Putins neuer Kriegsmanager: Der „Weißbart“ Andrei Beloussow
Der Zivilist Andrei Beloussow wird neuer russischer Verteidigungsminister. Krieg sieht er als Basis für wirtschaftliche Erfolge.
Nein, mit ihm hatte niemand gerechnet. Nun aber, da der russische Präsident Wladimir Putin für eine abendliche Überraschung gesorgt hatte, lobt jeder in der russischen Elite Andrei Beloussow (gesprochen: Belo-ussow), Russlands neuen Verteidigungsminister, bislang als Vizeregierungschef für Wirtschaftspolitik bekannt. „Eine Sensation“, sagen die einen. „Die beste Entscheidung“, die anderen. Beloussow sei ein „treu ergebener Diener des Systems“, so nennt ihn Leonid Sluzki, der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei LDPR. Ein „Mann Putins“.
Der seit der russischen Invasion in der Ukraine stark kritisierte Sergei Schoigu muss – im Rahmen der Regierungsumbildung nach Putins Amtseinführung nicht ganz unerwartet – den Posten räumen. Der bald 69-Jährige folgt als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates dem Putin-Vertrauten Nikolai Patruschew nach. Ein Altersposten, um das Gesicht zu wahren. Was aus Patruschew wird, ist noch nicht bekannt. Das Parlament muss die Entscheidungen noch bestätigen, das gilt allerdings als Formsache.
Der 65-jährige Beloussow ist habilitierter Volkswirt und setzt sich für strenge und weitreichende staatliche Regulierungen ein. Er tritt – ähnlich wie Putin – als „Bewahrer traditioneller Werte“ auf und sieht sich – ähnlich wie Putin – von Feinden umzingelt.
Seit 18 Jahren ist er im russischen Staatsdienst, war mehrheitlich vor allem beratend tätig. Unter Dmitri Medwedew, einer Art „Tauwetter“-Präsident und doch nur Putins Auswechselmaterial, war er Minister für wirtschaftliche Entwicklung. 2013 machte ihn der jetzige Kreml-Herrscher zu seinem Wirtschaftsberater in der Präsidialverwaltung. Ein Schlüsselposten. Beloussow – im Russischen heißt es „Weißbart“ – hatte daraufhin das ehemalige Arbeitszimmer des einstigen sowjetischen Chefkommunisten Leonid Breschnew im Zentrum Moskaus bezogen. Die UdSSR-Karte, die seit der Zeit des KP-Oberen an der Wand hing, soll er dort gelassen haben.
Der Krieg in der Ukraine als Basis der russischen Wirtschaft
„Remytsch“, wie Beloussow von seinen Bekannten offenbar genannt wird, angelehnt an den Namen seines Vaters, gilt als knallharter Chef, der „nicht sonderlich korrupt“ sein soll. Bereits sein Vater Rem (der Name ist eine Abkürzung für „Weltrevolution“; in frühen Sowjetzeiten waren Vornamen dieser Art üblich) war ein gefragter Ökonom. Beloussow, der Ältere, gilt als Begründer der sowjetischen Schule der Preisgestaltung, Beloussow junior besuchte die renommierte Moskauer „Zweite Schule“, die bis in die heutige Zeit hinein als innovativ gilt, vor allem, was die Ausbildung in den Fächern Mathematik und Physik angeht.
Gedient hat der 65-Jährige nicht. Das haben allerdings auch seine Vorgänger Sergei Schoigu, Anatoli Serdjukow und Sergei Iwanow nicht. Putin geht es ohnehin nicht darum, ob der Neue die Armee von Innen kennt. Der Schritt, einen ihm loyalen Zivilisten mit scharfem Wirtschaftsverstand zu holen, zeigt, dass der Krieg in der Ukraine mittlerweile die Basis für die russische Wirtschaft ist.
Beloussow soll das Verteidigungsministerium effizienter machen und die Kosten an der Front optimieren. Für militärische Entscheidungen dürften weiterhin der Generalstabschef Waleri Gerassimow und Putin selbst zuständig sein. Aus dem Kreml heißt es: „Wir müssen die Wirtschaft des Sicherheitsblocks in die Wirtschaft des Landes integrieren.“ Das Wachstum sollen also die Rüstungsfabriken liefern. Und der weißhaarige religiöse Ökonom soll diese auf Produktivität trimmen, um Russlands militärische Erfolge zu steigern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour