Proteste in den USA gegen Rassismus: Die Wut wächst
In den USA nehmen die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt immer weiter zu. Derweil verbarrikadiert sich der US-Präsident im Weißen Haus.
New York taz | Es waren zwei Wochen, die die USA verändert haben. An diesem Montag haben die massiven Proteste die Eliten der Politik erreicht. Im Visier sind dabei zuvorderst zwei Säulen des Systems: die Polizei und der Präsident. In Minneapolis, der Stadt, wo am 25. Mai ein weißer Polizist einen unbewaffneten und gefesselten schwarzen Mann mit seinem Knie erstickt hat, verlangt jetzt die Mehrheit des Stadtrats die Abschaffung der Polizei.
In Washington, wo sich Donald Trump hinter einer mehrere Meter hohen neuen Befestigungsanlage rund um das Weiße Haus verbarrikadiert hat, kritisieren Vier-Sterne-Generäle sowie gewählte republikanische PolitikerInnen seine Eskalationspolitik.
Doch auch andere Institutionen stehen jetzt unter Druck. In zahlreichen Großstädten ertönt der Ruf nach dem Rücktritt von BürgermeisterInnen, die jahrelang Polizeibudgets erhöht haben, während sie ihre Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben kürzten.
Bei der New York Times musste am Wochenende der Chef der Meinungsabteilung zurücktreten. James Bennett hatte einen umstrittenen Kommentar veröffentlicht, in dem der rechte Senator Tom Cotton eine Parole des US-Präsidenten wiederholt hatte. Der US-Präsident und Cotton wollten das Militär gegen DemonstrantInnen einsetzen und den Krieg auf die Straßen ihres eigenen Landes brinen.
„Wir werden die Polizei, so wie wir sie kennen, auflösen“, erklärte am Sonntag die demokratische Präsidentin des Stadtrats von Minneapolis, Lisa Bender. Acht weitere Ratsleute stimmen ihr zu. Der ebenfalls demokratische Bürgermeister Jacob Frey ist gegen eine Auflösung. Er hat der Polizei – entgegen seinen Wahlkampfversprechen – in den letzten Jahren mehr Geld gegeben und hat noch in der letzten Woche erklärt, dass er auch jetzt nur zur Budgetreduzierungen, nicht aber zur Abschaffung der Polizei bereit ist.
Wie die Auflösung der Polizei vonstatten gehen soll, ist ein Thema, das die 400.000-EinwohnerInnen-Stadt in den nächsten Monaten diskutieren wird. Schon lange vor der Ermordung von George Floyd war sie berüchtigt für rassistische Exzesse – sowohl in Worten als auch in gewalttätigen und nicht selten tödlichen Taten.
„Wir werden die Polizei, so wie wir sie kennen, auflösen“
Bürgerrechtsgruppen verlangten deswegen schon vor Jahren ihre Abschaffung. Am Wochenende sagte Ratsherr Phillipe Cunningham bei einer neuen Großdemonstration in Minneapolis: „Wir haben bewiesen, dass wir selbst für die Sicherheit unserer Community sorgen können.“ Der schwarze Ratsherr sagte auch, dass in den vergangenen Tagen „weiße Rassisten und Extremisten“ Gebäude in Minneapolis abgebrannt hätten.
Der weiße Polizist, dessen Gewalttat die neue Bewegung am 25. Mai auslöste, hat an diesem Montag seinen ersten Gerichtstermin. Derek C. ist wegen Mordes angeklagt. Die drei Kollegen, die ihm am Tatort den Rücken gedeckt haben und inzwischen ebenfalls angeklagt und in Haft sind, beschuldigen jetzt ihre Vorgesetzten. Die Polizisten hätten ihre Befehle erfüllt, argumentieren ihre Verteidiger. Die Verteidigungsstrategie belegt die These der politischen Linken, dass die Polizei nicht reformierbar ist.
