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Rauchverbot an Frankreichs SträndenWo die Zigarette zur Lebensart gehört

Frankreich hat vorige Woche die Zonen, in denen Rauchen verboten ist, deutlich ausgeweitet. Vor allem an Stränden sorgt das für Ärger.

Ab jetzt in Frankreich verboten: Rauchen am Strand, aber auch in Grünanlagen, Sportstädten und überall, wo Kinder sind Foto: Stephane Mahe/reuters

E twas ist anders im Jardin du Luxembourg, mitten in Paris. Woran das liegt, wissen und sehen die Touristen nicht, die bei der hohen Temperatur im Schatten der Kastanienbäume Erholung suchen. Die Rentnerinnen dagegen, die sich neben einer kleinen Kopie der Freiheitsstatue unterhalten, kennen die Änderung und freuen sich darüber: Niemand raucht jetzt mehr beim Flanieren in diesem Park. Sucht man allerdings gezielt, findet sich doch ein Raucher. Er heißt Ibrahim und kommt aus der Türkei.

Gerade besucht er mit seiner Freundin Paris und zieht bei einer Pause im Grünen den Rauch seiner Zigarette in die Lungen. Gleich neben einem Kinderspielplatz. Dass dies seit letztem Sonntag in ganz Frankreich verboten und gleich ein doppeltes Vergehen sei, das wusste er nicht, meint er etwas schuldbewusst. Er will seine zur Hälfte gerauchte Zigarette ausdrücken und wegwerfen. Aber das sollte er lieber bleiben lassen, denn das wäre noch ein dritter Grund für eine Geldstrafe.

Nein, so etwas gebe es nicht bei ihm Hause in der Türkei, sagt Ibrahim, der sich über die Liste der mit dem Tabakkonsum verbundenen Verbote wundert. Die von der Gesundheitsministerin Catherine Vautrin definierte Regel ist eigentlich einfach zu verstehen: Überall, wo sich Kinder aufhalten, darf es keinen Tabakrauch geben. Die bereits bestehenden Rauchverbotszonen (Restaurants, Hotels, Bars, Discos, Schulen, Büros und andere Arbeitsräume) werden ausgeweitet auf Grünanlagen, Sportstätten sowie die nähere Umgebung von Schulen und Kindergärten.

Was aber eindeutig am meisten Gesprächsstoff bietet, ist das Rauchverbot am Strand. Und dort wird auch gemeckert und protestiert: In allen Medien, sowohl an der Atlantikküste als auch am Mittelmeer und an den Seen äußern sich die Rau­che­r*in­nen mehrheitlich ungehalten. „Das ist denn doch ein bisschen übertrieben“, meint in einer Reportage des Rundfunks FranceBleu im baskenländischen Anglet eine Frau namens Claudine. „Da ich pro Tag eine Schachtel rauche und halt abhängig bin, wird das wirklich ein Problem, wenn ich am Strand nicht rauchen darf!“, erklärt sie. Sie habe auch stets einen kleinen Behälter für die Asche dabei.

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Belmondo ohne Kippe im Mundwinkel?

Leider sind nicht alle Rau­che­r*in­nen so wohlerzogen. Das bestätigt am selben Strand Benjamin, Vater von zwei Kleinkindern: „Natürlich stört der Tabakrauch, vor allem aber die Kippen, die die Kinder in die Hand nehmen.“ Lucie Padovani von der NGO Surfrider Foundation weiß ein trauriges Lied davon zu singen: Jedes Jahr müssten von Freiwilligen, die Besseres zu tun hätten, mit einem Riesenaufwand Hunderttausende von Zigarettenkippen an den Stränden eingesammelt werden. Denn diese seien echt gefährlich. Eine einzige Kippe könne bis zu 500 Liter Wasser vergiften, und laut Forschern könne diese bis zu 7.000 verschiedene schädliche oder giftige Substanzen enthalten, bestätigt auch die Mikrobiologin Marianne Quéméneur.

Weder im Jardin du Luxembourg noch an den Stränden werden bei Zuwiderhandlung sofort Geldbußen fällig. Die Ordnungshüter, die die Einhaltung der verschärften Regeln kontrollieren müssten, sollen laut Regierung die Raucher ermahnen, deren Mentalität indes eher schwer zu ändern sein dürfte.

