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„Querdenken“ in den HochwassergebietenDie braune Flut

Andreas Speit
Kommentar von Andreas Speit

„Querdenken“ und die rechte Szene nutzen die Hochwasserkatastrophe für Propaganda gegen den Staat. Angebliche Solidarität ist Stoff der Selbstvermarktung.

Einsamer Zwerg im Geröll: Szene aus dem überfluteten Bad Neuenahr-Ahrweiler am 18. Juli Foto: Wolfgang Rattay/reuters

S ie rufen zu Spenden auf, sie räumen Schlamm weg – und sie inszenieren sich. Die Hochwasserkatastrophe in West- und Südwestdeutschland hat die verschiedensten Ak­teu­r:in­nen aus dem „Querdenken“-Spektrum und der rechtsextremen Szene veranlasst, Hilfsaktionen zu starten. Einzelne bieten ihre Konten für Geldspenden an, andere sammeln Sachspenden, wieder andere räumen Schutt weg.

Ihre Hilfen und die angebliche Unterstützung werden allesamt breit in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Ein Teil des „Querdenken“-Spektrums hat sich mit diesen Aktionen angesichts der bevorstehenden Fast-Postcoronazeit nicht nur ein neues Thema gesucht, sondern gleichzeitig der rechten Szene weiter angenähert.

Ihre Botschaft lautet: Der Staat hat versagt. Er hat die Menschen allein gelassen. Hilfe sei jetzt einzig von den eigenen Strukturen zu erwarten. Die Botschaft geht mit einer Strategie einher. Die Solidarität ist Stoff der Selbstvermarktung. So sind die Telegram-Kanäle voll mit Videos von den ach so guten Taten.

Bei all dem Dokumentieren und Promoten stellt sich die Frage, ob überhaupt nachhaltige Hilfen stattfinden. „Volkslehrer“ Nikolai Nerling berichtet in die eigene Handykamera, wie er den Matsch in einem Keller wegräumt, und beendet eilig die Aufnahme, da er sich „nicht vor der Arbeit drücken“ wolle.

Fatal ist der Schluss derer, die sich selbst weit ab vom Mainstream positionieren. So sei diese Flutkatastrophe weder Zufall noch dem Klimawandel geschuldet. Sie inszenieren sich als „die Guten“, als die „Kümmerer“ und behaupten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel lange gewarnt worden sei und trotzdem „über 150 Deutsche ertrinken“ ließ.

Die Flutkatastrophe ist aus der schrägen Perspektive des „Querdenken“-Spektrums „vorsätzliches Staatsversagen“, das offenbare, wie sehr Deutschland nur noch von unten gerettet werden könne. Kanzlerkandidat Armin Laschets Lachen vor Ort ist Wasser auf den Mühlen all jener, die an Verschwörungen glauben und die die Chance nutzen, Andersdenkende anzufeinden.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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20 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Querdenken hat ja eigentlich was mit Denken zu tun. Daran mangelt es aber gewaltig!

  • Ganz ehrlich, ich bin kein Freund von Querdenkern und schon garnicht von Nazipack, aber jeder der mit anpacken kann wird gebraucht. Nur weil ich mir von denen helfen lasse heißt das nicht automatisch, dass ich auf diesen Querdenkerquatsch reinfalle oder jetzt zum Nazi werde, der Zusammenhang erschließt sich mir nicht. Wenn sie helfen wollen Bitteschön, das sind auch Menschen und vielleicht wollen welche von denen ja wirklich ehrlich helfen, kann man niemandem absprechen, wer allerdings deshalb auf diese Blödsinns-Propaganda reinfällt, der war auch schon vorher verloren

    • @PartyChampignons:

      Vielleicht fallen Sie in erster Instanz nicht auf diese politisch bedenklichen Gruppierungen herein, aber in dem Sie deren Hilfe annehmen, unterstützen Sie sie und verhelfen ihnen zu Anerkennung.

      Dementsprechend können Sie sich selbst nochmal die Frage stellen, ob sie auf jene Gruppierungen dann nicht doch hereinfallen!

  • So berechtigt Herrn Speits Kommentar auch ist - warum zeigen linke Aktivist_innen dort nicht Ihre Solidarität?

    • @rero:

      Sind Katastrophen neuerdings politische Werbeveranstaltungen oder was?

  • Dazu passend die Polizeimeldung von vorgestern, dass Leute mit Polizeiähnlichen Lautsprecherwagen Falschmeldungen verbreiten.



    www.presseportal.d.../pm/117715/4973393

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Andreas Säger:

      Das Übliche. Polizei schaut nur zu, anstatt die Personalien dieser Spinner aufzunehmen und denen eine kräftige Strafe zu verpassen.



      Das hat nichts mit Demonstrationsrecht zu tun.

  • Ich verstehe nicht, daß Kommunen oder Länder diese Leute nicht mit dem Argument hinauskomplimentieren können, sie würden die Katastrophenhilfe stören.

    Wer braucht denn Politiker (und Querdenken und co. sind Politiker), die sich da profilieren wollen?

    • @kditd:

      Damit würde man allerdings all die "echten" freiwilligen Helfer, die beim Aufräumen arbeiten, ebenfalls "hinauskomplimentieren" - wie soll man die unterscheiden?

