“ handeln, wenn zwar der Schadstoffausstoß am Ende der Verbrauchskette sinkt, der am Beginn dafür aber steigt.

    Im Übrigen finde ich die blöde Angewohnheit angeblich wirtschaftlich ganz besonders potenter Menschen, lautstark nach staatlichen Windelpackungen zu brüllen, zum Kotzen. Einen Wettbewerb zu gewinnen, wenn man gedopt wird, ist schließlich keine große Kunst. Es erfordert nur einen gewissen Mangel an Selbstwertgefühl, der zu allem Überfluss auch noch durch Großspurigkeit und Überkonsum ausgeglichen wird

    • @mowgli:

      ???

      Niemand wird durch die Pläne gezwungen, ein neues Auto anzuschaffen. Benziner, die vor dem Stichtag zugelassen worden sind dürfen auch weiterhin gefahren werden.