Frankreich scheint da ein besonders Problem zu haben, weil diese Mentalität nicht nur in individuellen Gewohnheiten, sondern auch tief in der französischen Kultur verankert ist. Wie Jean-Paul Belmondo oder Jeanne Moreau mit ihrer Raucherstimme könnte man sich viele Leinwandstars der Vergangenheit ohne Zigarette im Mundwinkel gar nicht vorstellen.

Noch in den Jahren 2015 bis 2019 gab es laut der Krebsliga in 90 Prozent der französischen Kinofilme Szenen mit Tabakkonsum, doppelt so viele wie bei Hollywood-Produktionen. Wie sollen da gerade die Minderjährigen begreifen, dass Rauchen nicht „Glamour“, sondern komplett passé ist?

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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22 Kommentare

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  • ' Das achtlose Wegwerfen einer Zigarettenkippe ist übrigens eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann - in Baden-Württemberg liegt der Höchstsatz bei 250 Euro.'



    Quelle:



    www.swr.de vom 28.7.2023, 14:48 Uhr

    ' Nach ihrer zweiwöchigen Schwerpunktkontrolle zu Müll in Freiburg zieht die Verwaltung Bilanz und kündigt weitere Aktionen an. 249 Bußgelder gab es allein wegen weggeworfener Zigarettenkippen. '



    Quelle:



    Badische Zeitung, Mo, 14. Nov 2022.

  • In Bezug auf den Nichtraucherschutz finde ich die französischen Regelungen vorbildlich. Deutschland ist in dieser Hinsicht leider Entwicklungsland.

  • Leben und leben lassen.



    Gibt's leider nicht mehr.



    Wir suchen keinen Ausgleich mehr, keinen Kompromiss.



    Jede/r möchte seine eigenen Ziele durchsetzten, was den anderen wichtig ist, egal.



    Gegeneinander statt miteinander.



    Ausgrenzen statt integrieren.

    • @Aymen:

      Leben und leben lassen - also Zigarettenkippen in die Gegend zu werfen und damit unsere Umwelt massiv zu schädigen, hat wohl eher etwas mit nicht leben lassen wollen zu tun. Da gibt's nunmal keine Kompromisse, außer einen Aschenbecher zu benutzen. Wobei ich Verbote zimmlich ätzend finde und lieber auf Eigenverantwortung setzen würde - nur wenn die fehlt...

    • @Aymen:

      „Leben und leben lassen. Gibt's leider nicht mehr."



      Rauchen und durch mitrauchen sterben lassen - gibt's leider immer noch.

      • @starsheep:

        Seit Jahren hier im Dortmunder Klinikviertel als rundes Transparentbild "Window Color" für alle Passanten mit dem Warnhinweis aus einer echten Raucherbude mit Qualmgestank:



        "Nichtraucher sterben auch"



        Widerstand zwecklos?

  • Rauchen? Von mir aus. Ist ja deren Gesundheit. Aber mir die Luft und Umwelt verpesten? Nein danke.

  • Chapeau. In Frankreich, Italien und vielen weiteren Ländern auf der Welt sind Politiker fähig, vernünftige Gesetze umzusetzen.

    Das Thema ist bekannt, alle Argumente sind ausgetauscht, die Reflexe immer die selben. Dabei liegt der Fokus immer auf dem Verbot auf uneingeschränkten Gebrauch von Suchtmitteln für eine Minderheit von ca. 20 bis 30 % der Bürger.



    Ist nicht das Wohlergehen aller Bürger/ Menschen oberste Pflicht der Politik. Gilt das Recht auf freie Entfaltung nicht für alle?

  • Vive la France!

    Hier in Deutschland scheint die politische Elite zu abhängig von der Tabaklobby zu sein, um so etwas hinzubekommen. Was war es für ein Kampf, die Hochschulen rauchfrei zu kriegen - und die Gastronomie ist es immer noch nicht komplett in allen Bundesländern.

  • Stummel wie Filter auf dem Boden sind Mist, den Rauch anderen ausfzudrängen einfach unhöflich.



