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Rassismuserfahrungen und ColorismWie ein Oreokeks

Unliebsame Meinungen werden in Debatten als „weiß“ diskreditiert – egal, wer sie äußert. Unsere Autorin vermutet: Dahinter steht der Wunsch nach Harmonie.

Schneller Diss: Außen schwarz- innen uncool Foto: imago

A ltes Phänomen, aber aktuell besonders toxisch: In politischen Debatten sprechen PoC anderen PoC ihr PoC-Sein ab. Das machen sie aufgrund von Aussagen, die andere tätigen, oder den Überzeugungen, die sie vertreten. Als Argument, warum ein Punkt nicht valide sei oder eine Meinung nicht relevant, wird einfach behauptet, die anders denkende Person sei gar nicht von Rassismus betroffen: „Das sind alles Weiße.“ Diskussion beendet.

Das geschieht im Netz, wenn man tatsächlich nicht sicher sagen kann, mit wem man da kommuniziert; es trifft Redaktionen oder Teams, denen ungeprüft unterstellt wird, sie bestünden nur aus weißen, aber auch Einzelpersonen, die sich eindeutig als PoC positionieren und von Rassismus betroffen sind, werden schnell zu Weißen erklärt.

Obwohl so viele PoC dafür gekämpft haben, in weißen Mehrheitsgesellschaften als Individuen wahrgenommen zu werden, obwohl wir uns gegen Pauschalisierungen und Stereotype aussprechen, wird so getan, als wäre das „Wir“ der von Rassismus Betroffenen keines, das Unterschiede aushält, und als gäbe es Positionen, die nur weiße Menschen vertreten können.

Meine Kritik bezieht sich nicht auf das Benennen von Colorism und andere Faktoren, die zu unterschiedlichen Rassismuserfahrungen führen: Wenn es um Betroffenheit geht, um die Frage wer in welchen Situationen besonders auf Solidarität angewiesen ist, ist es manchmal notwendig, Unterschiede zu thematisieren. Doch das ändert nichts daran, dass wir auch aus geteilten Erfahrungen zu unterschiedlichen Erkenntnissen und Schlüssen kommen können. Wer anderer Meinung ist als ich, ist nicht automatisch weiß.

Eine Drohung, die mitschwingt

Ich finde es falsch, anderen ihre Spre­che­r*in­nen­po­si­ti­on abzuerkennen, nur weil es einem in den Kram passt. Es ist ein rhetorischer Trick, um sich nicht mit Argumenten auseinandersetzen zu müssen. Die „Gegenseite“ soll damit beschäftigt werden, die eigene Marginalisierung nachzuweisen, um überhaupt mitreden zu dürfen. Gewinnen kann sie dabei nicht: Selbst wenn alle Nachweise erbracht wurden, bleibt der Makel der Whiteness, denn sonst würde man ja nicht „weiß“ argumentieren. Man ist also ein Token, zu angepasst, zu „weiß sozialisiert“. Die Einstellung ist „unschwarz“. „Oreo“ – außen schwarz, innen weiß. Manchmal geht es nur um den schnellen Diss. „Weiß“ ist dann einfach ein Synonym für „uncool“.

Doch da ist auch eine Drohung, die in diesen Worten mitschwingt: „Wenn du diese oder jene Haltung vertrittst, gehörst du nicht mehr zu uns.“ In der Konsequenz würde das heißen: „Wir entziehen dir unsere Solidarität und sind, wenn du zukünftig rassistischen Ausschluss oder Gewalt erfährst, nicht für dich da.“

Vielleicht liegt darin auch ein Wunsch nach Harmonie oder mehr Solidarität innerhalb von Communitys. Das kann ich nachvollziehen. Schwarze Leute in rechten Parteien stoßen bei mir zum Beispiel ganz besonders auf Unverständnis. Doch egal wie wenig ich ihre Entscheidungen nachvollziehen kann: Sie bleiben Schwarz.

Statt zu sagen „Du bist weiß.“ – „Nein, du bist weiß“ lohnt es sich, Heterogenität und Uneinigkeit anzuerkennen und eine Streitkultur zu entwickeln, in der es mehr um inhaltliche als um Spre­che­r*in­nen-­Po­si­tio­nen geht. Das Gute ist: Wir sind viele. Und deshalb müssen wir auch nicht alle miteinander rumhängen oder einer Meinung sein.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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14 Kommentare

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  • Das ist die klassische Ad Hominem-Argumentation. Anstatt auf ein Argument sachlich einzugehen, wird die/der Äußernde irgendwie diskreditiert. Besonders perfide ist es, wenn dabei ein Merkmal herangezogen wird, für das man überhaupt nicht verantwortlich ist wie Hautfarbe, Geschlecht, Alter, etc.

    Dagegen hilft nur, diese Strategie aufzudecken und, falls das nicht hilft, die Diskussion als unsachlich zu verlassen.

  • Es könnte so einfach sein.

    Grundgesetz: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (...) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."

    Bibel, Mark.12.29: "Jesus antwortete: »Das wichtigste Gebot ist dies: ›Höre, o Israel! Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft lieben. Das zweite ist ebenso wichtig: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‹Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.«

    Und Kant: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

    Mehr Empathie und Rücksichtnahme und es braucht keine wie auch immer gefärbte "awareness".

  • Ich weiß, dass das Problem der im Artikel beschrieben Menschen nicht das (Nicht-) Weiß - sein, sondern die fehlende Weisheit ist. Ein Blick über den communitären Gartenzaun würde reichen, um die typischen Entwicklungsstufen dynamischer Gruppenbildung unabhängig von jeglicher Farben- und Selektionslehre zu erkennen. Gewicht und Größe einer Gemeinschaft entwickeln sich immer im Spannungsfeld zwischen notwendendem Mainstream und notwendiger Minderheit.

