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Räumung des Köpi-Wagenplatzes in BerlinMassiver Protest

Am Freitag räumte die Berliner Polizei mit einem massiven Aufgebot den Köpi-Wagenplatz. Am Abend demonstrierte die linksautonome Szene dagegen.

Seit Tagen demonstriert die linke Szene gegen die Räumung des Köpi-Wagenplatzes Foto: dpa

Berlin taz | Vor den Schaufensterscheiben der Geschäfte am Zickenplatz in Kreuzberg standen PolizistInnen mit Schutzhelmen und Schlagstöcken in der Hand eng nebeneinander aufgereiht. An ihnen liefen derweil Tausende schwarz gekleidete Demonstrierende vorbei. Diese trafen sich am Freitagabend zum Protest gegen die Räumung des Köpi-Wagenplatzes in der Köpenicker Straße am Morgen desselben Tages.

Die Köpi gilt als eines der letzten linksalternativen Wohnprojekte, das Haus wurde 1990 besetzt und 1991 legalisiert. Ungefähr 50 Leute wohnen auf dem Wagenplatz um das Gelände. Der Grundstückseigentümer – offiziell die Startezia GmbH, hinter der die Berliner Immobiliengruppe Sanus AG steht – hatte mit Hinweis auf eine Baugenehmigung im Juni erfolgreich auf Räumung geklagt. Einen Eilantrag der BewohnerInnen zum Stopp der Zwangsvollstreckung wies das Berliner Kammergericht am Mittwoch ab.

So wurde mit einem massiven Polizeiaufgebot dann am Freitag der Köpi-Wagenplatz geräumt: Die Einsatzkräfte rückten mit Wasserwerfern, einem Rollpanzer und einem Panzerfahrzeug mit einer großen Schaufel am vorderen Ende in der abgesperrten Köpenicker Straße ein. Laut Polizei waren insgesamt 2.000 BeamtInnen im gesamten Stadtgebiet im Einsatz.

Die BewohnerInnen wehrten sich bis in den Nachmittag. Dunkelgrauer Rauch stieg hinter dem bis zu vier Meter hohen Blechzaun um das Gelände hinauf, hin und wieder flog eine Glasflasche vom Wagenplatz auf die Straße. Es lief laute Musik, PolizistInnen und PressevertreterInnen wurden beschimpft. Bis zum Abend wurden 38 BewohnerInnen vom Gelände geführt, im gesamten Einsatzgebiet gab es 50 Freiheitsentzüge und freiheitsbeschränkende Maßnahmen durch die Polizei.

TagX Demo – Zeichen gegen Kapitalismus

Auf der Protestdemo am Freitagabend wiederholten sich die Szenarien von tagsüber. Massives Polizeiaufgebot und Gegenwehr durch die DemonstrantInnen. Immer wieder flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper in Richtung der PolizistInnen, aber auch auf Schaufenster. „Ganz Berlin hasst die Polizei“, riefen die Köpi-UnterstützerInnen dabei im Chor.

Dabei hatte die Demonstration noch vergleichsweise ruhig begonnen, als die DemonstrantInnen um 20 Uhr am Treffpunkt eintrafen. Umso lauter wurde es dann, als die OrganisatorInnen zum Aufbruch aufriefen und den Demonstrationszug in Richtung Köpenicker Straße starteten.

Die Demonstration am Freitagabend richtete sich zwar gegen die Köpi-Räumung, sollte aber ein Zeichen gegen den gesamten Kapitalismus sein, wie eine Demonstrierende vor Ort sagte. Mit Steinen zerkratzten die Demonstrierenden den Lack von Autos, einer von ihnen schlug mit einem Baustellenschild auf die Windschutzscheibe eines Mercedes-Coupé ein. „A-Anti-Anticapitalista“, schrie der Demonstrationszug dabei im Chor.

An der Köpenicker Straße angekommen, durften die DemonstrantInnen nicht passieren. Aufgrund der Räumung zähle die Straße noch immer zur „roten Zone“, wie eine Polizistin der taz gegenüber äußerte. Wie viele BeamtInnen am Freitagabend bei der Demo genau im Einsatz waren, konnte die Polizei vor Ort nicht sagen. Dasselbe gilt für die Zahl der DemoteilnehmerInnen, die eine Polizeisprecherin auf 7.000 bis 8.000 schätzt.

Nach der Auflösung der Demo kam es in Kreuzberg noch zu Auseinandersetzungen zwischen einer kleineren Gruppe von Demonstrierenden und der Polizei. Die Nacht verlief aber ruhig.

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12 Kommentare

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  • Eine Demonstrierende?! Echt jetzt? Also ist das nicht einfach eine Demonstrantin?

