piwik no script img

Radfahren im SmogHöllentrip durch Peking

Der Smog in China ist oft unerträglich. Klart er auf, fährt unser Korrespondent aus Ökogewissensgründen ab und zu mit dem Rad. Das ist ziemlich irre.

Das Gebäude des chinesischen Staatsfernsehens CCTV versinkt im Smog Foto: ap

Peking taz | Das waren noch Zeiten: Tausende, wenn nicht sogar Hunderttausende Radfahrer radelten täglich dicht gedrängt in einem gleichförmigen Strom durch Peking. Die etwas Älteren dürften sich noch an solche Bilder erinnern. Wahrscheinlich ist es schon 20 Jahre her, dass Peking noch eine Radfahrerstadt war.

Die breit angelegten Fahrradbahnen rechts und links entlang der großen Prachtalleen und Ringstraßen zeugen noch davon. Jede Weltmetropole würde Peking um diese Fahrradstraßen beneiden. Die Stadtverwaltung hat sie längst für den Autoverkehr freigegeben. Heute steigen hier nur noch Irre aufs Rad. Und Ausländer.

Zur letzteren Gruppe fühle auch ich mich zugehörig, zumindest bin ich ähnlich sozialisiert. Gleich nach Ankunft in Peking vor fünf Jahren hatte ich mir ein Fahrrad besorgt. Eines dieser modernen Mountainbikes, die China für den Rest der Welt produziert, im eigenen Land wegen mangelnder Nachfrage aber nur selten absetzt.

Auch wenn ich es aus Angst vor aggressiven SUV-Fahrer dann doch nicht oft so benutze – wenn ich Besuch aus Deutschland habe, führe ich es stolz vor, leihe mir ähnliche Räder meiner (ausländischen) Nachbarn und erkunde mit ihnen Peking auf dem Rad.

Standardroute für Besuch

Vor Kurzem kam ein Freund aus Schulzeiten mit seiner Freundin zu Besuch. Ich habe inzwischen eine Standardroute, die ich mit Besuch abfahre. Von meiner Wohnung in der Nähe des beliebten Ausgehviertels Sanlitun im Nordosten der Stadt geht es schnurstrack am Arbeiterstadion vorbei in Richtung Straße des Ewigen Friedens – die längste Straße der Welt.

Von dort aus weiter zum Tiananmenplatz, dem größten Platz der Welt. Der wird einmal umrundet, dann wird eine kurze Kaffeepause am Fuße des Platzes gemacht.

Fahrräder werden doch nur für Kurzstrecken verwendet

Ein Fahrradhändler in Peking

Zurück geht es am Finanzviertel mit dem hässlichen Klotz des chinesischen Staatsfernsehens CCTV vorbei, den unter anderem der Karlsruher Architekt Ole Scheeren mit verbockt hat und wegen seiner komischen Form im Volksmund auch als „Unterhose“ bezeichnet wird. Das sind dann ordentliche 30 Kilometer, inmitten aggressiver Pekinger Autofahrer, die auf Radler nicht im Geringsten Rücksicht nehmen.

„Hey Ausländer, lebensmüde?“, brüllt uns ein Autofahrer am Arbeiterstadion entgegen. „Keine Angst vor der Luftverschmutzung?“, fragt mitleidig ein älterer Mann am Straßenrand, kurz bevor wir in die Straße des Langen Friedens abbiegen.

Selbst der Fahrradhändler, bei dem wir wegen eines geplatzten Reifen kurz Halt machen, wirkt überrascht: „Ihr wollt doch nicht wirklich zum Tiananmenplatz radeln?“, fragt er verwundert.

Zwölfspurige Kreuzung

„Aber das machen doch sicherlich viele“, sage ich und zeige auf die vielen Leihräder, die neuerdings am Straßenrand stehen. „Die werden doch nur für Kurzstrecken verwendet“, antwortet er. Freundlich bietet er an, über sein Smartphone ein Taxi zu bestellen.

Mein Besuch und ich lassen uns nicht verunsichern. „So schlimm kann das ja nicht sein“, meint mein Kumpel, mit dem ich schon die schottischen Highlands per pedes durchquert hatte.

Zum Café und zum Tiananmenplatz schaffen wir es. Doch kurz bevor wir uns auf die Rückfahrt machen, zieht eine gigantische gelb-rötliche Staubwolke auf. Das Rötliche ist Sand aus der mongolischen Steppe.

Mit jeder Menge Gegenwind treten wir in die Pedalen. Als wir vor der zwölfspurigen Kreuzung vor dem hässlichen CCTV-Tower stehen, eingehüllt in einer besonders dichten Feinstaubwolke, von allen Seiten angehupt werden und es uns nur mit Mühe gelingt, diese Kreuzung zu überqueren, sagt mein Kumpel: „Das Ganze war ja doch eine Schnapsidee.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ach, ehrlich? Eine "Schnapsidee"? Wer hätte das gedacht?

     

    Elfeinhalb Millionen Pekinger sind ja auch nicht annähernd so klug wie eine Hand voll Langnasen, die in (West-)Europa sozialisiert wurden und deswegen überzeugt sind, sie wären dem Rest der Welt intellektuell und moralisch haushoch überlegen.

     

    Ach ja, ich liebe ihn, den aufstrebenden Bildungsbürger mit Westgeld-Selbstvertrauen!