Reagieren auf Fake News: Eine Bratwurst auf die Klimakrise

Trolle reagieren auf Meldungen zur Klimakrise oft mit Häme. Manchmal ist das bloß ein Abwehrmechanismus, aus Angst heraus. Was wir dagegen tun müssen.

Mit Fleischwitzen wollen Trolle klimabewusste Ve­ge­ta­rie­r*in­nen oder Ve­ga­ne­r*in­nen provozieren Foto: Eberhard Thonfeld/imago

Die Schlagzeile lautet „Epidemie der extremen Hitze“, hohe Temperaturen werden laut einem Bericht der UNO zum Normalzustand. Der Post dazu auf der Instagram-Seite klima.taz bekommt über 1.600 Likes – das Thema hat Schlagkraft. Doch unter dem Post findet sich neben betroffenen und ernsten Kommentaren auch welche zynischer Natur: „Darauf erstmal eine Bratwurst“ schreibt ein User.

Ein Witz? Eine Provokation, weil er weiß, dass viele klimabewusste Menschen Ve­ge­ta­rie­r*in­nen oder Ve­ga­ne­r*in­nen sind? Oder vielleicht will er einfach zeigen, wie wenig er sich von solchen Nachrichten aus der Ruhe bringen lässt. Dasselbe bei einem weiteren Kommentator: „Klima hat sich immer gewandelt. Aber es gibt keinen Notstand und es kommt auch keine Apokalypse“, schreibt er.

Aber was, wenn diese User, die mit zum Teil leicht wiederlegbaren Falschmeldungen daherkommen oder die Klimakrise herunterspielen, doch nicht so harmlos sind, wie sie zunächst wirken?

Eine Eigenschaft von diesen Kommentierenden, die auf Social Media öffentlich den Klimawandel relativieren oder gar leugnen, ist, dass sie einen langen Atem haben. Einige kommentieren unter jedem Post von klima.taz. Sie posten die Inhalte in den eigenen Storys manchmal mit höhnischen Kommentaren, manchmal nur mit lachenden Emojis. Parallel bombardieren sie den Account in Direktnachrichten mit Videos, in denen Menschen von der „Klimalüge“ erzählen. Einige von ihnen schreiben tatsächlich mehrmals am Tag.

Desinformationen zur Verharmlosung

Das ist nicht immer nur vereinzelte Wut. Manche User sind dabei besonders umtriebig und posten von mehreren Profilen, um wie eine ganze „Armee“ an Un­ter­stüt­ze­r*in­nen zu wirken.

Vor diesem Hintergrund will man die vereinzelten Kommentatoren, die nicht Teil eines größeren Systems sind, beinahe belächeln. Doch eine Studie der Australian National University Anfang dieses Monats fand heraus, dass das stete Wiederholen von falschen oder skeptischen Aussagen in Bezug auf den menschengemachten Klimawandel diesen grundsätzlich mehr Glaubwürdigkeit verleiht – selbst bei Menschen, die Vertrauen in die Wissenschaft haben. „Die Ergebnisse zeigen, wie mächtig und heimtückisch Wiederholungen sind und wie sie die Beurteilung der Wahrheit durch die Menschen beeinflussen können“, so Mary Jiang, Leitautorin der Studie.

Die extreme Rechte instrumentalisiert das Thema gerne – und verbreitet oder erfindet Desinformation, um die Klimakrise zu verharmlosen. Doch es gibt Lösungen, um Fake News dazu besser zu erkennen – und zu bekämpfen.

Facts von Fakes unterscheiden

Woran erkenne ich eine verlässliche Quelle für Klimafakten? Was sind Merkmale von manipulativer, populistischer oder verschwörungsideologischer Sprache? Wer das weiß, kann nicht nur leichter die irreführenden und falschen von den richtigen Fakten unterscheiden, sondern wird sich auch selbst weniger an der Verbreitung von Fake News beteiligen.

Journalist*innen, NGOs und auch politische In­flu­en­ce­r*in­nen können der Verselbstständigung von Fake News vorgreifen, indem sie gängige Falschnachrichten mit Faktenchecks aufklären oder „Prebunking“ machen – das heißt, falschen Ideen über ein Thema vorgreifen oder die gängigen Systeme erklären, die etwa Rechte immer wieder benutzen, um Themen zu verzerren.