Auch andernorts beschleunigt sich die Entwicklung hin zu radikalen Veränderungen der Polizei. In New York sah sich Bürgermeister Bill de Blasio am Wochenende dazu gedrängt, anzukündigen, dass er das Budget der NYPD, der mit 36.000 Beschäftigten größten Polizeibehörde der Welt, um eine Milliarde Dollar kürzen will. Allerdings befindet sich auch de Blasio selbst im Visier der DemonstrantInnen. Denn nachdem ein Mann aus seiner NYPD im Jahr 2014 in dem Stadtbezirk Staten Island den schwarzen Zigarettenverkäufer Eric Garner mit einem Würgegriff umgebracht hat, brauchte de Blasio fünf geschlagene Jahre, bevor er den Polizisten feuerte.
In der US-Hauptstadt Washington hat die schwarze Bürgermeisterin Muriel Bowser die direkt zum Weißen Haus führende 16th Street in Black Lives Matter umbenannt. Sie ließ den neuen Namen in gigantischen gelben Lettern auf die Straße pinseln. Jedoch wurde Bowsers Aktion schon binnen weniger Stunden von DemonstrantInnen überholt. Die pinselten in ebenso großen Buchstaben „Streicht das Polizeibudget“ neben den Straßennamen.
Die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt gehen landesweit nun in die dritte Woche und wachsen. Am Wochenende haben die meisten US-amerikanischen Großstädte ihre Ausgangssperren, die sie wegen Plünderungen verhängt hatten, vorzeitig aufgehoben. Der Grund war vor allem massive politische Kritik an den Entscheidungen der Bürgermeister. „Wir lassen uns unser Recht auf Meinungsfreiheit nicht nehmen“, sagt Al Taylor, ein linker Demokrat aus der gesetzgebenden Versammlung des Bundesstaates New York.
Am Montag wollten er und andere Mitglieder der Fraktion der schwarzen, Latino- und asiatischen Abgeordneten einen neuen Anlauf unternehmen, um ein New Yorker Gesetz zu Fall zu bringen, das es der Polizei erlaubt, ihre Gewalttaten vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Nach vielen gescheiterten Versuchen ist die Fraktion dieses Mal siegesgewiss.
Leser*innenkommentare
uvw
Vorsicht bei KI: Dann kann niemand mehr vor Gericht gebracht oder vom Dienst suspendiert werden.
Das größte Problem bei KI-Polizei ist, dass dann niemand mehr verantwortlich ist. Die Polizei kann nur noch sagen, naja, dass unsere KI den Ladendieb als Terroristen einsortiert und unser Robocop den terminiert hat, da können wir auch nix machen, da blicken wir nicht durch.
Das Zweitgrößte: Die Programmierer (deren Job möchte ich nicht haben) haben die KI trainiert - es ist keine Programmierung im klassischen Sinn, bei der man Regeln und Abläufe codet und korrigieren kann, sondern ein Schaltnetz wird mit Mustern "trainiert". Natürlich nicht mit Mustern, die sich die Programmierer ausdenken, sondern mit echten Falldaten aus der Vergangenheit, die alle Vorurteile und bisherigen Gewohnheiten der beteiligten Polizisten 1:1 ins neue System transportieren. Und dann krieg mal eine rassisistische Schieflage aus einem Roboter wieder raus. Die müssen umtrainiert werden, dh länger mit anderen Mustern gefüttert werden, damit sie anders gewichten. Diese Muster kann man sich nicht einfach ausdenken, sie müssen konsistent sein, so dass sie die Realität halbwegs abbilden und den gesamten zugehörigen Kontext. Und von solchen Fällen/Szenarien braucht es sehr viele leicht verschiedene, um eine KI zur "Verhaltensänderung" zu bringen. Die müssen aber zu den übrigen Mustern passen, sonst kriegt man Effekte, die nicht zu überblicken sind. Der Ansatz ist auch ohne diese Problematik schon Gaga genug.
KI ist immer noch zig Größenordnungen dümmer als ein Mensch, der beliebig Kontext hinzuziehen und aus einem Regelsystem aussteigen kann usw. Gerade Polizeiarbeit ist so vielschichtig, dass ich das nie einem Automaten überlassen würde.