  • Da sind sie mal wieder, die Spiessbürger*innen (mit Ausnahme von @GENOVA).

    Vielleicht schont es Eure Nerven, wenn Ihr Euch bei der Bild oder bei der FAZ (je nach Dünkel) tummelt?

  • Mich interessiert, was auf diesem Grundstück gebaut werden soll.



    Die bisherige Situation war anscheinend 50 Bewohner auf 2.600 qm Fläche.



    Meine Vermutung, es wird Wohnraum für mehr Menschen geschaffen. Nachdem wir alle gleich und kein mensch illegal ist, sollten das doch gute Nachrichten sein.

  • Im Beitrag liest sich das alles noch recht harmlos. In dem Bericht von „MDR Aktuell“ wurde einiges mehr gemeldet. Insbesondere einige Rufe der Demonstranten (die ich lieber nicht zitiere) hätte man, wären sie von Rechtsextremisten gekommen, als „Hass- und Hetzparolen“ bezeichnet.



    Was ist eigentlich gegen die „Hufeisentheorie“ zu sagen, wenn die damit Gemeinten alles tun, um sie zu bestätigen?

  • “Ganz Berlin hasst die Polizei” war schon immer eine der dümmsten Parolen, weil sie ja nun mal offenkundig nicht wahr ist. Kommt man sich nicht etwas dämlich vor, wenn man das skandiert? Alternative ist natürlich, dass man das tatsächlich glaubt. Spricht auch nicht gerade für einen.

  • Demonstration nennt man das also, wenn Polizei mit Böllern beschossen wird, und Eigentum völlig unbeteiligter zerstört wird … ja, Autos demolieren ist Sachbeschädigung.



    Das war keine Demo, sondern Randale.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Holger Steinebach:

      Böller?



      Ein Riesenfehler, den Verkauf von Pyrotechnik übers Jahr zu erlauben und offenbar auch noch in größeren Mengen.



      Einfach verbieten!



      Bei Amazon gibt`s alles - jederzeit!

  • Gut, dass dort 8.000 Leute mitdemonstriert haben. Es ist ein Zeichen des Widerstandes gegen die Perversion namens Gentrifizierung. Auch wenn es leider im konkreten Fall nichts geholfen hat.

    Wären gestern Abend 80.000 mitgelaufen, sähe es anders aus. Eine Frage der Zahl. Insofern sollte sich jeder auch hier Lesende fragen, warum er/sie nicht dabei war - ich eingeschlossen. Man könnte an diesem Thema ganz gut ethische Fragen zur Schuld diskutieren. Eine gewisse Pflicht, sich gegen Zumutungen des Kapitals zu wehren, wäre einzufordern. Beim Thema CO2 wird das pausenlos diskutiert, bei der Stadt- und also Menschenzerstörung durch die herrschende Klasse herrscht Schweigen.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @genova:

      Frau Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin ist so ein Beispiel. Sie kommt aus Reinickendorf und zieht einfach nach Kreuzberg, ausgestattet mit einem Bürgermeistergehalt kann sie sich eine fette Wohnung leisten, oder Ströbele, oder Trittin in seiner Dachgeschosswohnung, alles Gentrifizierer. Wer nicht in Kreuzberg geboren ist hat dort nichts zu suchen, das gilt auch für die Köpi- Leute. Manche nehmen sich den Wohnsitz mit Gewalt, die anderen mit Geld.

      • @97287 (Profil gelöscht):

        Das finde ich einen Superansatz. Dann aber bitte auch, keine Kreuzberger außerhalb von Kreuzberg, von wegen Umziehen weil ihr woanders Studieren oder arbeiten wollt. Dort geboren, dort beerdigt !



        Vielleicht noch ne praktische Mauer drum, um sich die ständigen Kontrollen an der Bezirksgrenze zu sparen ?

      • @97287 (Profil gelöscht):

        "Wer nicht in Kreuzberg geboren ist hat dort nichts zu suchen,"? Und Deutschland den Deutschen oder wie? Dass eine solche Aussage massiv xenophob ist ist Ihnen aber schon bewusst oder?

  • Warum wird in einem Land mit sozialer Marktwirtschaft gegen Kapitalismus demonstriert?

    Wir haben hier deutlich mehr Wohlstand als in sozialistischen Ländern einen funktionierenden Rechtsstaat mit starken Freiheitsrechten und gleichzeitig deutlich mehr Sozialleistungen als in rein kapitalistischen Ländern und Bildungs- und Aufstiegschancen für jeden. Im Bundeshaushalt ist das Budget für Arbeit und Soziales mit über 30 % der größte Posten.

    Was soll da wie besser werden?