„Da wir nicht jede (Des-)Information selbst überprüfen können, übernehmen professionelle Faktenchecker diese wichtige Recherchearbeit für uns und bereiten die Ergebnisse verständlich und nachvollziehbar auf“, sagt dazu Sabrina Heike Kessler im Gespräch mit der taz. Sie ist Forscherin und Dozentin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Dies könne nicht nur verhindern, dass sich Fake News ausbreiten, sondern öffentliche Debatten als Ganze fördern und mit evidenzbasierten Argumenten versorgen, so Kessler. Allerdings können Faktenchecks auch irreführend sein oder durch selektive Informationen aus dem Kontext gerissen werden. Es ersetzt also nicht, dass User sich selber informieren.

Klimawissen stärken

Das, was wir über den Klimawandel wissen, wissen wir durch wissenschaftliche Beobachtung von zum Teil hochkomplexen Vorgängen, die sich seit Jahrzehnten so stark verändern, dass es beunruhigend ist. Das Wissen darüber, was der Stickstoffkreislauf ist und warum es uns alarmieren sollte, dass der Mensch diesen völlig aus dem Gleichgewicht bringt, ist kein Allgemeinwissen. Dass Elektroautos nicht die Wunderlösung gegen die immer weiter steigenden Verkehrsemissionen, sondern vielmehr ein sehr zweischneidiges Schwert sind, weiß, wer sich mit Klimabilanzen auskennt, über die Nachteile von Lithium-Ionen-Akkus informiert und genau hinschaut, wie ein Elektroauto geladen wird. Aber das tut nicht jede*r.

Und auch um falsche Klimainfos zu erkennen und zu berichtigen, ist es nützlich, das eigene Wissen über die Klimakrise regelmäßig zu aktualisieren. Besonders empfehlenswert ist dafür zu schauen, wie man selbst am besten lernt und News aufnimmt. Podcasts, Newsletter und Videos von verlässlichen Quellen sind alles gute Wege, um sich selbst gegen Fake News zu schützen und auch gut darauf antworten zu können.

Verständnis haben

Wenn jemand unter einem Post über Hitzetote fragt: „Aber was ist mit den Kältetoten?“, will man vielleicht zurückfragen: „Sag mal, hast du den Schuss nicht gehört? Was hat das damit zu tun?“ Vielleicht will man ihm auch den Wikipedia-Artikel zum Thema Whataboutism weiterleiten.

Die Psychologin Lea Dohm sagt allerdings, öffentlich die Klimakrise zu leugnen, zu verdrängen oder zu bagatellisieren, kann ein Abwehrmechanismus sein, der aus der Angst vor der Bedrohung durch die Klimakrise kommt.

Damit haben dieser Kommentator und jene, die unter unseren Posts zu immer häufiger werdenden Naturkatastrophen mit traurigen Smileys reagieren, vielleicht doch mehr gemeinsam, als sie denken. Das birgt Potenzial, ins Gespräch zu kommen und sich am Ende vielleicht anzunähern und jemanden dazu zu bringen, in Zukunft die eigenen Aussagen etwas mehr zu überdenken.

Natürlich kommt es darauf an, wie sehr die Klimakrise geleugnet wird. Man muss abwägen, ob es sich lohnt, jemanden, der von vorne bis hinten leugnet, dass es eine Krise gibt, mit Verständnis zu begegnen, so Lea Dohm. Und am Ende können das eben auch gezielt gestreute Falschinformationen sein.

Die Politik in die Verantwortung nehmen

„Es kommt immer darauf an, welche politischen Akteure ein Interesse daran haben und den Freiraum verspüren, sich darauf einzulassen und das zu verstärken“, sagte der Politikwissenschaftler Andreas Jungherr über Desinformation während der diesjährigen Europawahl. Politische Ak­teu­r*in­nen haben also eine zentrale Verantwortung bei der Eindämmung von Desinformation. Letztlich steht am Ende vom Lied der Fake News nämlich oft die Intention, politische Agenden zu stärken oder zu schwächen, so Jungherr.

Ein Problem dabei, Desinformation besser zu verstehen, ist die Datenlage. Es ist für Forschende beinahe unmöglich nachzuvollziehen, wann, wo und wie Fake News auf Social Media ausgespielt werden. Den Zugang zu solchen Daten haben meist nur die Plattformen. Daten speziell zu Kli­ma­leug­ne­r:in­nen gibt es also erst recht nicht.

Sabrina Heike Kessler sieht hier die Politik in der Verantwortung: „Durch Gesetzgebung und Regulierung kann die Politik dazu beitragen, rechtliche Rahmenbedingungen auszubauen und Plattformen zur Verantwortung zu ziehen, einschließlich der Bereitstellung notwendiger Daten für die Wissenschaft.“ Sonst bleibt der Kampf gegen Fake News auf ewig Hand- und Sisyphusarbeit.

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