KI hin oder her. Das Grundproblem ist wie fast immer Herrschaft und Machtmissbrauch. Dagegen gibt es drei Strategien:
1. Machtkonzentration strukturell verhindern
2. Machtkonzentration durch Gegenkräfte ausbalancieren
3. Machtmissbrauch heftig sanktionieren
05838 (Profil gelöscht)
Gast
Polizei schafft bestenfalls formale Ordnung, wenn sie überhaupt wss tut, aber keine Gerechtigkeit.
Tolgahan Uzun
@05838 (Profil gelöscht) Hallo UVW,
ja man sollte grundsätzlich vor allem Vorsicht walten lassen, was den Machtzuspruch angeht.
Falls es KI-Polizei geben sollte, dann meine ich auch eine selbstständige KI-Polizei, die weit darüber hinaus ist "besser" als Menschen ist Kontexte hinzuziehen und aus einem Regelsystem aussteigen zu können.
Zwar sind wir davon noch weit entfernt, doch denke ich, dass in Zukunft sowas möglich sein kann.
Ich streite hier auch nicht ab, dass überhaupt irgendein System frei von "Fehlern" sei, wie schon vorher beschrieben. Jedoch finde ich, dass bei einer KI-Polizei, die ihre Intelligenz verselbstständigt hat kein Grund für einen Machtmissbrauch entsteht. Da die Roboter, würde ich jetzt mal behaupten, zumindest sofern sie nicht so vorprogrammiert worden sind, keine Bedürfnisse und somit auch keine Impulse haben, ihre Macht zu missbrauchen und sofern man dazu in der Lage sein könnte, diverse KI's zu entwickeln, die sich gegenseitig kontrollieren und in ihrer Grundprogrammierung zwar gleich sind, in Bezug auf die Grundrechte, jedoch eine eigene Vorstellung von Informationsverarbeitung haben. Demnach könnte es in weiter Zukunft auch möglich sein eine diverse KI- Polizei zu entwickeln die die sich automatisch gegenseitig kontrolliert.
Welche dann zusätzlich von einer KI-Judikative kontrolliert wird usw.
Das schöne ist ja auch, dass die KI nur das macht, was oder wie der Mensch es programmiert, naja mal abgesehen davon, dass die dann ihre eigene Intelligenz und somit eigene Urteile fällen können.
Nichtsdestotrotz finde ich nicht, dass dies eine perfekte Idee ist, aber auch keinesfalls eine die Gaga ist.
Jedoch vertraue ich noch auf die stringente Befolgung der KI, die nur darauf ausgerichtet ist, Gesetze zu vollziehen und keine Eigeninteresse haben zu haben, aber das ist ein wenig widersprüchlich zur eigenen Intelligenz.
Schade das wir noch nicht soweit sind eine KI entwickelt zu haben, die in allen Bereichen "schlauer" als der Mensch ist.
Picard
Können mal in Mexiko nachschlagen, wie schnell das gut geht ohne Polizei. Ihren Change (Obama) haben sie gehabt, das hätten sie besser nutzen sollen. Jetzt haben sie Probleme an allen Stellen, und vor allem eines, sie müssen nachbessern an allen Stellen.
Tolgahan Uzun
Zwar bin ich auch nicht ein großer Fan von der Polizei, jedoch denke ich, dass diese noch (die Betonung liegt bei noch) in einigen Punkten ihre Berechtigung hat. Eines steht jedoch fest, nämlich das die Polizei und das bestimmt in vielen weiten Teilen der Welt, reformiert werden sollte oder kann. Auch wenn wir, zumindest nach meiner Vorstellung, noch nicht die Mittel dafür haben.
Von einer KI unterstützten Polizei würde ich zwar nicht voll abraten, jedoch wäre diese, zumindest eine bessere alternative, als eine Menschliche polizeiliche Instanz. Diese wäre, solange die Programmierer nicht rassistisch sind und keine vorurteile haben zwar nicht impulsiv bzw. mindestens weniger impulsiv, jedoch ist es laut Wikipedia nicht möglich einen neutralen Standpunkt zu haben, der absolute Objektivität garantiert. Und wenn dies nicht möglich ist, dann denke ich auch, dass es keinem Menschen möglich ist, zumindest noch nicht, vielleicht auch nie, Vorurteilsfrei zu sein. Da man schnell davon ausgehen kann, dass es objektiv sei, zu denken, man ist vorurteilsfrei.
