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Räumungsklage in TegelBangen um Mannes Zuhause

In der Steinbergsiedlung steht für den Manfred „Manne“ Moslehner die Zwangsräumung bevor. Der 84-Jährige lebt seit seiner Geburt in dem Haus.

Manne und die Mieterinitative kämpfen für ihre Häuser in Tegel Foto: Anastasia Zejneli.

Berlin taz | Selbst die Richterin spricht von einer menschlichen Tragik, die sich Montagmorgen in dem Amtsgericht Wedding abspielt. Manfred „Manne“ Moslehner, ist 84 Jahre alt und soll sein Geburtshaus in Tegel zwangsräumen. Seit 14 Jahren kämpfen er und seine Nach­ba­r*in­nen in der Steinbergsiedlung gegen die Luxussanierung ihrer Reihenhäuser. Bis 2010 gehörte die Siedlung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW. Diese hat die Häuser an die private Investorengruppe „Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft GmbH“ verkauft.

Nach geplanten Sanierungen würden sie die Miete auf das bis zu Fünffache erhöhen. Bereits 20 der 38 Häuser sind modernisiert und verkauft, Moslehners Haus soll das nächste sein. Rund 20 Personen demonstrierten gegen die Räumungsklage vor dem Gericht. „Manne bleibt“ und „Steinberg kämpft“ sind zwei der vielen Sprüche auf ihren Transparenten.

Moslehner, blaue Kappe, blaues Hemd, sitzt eingesunken vor dem Prozess auf dem Treppen neben den Demonstrierenden. Die letzten Jahre haben ihn gesundheitlich geschädigt, erzählt Hartmut Lenz, Anwohner und Organisator.

Jahrelanger Kampf für bezahlbaren Wohnraum

Im Jahr 2015 hat Moslehner die erste Modernisierungsankündigung erhalten und im Oktober vergangenen Jahres die Kündigung. Kurz vor Weihnachten drohte man ihm mit der Zwangsräumung. Umziehen sei für ihn keine Option, erzählt der Rentner. Er sei angewiesen auf die Hilfe seiner Nachbarschaft und könne mit Mitte 80 nicht allein neu anfangen. Sein Schicksal berührt viele der Anwohner*innen.

Vor Prozessbeginn lässt die Richterin weitere Stühle in den vollen Saal tragen, auch sie scheint die Wohnungssituation Moslehners zu beschäftigen. Sie kenne die Mieterinitiative seit Jahren, nun sei dies die erste Räumungsklage in der Siedlung. „Können die beiden Parteien auf einen Nenner kommen?“, fragt sie.

Der Justiziar des Investors betont, dass vorherige Gespräche zu keiner Einigung geführt hätten. Seit zehn Jahren sei die Siedlung ein Thema, welches er nun beenden möchte. Moslehner sagt auf Anfrage der Richterin, dass er keine andere Möglichkeit sehe, als in dem Haus wohnen zu bleiben.

Nach einer halbstündigen Anhörung ohne eine Aussicht auf weitere Verhandlungen zwischen dem Investor und dem Mieter will die Richterin in den kommenden Wochen ein Urteil verkünden. Moslehner und die Mieterinitative müssen weiter um „Mannes“ zu Hause bangen.

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12 Kommentare

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  • § 574 BGB: "Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter... eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist."

    Darum geht es. Bei der Härte sind ua Alter, Gesundheit, Wohndauer und finanzielle Folgen zugunsten des Mieters zu berücksichtigen.

    Wäre ansich ne klare Sache hier...

  • Ich finde es über den Sachverhalt hinaus viel dramatischer wie mit so einem Härtefall umgegangen wird.



    Warum wird das nicht ruhig und im Hintergrund zum Wohle des Mieters geregelt sondern plakativ Kriegsschauplätze eröffnet. Da würde ich mir so was wie eine echte Schlichtungsstelle wünschen, ohne Gelaber und 'Abstimmungsbedarf'.

  • Warum hatte eigentlich die landeseigene Wohnungsgesellschaft die Siedlung verkauft?

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Nein, das Land Berlin hat ja die gesamte GSW verkauft.

      Anschließend wurde sie zerteilt.

      Manfred Moslehner ist Opfer rot-roter Wohnungsmarkt-Politik.

      • @rero:

        Ich sag mal eher Opfer der schwarzen Finanzpolitik der 90er, die Berlin in den Ruin getrieben hat. Rot-rot hat das nur ausbaden dürfen.

        • @Anna Bell:

          Der Verkauf der GSW war eine politische Entscheidung von Rot-rot, kein Automatismus des Bankenskandals.