  • Ich glaube die Menschen in unserer spätkapitalistischen Gesellschaft sind extrem gelangweilt und spirituell unterfordert. Anders kann man sich solche bizarren Auswüchse nicht vorstellen. Ich habe mich aus solchen "Diskursen" schon lange verabschiedet. Jedes Sandkastenspiel dreijähriger hat mehr Gewicht in Fragen des sozialen Miteinanders.

  • Ahh - der Anfang einer Erkenntnis! Und wenn man das jetzt zuende verfolgt... nicht auszudenken was dabei herauskommen könnte. Viel Glück!

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • Man kann nur immer wieder Martin Luther King zitieren: "Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden."

    Farbenblindheit à la MLK ist der einzig konsequente Ausweg aus dem Sumpf des Rassismus. Hört endlich auf, Menschen (auch euch selbst!) in Schubladen einzuteilen. Jemand ist nicht "PoC" sondern Mensch. Ein anderer ist auch nicht "weiß", sondern Mensch.

  • Vielleicht wäre es ja gut, wenn man Argumente generell nicht auf die Person bezieht, die sie ausspricht - sondern sich auf den Inhalt konzentriert. Viele Diskurse rund um Integration und Vielfalt sind zu sehr auf die Gruppenzugehörigkeit von Menschen fixiert.

    Ich fand es immer befremdlich, dass man privilegierteren Menschen pauschal ihre Empathiefähigkeit abspricht oder gar keine Erfahrung mit Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten zugesteht. Ja, weiße Menschen sollten mehr zuhören und habens oft deutlich leichter und keine Rassismuserfahrung im Leben machen müssen. Trotzdem bringen uns beiderseitige pauschale Anfeidungen und Nicht-Zuhören Als Menschheit nicht weiter. Es geht nicht um Moral, sondern um ein intaktes Zusammenleveb.

    • @Sebomark:

      Ich hatte leider etwas zu viel Erfahrung mit privilegierten Menschen und kann daher nicht anders, als Empathielosigkeit und Unverständnis als den Default einer sich selbst sehr leicht zu erkennen gebenden Teilmenge dieser Gruppe anzunehmen.

      Die Heftigkeit, mit der sich in diesem Kommentarbereich die Universalisten und Relativierer und Kleinreder überschlagen, beweist die Richtigkeit dieser Annahme leider wieder mal aufs Neue. Die angebliche "Toleranz" der ach so aufgeklärten Liberalen ist in Wahrheit nichts anderes als den Status Quo schützende Gewalt. Sie verfolgt einzig den Zweck, das Gewissen einer verfolgenden, unterdrückenden Mehrheit zu beruhigen und die Konfrontation mit den eigenen Ressentiments zu vermeiden.

      • @Mit Keas Sachen kaputtmachen:

        Der Universalismus ist eine zentrale Errungenschaft der Aufklärung. Er ist die Grundlage dafür, dass es heute (endlich und glücklicherweise) als inakzeptabel gilt, offene*r Rassist*in zu sein. Universalist*innen pauschal als "Relativierer" und "Kleinreder" zu diffamieren und ihnen deshalb "Empathielosigkeit und Unverständnis" zu unterstellen, ist schon ein starkes Stück. Dies dann noch als Grundlage zu nehmen, um Dissens zur eigenen Position als "Gewalt" zu bezeichnen, ist schon sehr schwach. Man muss es ertragen, dass andere Menschen anderer Meinung sind, und man muss es ertragen, dass es Menschen gibt, die der Ansicht sind, dass eine Äußerung nicht dadurch richtiger wird, das sie jemand äußert, der oder die diskriminiert wird. Nichts davon ist Gewalt.

  • Wie wäre es denn mit: "Eine Meinung ist sinnvoll oder nicht sinnvoll, und die Hautfarbe der Person, die sie äußert, ist da kein Faktor für"? Ich werde jedenfalls sicher nicht damit anfangen, mich zu fragen, ob meine Ansichten weiß oder männlich genug sind. Ich bin ja nicht Höcke.

  • Hm, gerade die, die vorgeben, gegen Rassismus zu sein, sind vom Thema Rasse so besessen, dass sie Leute akribisch analysieren und in rassische Schubladen stecken?

    • @PeterArt:

      Einige von ihnen.



      Nicht alle.



      Aber sie tun "ihren Leuten" damit einen Bärendienst.



      Ich kann verstehen, dass die Schwarze Community als harmonische Einheit dastehen will, denn so wirken sie gegen die rassistische Kaste der Weißen stärker und mehr.



      Gleichzeitig führen solche innerparteilichen Streitigkeiten doch nur noch mehr zur Abwehrhaltung der gedankenlosen Kaste der Weißen: "Die sind sich ja nicht mal selbst einig, was sie wollen, ich mach also so weiter wie immer, kann ja nicht so schlimm sein"



      Dabei wäre das Anerkennen der Unterschiede innerhalb einer Gruppe für alle Seiten extrem wichtig.



      Und für die achtsamen Vertreter der Weißen bleibt es wichtig, die Probleme anderer Menschen anzuerkennen, egal, ob man sie nachvollziehen kann oder nicht. Das heißt ja nicht, dass man persönlich jemanden gedisst hat. Das heißt nur, dass man sein Gegenüber respektiert.

      • @Herma Huhn:

        "...die rassistische Kaste der Weißen..."



        Falls Sie jemals einen Grund suchen, warum die Rassismus-Debatte nicht zu konstruktiven Ergebnissen führt - hier ist er.