Deshalb könnte es auch schwer bis unmöglich sein, eine KI zu entwickeln, die mit ihrem Codex zeitlos "Vorurteilsfrei" und "Objektiv" handelt. Auch wenn es gelingen könnte diese zu entwickeln, die dann mindestens für einige Zeit politisch korrekt handelt und dem Zeitgeist entsprechend, so treten dennoch andere Probleme auf, wie z.B. das Hacken solcher Systeme.
Jedoch finde ich, dass Menschen ebenfalls dazu neigen beeinflusst/"manipuliert" werden zu können.
Fragt sich jetzt, welches "Übel" das weniger schlimmere ist.
Fazit: Meine Meinung ist, dass jedes System, egal welches, fehlerhaft sein muss bzw. ist. Daher wird es vermutlich immer Anspannungen geben, da der Fluss an Meinungsverschiedenheiten und die Entwicklung, Verstärkung, Erneuerung von Meinungen ständig neue Formen annimmt und/oder es mehrere/einzelne Lager/Partien gibt, die um die Hoheit der Zeit-geistlichen Mehrheitsmeinung kämpft.
kditd
@Tolgahan Uzun Die Vorstellung einer KI-Polizei finde ich noch schimmer. Kein Programmierer ist frei von Vorurteilen. Die müßte ja von perfekten Menschen programmiert werden.
Der beste Weg, um Ausreißer zu vermeiden und möglichst Neutralität herzustellen, ist mMn der Einsatz mehrerer diverser Menschen, die sich gegenseitig kontrollieren. Also Gewaltenteilung. Wenn die Polizei zum wesentlichen Teil in den Händen weißer konservativer männlicher Rechter ist, braucht man sich nicht wundern wenn sie in Schieflage gerät.
Tolgahan Uzun
@kditd Ob jetzt die KI- Polizei oder die Menschliche- Polizei schlimmer ist kann ja Ansichtssache sein. Aber ja, ich bin auch nicht der Meinung, dass es jemals einen perfekten Menschen geben könnte und somit auch keine perfekt programmierten KI-Roboter.
Vielleicht habe auch nur die Pro Argumente der KI-Polizei bedacht.
Das mit der gegenseitigen Kontrolle ist, behaupte ich jetzt mal einfach gesagt, aber schwer umzusetzen, da ich denke, dass selbst wenn diverse Menschen sich gegenseitig kontrollieren, zwar am Anfang gute Resultate entstehen können, jedoch befürchte ich auch, dass im Laufe der Zeit bei den Einsatztruppen eine Angleichung der Vorstellung stattfinden könnte. Klar können sich auch gegenpole zu diesen Vorstellungen kultivieren bzw. zu diesen Einsatztruppen, jedoch finde ich das gerade hier das Problem der Mehrheitsmeinung auch tückisch sein kann. Denn nur weil die Mehrheit etwas für gut hält, muss es automatisch nicht "richtig" sein, gleiches gilt jedoch für die "MInderheit" bzw. für die "Einzelnen". Deshalb vertrete ich keinen Standpunkt zu hunderprozent, auch wenn ich genau diesen Standpunkt am kräftigsten ausbauen will, aber auch nicht vervollständigen will.
Ob die Polizei in wesentlichen Teilen aus männlicher Rechter besteht weiß ich nicht und auch wenn das die Statistiken zeigen sollten/können, so versuche ich auch denen gegenüber skeptisch zu stehen, aber auch den Statistiken die vom Gegenteil Ausgehenden könnten.
Da Aspekte wie die Charakterentwicklung auch eine große Rolle spielen könnte, die einige Statistiken vielleicht nicht beachten. Deshalb sehe ich solche Aussagen und das Pauschalisieren nicht als etwas beständiges.
Wie schon erwähnt ist jedes System anfällig auf Fehler oder besser gesagt fast alles bis alles ist zum Scheitern verurteilt. Vielleicht ist es ja auch nur eine Frage der Zeit.
Deshalb widerspreche ich dir da nicht ganz, wenn du sagst, dass du KI-Polizei noch schlimmer findest.
Linksman
Der Tromp hockt in seinem Bonker...