  • Man könnte natürlich, ob aus Humanität oder um schlechte Presse zu vermeiden, das Haus renovieren und den Menschen trotzdem zu der alten Miete dort wohnen lassen. Rein rechnerisch wird er da ja nicht ewig weiter wohnen... wenn die schon 15 Jahre darauf warten, ihn da rauszubekommen, kommt es auf ein paar mehr auch nicht an.

    • @Cededa Trpimirović:

      Theoretisch gesehen eine gute Idee, für manchen Privatvermieter sicherlich auch eine auf absehbare Zeit gehbare Alternative. Bei einem institutionellen und am Aktienmarkt gelisteten Unternehmen tauchen da allerdings einige Hürden und Probleme auf. Und die hat ausgerechnet der ach so fürsorgliche Staat eingerichtet. Wird ein gewisser Mietzins unterschritten (ca. 40% unterhalb des Mietspiegels), so nimmt das Finanzamt für den Vermieter sog. Liebhaberei an, d.h. für das Finanzamt fehlt die Absicht, mit der Vermietung einen Gewinn erzielen zu wollen. Die Folgen sind für den Vermieter vielfältig und keine davon ist für ihn gut. Man stelle sich vor, ein Pendler müsste jeden Tag 100 Kilometer zur Arbeit fahren und das Finanzamt würde sagen: Die Strecke geht durch so schöne Natur, da dient ihre Fahrt der Entspannung, deshalb verweigern wir ihnen die Inanspruchnahme der Kilometerpauschale.



      Der Vermieter müsste also den erhaltenen Mietzins voll versteuern, könnte jedoch angefallene Aufwendungen (z.B. die Kosten der Renovierung) nicht gegenrechnen. Und zu allem Überfluss hat das Finanzamt sogar in Ausnahmefällen das Recht, die Miete fiktiv (d.h. rechnerisch) zu erhöhen, als würde die ortsübliche Miete gezahlt. Das kann einen Vermieter teuer zu stehen kommen, vor allem, wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt. Der Investor ist eigentlicher Eigentümer der Gesellschaft und er kauft Firmenanteile ja gerade, um einen Gewinn zu erzielen. Arbeitet das (eigentlich ja nur "treuhänderisch" tätige) Management dem entgegen, so kann jeder Aktionär, der auch nur eine einzige Aktie besitzt, den Vorstand im Prinzip verklagen.

  • Interessant wäre die Sicht der Eigentümer und nicht von dem, den dieses Eigentum auf Zeit überlassen wurde.

  • Nun ja, der Investor hat vor fast 15 Jahren ein paar Häuser gekauft , um sie zu modernisieren. Da kann man nachvollziehen, das das irgendwann mal gemacht wird, bevor die Finanzierer selbst zu Grabe getragen werden.

    Wenn man nun selbst kein Geld hat und davon abhängig ist, billig in einer Bruchbude zu wohnen, trifft das die Betroffenen natürlich hart.

    Aber wenn unsere Gesellschaft solche Fälle verhindern will, darf sie den Wohnungsmarkt nicht den Investoren überlassen.

    Das wäre mal ein Auftrag an die Politik. Landeseigenen Wohnraum prinzipiell nicht zu verkaufen, wäre da schon mal ein Anfang. Oder war es eventuell ganz anders?



    Vermutlich hätte die GSW nach einer Renovierung ebenfalls die Mieten tüchtig erhöhen müssen. Mit dem Verkauf haben sie auch die Drecksarbeit einfach outgesourced.

    • @Sonntagssegler:

      Die Häuser sind keine Bruchbuden.

      Das ist eine wunderschöne kleine Siedlung. Eine Perle.

      Allein wenn sie zu den verschiedenen Jahreszeiten da durchspazieren, ist es schön.

      Eine behutsame Renovierung hätte einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ermöglicht, die Mieten niedrig zu halten.

      Machen Genossenschaften und landeseigene Wohnungsbaugesellschften anderswo ja auch.

      Man kann natürlich mehr aus diesen Häusern machen und entsprechend mehr Gewinn einfahren, wenn man will.

      Der Investor hat ja nicht die Häuser aus altruistischen Gründen gekauft.

    • @Sonntagssegler:

      Das Häuser irgendwann (energetisch) saniert werden müssen, sollte klar sein. Möchte man es richtig machen, dann sind diese Gebäude auch monatelang nicht bewohnbar, Auch das damit Mieterhöhungen einhergehen. Das ist auch bei kommunalen Trägern nicht anders.



      Leider wird in dem Artikel nicht näher erläutert, was die seitens des Investors angebotenen Alternativen denn waren.



      Interessant wäre es auch zu erfahren, was die Befürworter von Beschränkung des Wohnraums pro Person zu solch einen Fall sagen. Solche sozialen Härtefälle würden dann häufiger auftreten.