    Chacun à son gout, aber halt den Profithaien von der Tabakindustrie schon die fiesen Tricks eindämmen und das Recht, nicht (mit)rauchen zu müssen, respektieren.

  • Mich als Nichtraucher stört Rauchen im Freien bis zu einem gewissen Maß nicht, aber ich verstehe natürlich, dass andere das auch anders sehen. Mich stören die weggeworfenen Filter aber sehr. Aber auch jeder andere Müll, z.B. Kaugummis.



    Letztendlich wird ein Rauchverbot nicht dafür sorgen, dass die Leute verantwortlicher mit ihrem Umfeld umgehen.



    Ich bin für einen verpflichtenden Sozialdienst von 1h/Woche -natürlich bei gleichzeitiger Verringerung des Vollzeitpensums um eine Stunde, Ausnahmeregelungen etc. müssten geklärt werden.

    Aber ich schlage hier keinen verpflichtenden Wehrdienst vor, sondern etwas, was der Gesellschaft tatsächlich nützen würde - das hat in Deutschland leider nicht so Aussicht. Wäre ja schon fast dieser "Kommunismus".

  • Der Wegfall von Nichtraucherkampagnen und Werbung durch E-Zigaretten haben auch hier ihre Spuren hinterlassen. Die Haltestellen sehen hier wieder aus wie vor 15 Jahren, Kippen über Kippen, Raucher über den ganzen Bahnsteig verteilt, ständig brennende Mülleimer.

    • @ImInternet:

      Der Bahnfahrer kennt seine Kippenheimer. Die blockieren bei der hastigen Zigarette die Weiterfahrt, saugen noch mal kräftig ein, um dann drinnen das auszuatmen und werfen die Fluppe ins Gleisbett. Danke dabei der Mehrheit, die das nicht tut!

      • @Janix:

        Da sehen Sie mal, wie viel besser Raucherabteile wären.

        • @Momo33:

          Nee, der gute alte Sackbahnhof wie in Stuttgart, da bekommt mensch die Fluppe auch ganz rein. Samt anderer Vorteile.

          Ernsthaft: Nikotinpflaster sollten inzwischen allgemein bekannt sein.

  • Die Zigarette in Film oder Fotografie ist stets Ausdruck künstlerischer Ideenlosigkeit.

    • @Alex Roe:

      Oder es wurde dafür ein Zuschuss bezahlt.

      • @Janix:

        Schauen Sie sich doch mal auf youtube Folgen der Krimi-Serie "Der Komissar" an. Da haben gefühlt alle geraucht, Zigarette, Zigarre, Pfeife. Weil Sie das wollten!

        Genau, wie meine Mutter und diverse Verwandte und Bekannte zu dieser Zeit.

        Nichts weiter!

        Diese Neigung zu antikapitalistischen Verschwörungstheorien, in denen man den Menschen freien Willen abspricht, für deren Freiheit und Selbstbestimmung man doch eintritt, finde ich manchmal ziemlich nervig.

        • @ PeWi:

          Sorry, es gab die Zuschüsse. Jetzt vielleicht nicht beim Alten, aber in Hollywood.



          Frauen wurde eingeredet, das zeige Unabhängigkeit. Männern, es mache sie männlicher.



          Andere erlagen dem Gruppendruck.



          Wer hustet denn nicht bei der ersten Zigarette voller Ekel?

        • @ PeWi:

          Das beste ist immer noch „Alien“. Total fortschrittliche Zivilisation aus der Zukunft (seufz), bei eine Crew mit Milliarden Vielfliegeerpunkten aus dem Hyperschlaf erwacht und nach dem sich-strecken erstmal zu Kippen greift.



          Soviel zu der Möglichkeit des Menschen (inkl. der besten Regisseure), die Zukunft vernünftig vorherzusehen.

          • @fly:

            Da mensch im All gar nicht raucht und es nicht sollte, wohl absichtlich hineingeschrieben.

          • @fly:

            Die Crew der Nostromo waren aber auch nicht gerade Leuchten. Bis auf Ripley, natürlich. Die hatte eine ziemlich steile Lernkurve.