    • @kditd:

      Auf welcher Rechtsgrundlage?

    • @kditd:

      Das verstehe ich auch nicht, warum man die da gewähren lässt. Vielleicht wegen der Wahl im September.

      • @Gnutellabrot Merz:

        Die Polizei hat in den rechten Quark-Denkern seit deren Erscheinen eher sowas, wie "unerzogene Verwandte" gesehen, als Gegner.



        Inzwischen, nach dem massiven öffentlichen Druck haben die Behörden aber reagiert:



        www.swr.de/swraktu...r-zentrum-100.html

        • @Wagenbär:

          Nicht glaubwürdig.



          Dazu beansprucht die Polizei viel zu sehr, Platzhirsch zu sein.

      • @Gnutellabrot Merz:

        Meine Firma hat freiwillige diese Woche von der Arbeit freigestellt, aufgrund dessen habe ich am Montag in Ahrweiler mit angepackt.

        Konsenst war, jede helfende Hand ist gebraucht. Die Artikel über die braunen Kameraden waren nocht nicht gelesen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass es ein totales Chaos war, wo einfach angepackt wurde, von meiner Seite sowie von allen die mit mir waren.

        Am Ende vom Tage waren wir alle braun und haben nach Scheisse gestunken. Wie bitte mögen Sie in so einer Situation differenzieren, ob diese stinkende Bräune vom Fäkal durchsetzten Schlamm kam oder von der politischen Gesinnung?

        Des weiteren gebe ich noch zu bedenken, dass ich Menschen egal welcher Coleur als facettenreich wahrnehme. Soll in diesem Kontext heissen, ein rassistischer Faschist kann dennoch tatsächlich seine Hilfe ernst meinen und nicht nur aus Propagandazwecken eben dies tun.

        Muss man halt differenzieren. Im vorigen Artikel wurde von einem polizeiähnlichen Auto mit Lautsprechern berichtet. Aus diesen Lautsprechern kamen wohl Fehlinformationen mit Zweck die Bevölkerung zu beunruhigen. Dagegen hätte man eine rechtstaatliche Handhabe. Mit sicherheit gibt es auch andere Beispiele.

        Nur das was Sie in 1-2 kurzen Sätzen fordern geht leider dann doch an der Realität vorbei.

  • Sind denn die Behauptungen so aus der Luft gegriffen? Ausländische Medien haben doch schon längst darüber berichtet, dass mehrere Tage vor dem Regen Warnungen der Wetterdienste an die Regierung gingen. Diese wurden aber nicht in den Nachrichten verbreitet, ein Katastrophenalarm ging nicht raus. Teilweise mit der Begründung, nicht beunruhigen zu wollen, eben weil ja keine Radiowarnungen ausgestrahlt wurden und somit Angst bestand, der Polizei-Notruf könne überlastet werden.

    Ein paar Fakten statt Ideologie wären angebracht. Liegt also kein Staatsversagen vor, nur weil politisch Unliebsame dies behaupten?

    • @BvW:

      Quatsch! Fake News! Qui habet aures audiendi audiat! Ich bin ab Montagabend von meinem bevorzugten Radio (WDR5) intensiv und wiederholt gewarnt worden, 200 l/m2, schwere Überflutungen, Murenabgänge, ich denke, deutlicher geht es nicht.

    • @BvW:

      Staatsversagen ist ja ein großes Wort. Sollte ein "Staatsversagen" vorliegen, welche Konsequenzen müssten denn Ihrer Meinung nach daraus gezogen werden? Neuer Staat? Neue Staatsform?

    • @BvW:

      Ausgerechnet von den Quark-Denker-Reichsbürger-Nazis verorten sie sowas wie "Fakten statt Ideologie" ?



      Aus verschiedenen Gründen beobachte ich die Wetterentwicklung jeweils sehr genau und verstehe sie auch zu einem großen Teil.



      Daher sehe ich da z.b. durchaus Anzeichen für ein Versagen der Behörden.



      Was skrupelloseste (Superlativ!) und niedersträchtigste (wieder Superlativ)



      Geschäfte-Macher, wie Bodo Schiffmann aber betreiben, hat /nichts/ mit "Fakten statt Ideologie" zu tun.



      Sie skandalieren (mögliche) Fehler, vemischen diese Skandalisierung mit wiederlichsten (wieder Superlativ) Lügen um damit die solidarische Gesellschaft zu spalten, zu verunsichern, und um daraus Profit zu ziehen.

    • @BvW:

      Die Frage nach möglichen Fehlern in Behörden und im Katastrophenschutz wird aber doch längst breit diskutiert und auch beantwortet werden. Die Mithilfe von Querschwurbler*innen und Reichsbürger*innnen braucht es dazu aber nicht, schon gar nicht vor Ort.

    • @BvW:

      Danke dafür!!! Ganz meiner Meinung. Unsere Gesellschaft ist schon polarisiert genug. Das Problem an Faschisten ist die faschistische Gesinnung, bei Rassiten die rassitsische. Dagengen argumentiere ich immer gerne. Aber einfach nur an der Realtät vorbei stumpf die Gegenseite annehmen halte ich für einen fragwürdigen Umgang.