Prozess um Kinderheim-Schließung: Die Haasenburg wehrt sich

Die Heime der Haasenburg GmbH wurden vor zehn Jahren wegen unzumutbarer Methoden geschlossen. Nun wird die Klage des Betreibers verhandelt.

Mit Comic-Figuren bemalte Fensterscheiben neben einer gelben Wand

Inzwischen wohnt hier niemand mehr: Haasenburg-Heim in Jessern Foto: Pa­trick Pleul/picture alliance

HAMBURG taz | Ohne zu fragen auf Toilette, mit Gleichaltrigen reden, eigenständig handeln – solche Selbstverständlichkeiten waren nicht selbstverständlich in den Heimen der „Haasenburg GmbH“, zumindest nicht in der „Phase Rot“. Die dauerte oft Monate und schränkte die persönliche Autonomie der Kinder extrem ein.

Die drei Heime in Brandenburg mit ihren 114 Plätzen wurden von Jugendämtern aus ganz Deutschland belegt. Nachdem die taz darüber berichtet hatte, untersuchte eine Kommission die Zustände. Deren Abschlussbericht hatte zur Folge, dass Brandenburgs Jugendministerin Martina Münch (SPD) die Heime schloss. Denn eine Gefährdung für das körperliche, geistige und seelische Wohl der Minderjährigen könne dort nicht ausgeschlossen werden. Zudem sei Reformbedarf so groß, dass dieser nicht zu beheben wäre.

All das ist zehn Jahre her, die Erinnerung an den Skandal verblasst. Der Standort in Münche­berg wurde Flüchtlingsunterkunft. Für das zweite Heim Neuendorf und das dritte in Jessern gab es Pläne, derzeit wirken sie leer.

Aber die Geschichte ist nicht vorbei. Am 23. November verhandelt das Verwaltungsgericht Cottbus über eine Klage der Haasenburg GmbH. Gewinnt sie, könnte sie eine Entschädigung einklagen. Denn statt zu schließen, hätte die Heimaufsicht theoretisch auch Auflagen erteilen können.

Im Eilverfahren hatte die Haasenburg verloren

Für Ministerin Münch war das damals 2013 keine Option mehr. Die Haasenburg-Heime seien „nicht reformierbar“, ihr Selbstverständnis von „schematischen und drangsalierenden Erziehungsmaßnahmen“ geprägt. Zudem bestehe eine latente Gefährdung für die Jugendlichen, da diese „jederzeit mit unverhältnismäßigen körperlichen Zwangsmaßnahmen rechnen“ müssten. Gemeint ist das Festhalten und Zu-Boden-Bringen der Jungen und Mädchen mit speziellen Handgriffen, die auch schmerzhaft waren und teils zu Verletzungen führten.

Die Haasenburg GmbH wehrte sich schon 2013 per Eilverfahren gegen die Schließung. Sie verwies darauf, dass in ihren Anweisungen stets deutlich gemacht werde, dass körperlicher Zwang nur zur Abwehr von Fremd- oder Selbstgefährdung eingesetzt werden solle. Doch die Richter überzeugte das nicht. Habe sich doch in den drei Heimen eine ungute Praxis entwickelt.

Der unbedingte Wille, auf jede auch noch so unbedeutende Regelverletzung konsequent zu reagieren, habe die Eskalationen mit verursacht, an deren Ende der Einsatz von körperlichem Zwang stand, heißt es in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Mai 2014. Das Konzept müsse schon grundlegend geändert werden, doch dazu zeige sich der Heimträger nicht bereit.

Doch das war nur das Eilverfahren. Endgültig klären, ob die Schließung rechtens war, sollte ein „Hauptsacheverfahren“. Dazu kommt es, warum auch immer, erst jetzt.

Ehemalige Bewohner wie Renzo M. wollen am 23. November dabei sein. Sie appellierten an Münchs Nachfolger Steffen Freiberg (SPD), sich auf keinen Vergleich einzulassen. Die Haasenburg dürfe nicht entschädigt werden oder gar wieder öffnen, schreiben sie. Keinesfalls dürfe das von ihnen erlebte Unrecht nachträglich legitimiert werden. Viele Ehemalige sind traumatisiert, einige haben Anträge auf Opferentschädigung gestellt. Die liegen bis zum Ausgang des Prozesses auf Eis.

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